Essen. Impfdaten von 13.000 Bürgern hatte die Stadt Essen irrtümlich weitergegeben. Jetzt muss sie einem Bürger 100 Euro Schadenersatz zahlen.

Eine Datenpanne im Essener Impfzentrum könnte eine Klagewelle auslösen. Denn am Donnerstag hat das Landgericht Essen einem betroffenen Bürger 100 Euro Schadenersatz zugesprochen. Rechtskräftig ist die Entscheidung noch nicht. In ähnlichen Fällen gibt es bundesweit auch andere Urteile.

Der falsche Tastenklick eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung im Sommer 2021 ist verantwortlich für die Panne. Er hatte 700 Bürgern eine E-Mail wegen einer Terminänderung im Impfzentrum zugeschickt.Dabei hatte er irrtümlich eine Tabelle mit den Impfdaten von 13.000 Bürgern angehängt. Sie beinhaltete Namen und Anschrift der bereits Geimpften, auch ihr Geburtsdatum und den Impfstatus. In einigen Fällen erhielten die 700 auch Kenntnis von den Mobilnummern und E-Mail-Adressen der 13.000.

Stadt reagierte sofort auf den Fehler

Die Stadt Essen hatte damals sofort auf den Fehler reagiert, eine Pressemitteilung veröffentlicht und um Entschuldigung gebeten für den "unverzeihlichen Fehler". Eine Rückrufaktion der Mail gelang aber nur zum Teil. Sie hatte zudem die 700 Empfänger gebeten, die Mail unverzüglich zu löschen.

Ein Bürger versuchte nun, von der Stadt Essen einen Schadenersatz in Höhe von 10.000 Euro einzuklagen. Einen konkreten Schaden hatte er nicht vorzuweisen, berief sich aber auf die möglichen Gefahren durch den Missbrauch seiner Daten.

Stadt: Kläger ist nicht beeinträchtigt

Die Stadt hatte dagegen beantragt, die Klage abzuweisen. Sie berief sich darauf, dass eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten sein müsse, bevor Schadenersatz gezahlt werde. Das sei hier nicht der Fall. Es sei keine spürbare Beeinträchtigung für den Kläger gegeben.

Die 1. Zivilkammer am Landgericht Essen berief sich in ihrem Urteil auf das auch für Deutschland verbindliche Europarecht, speziell auf die dort verankerte Datenschutzgrundverordnung, Artikel 82. Danach sei ein grundsätzlicher Anspruch des Betroffenen gegeben. Es sei zwar durch die irrtümliche Weitergabe kein Schaden eingetreten, das Risiko eines Missbrauchs sei aber gegeben.

Schnelle Reaktion der Stadt senkt Schadenersatz

Zur Festlegung des Schadensersatzes  zog die Kammer mehrere Kriterien heran, erläuterte Richter Lars Theissen, Vorsitzender der 1. Zivilkammer. Dazu gehöre die Tatsache, dass es eindeutig ein Versehen eines Mitarbeiters gewesen sei, also keine bewusste Weitergabe geschützter Daten. Die Stadt hätte allerdings aus Sicht der Kammer Vorsorge treffen müssen, dass ein solcher Fehler nicht passiere.

Das Gericht berücksichtigte auch, dass die Stadt im Sommer 2021 unter einem hohen Erwartungsdruck gestanden habe. Bund und Land, aber auch ein Großteil der Öffentlichkeit, hätten verlangt, dass für den Gesundheitsschutz möglichst schnell ausreichende Impfkapazitäten aufgebaut würden. Positiv sei auch zu werten, dass die Stadt selbst die Panne öffentlich gemacht und gar nicht erst versucht habe, sie zu vertuschen.

Kläger trägt Kosten des Verfahrens komplett

Deshalb falle der Schadenersatz mit 100 Euro "nicht so ganz hoch" aus. Weil der Kläger mit 10.000 Euro viel zu viel verlangt habe, trägt er die Kosten des Verfahrens zu 100 Prozent. Die Kammer ließ die Berufung zu.

In Essen liegen noch weitere Klagen vor. Bindend ist die aktuelle Entscheidung der Essener Kammer nicht. Berufungen und Revisionen sind möglich, außerdem haben andere deutsche Gerichte die Rechtsfrage der "Erheblichkeit" bereits dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. (Az: 1 O 272/21)