Aus den Niederlanden. Weil die Sieben-Tage-Inzidenz bei 200 liegt und erste Kliniken überlastet sind, erwägen die Niederlande eine Rückkehr zu bestimmten Coronaregeln.
Weil sich die Corona-Lage in den niederländischen Krankenhäusern weiter zuspitzt, fordern Einrichtungen im ganzen Land die Regierung auf, Corona-Maßnahmen wie eine allgemeine Maskenpflicht wieder einzuführen und die bestehende 3G-Regel im Freizeit, Kultur-, und Gastrobereich besser zu kontrollieren. Die Regierung erwägt bereits mögliche Schritte.
Laut öffentlich-rechtlichem Sender NOS ist die Anzahl der Krankenhausaufnahmen aktuell wieder so hoch wie im Mai. Dadurch seien die Intensivstationen einzelner Krankenhäuser vollständig belegt. Seit über zwei Wochen steigt die Zahl der Neuinfektionen deutlich, zuletzt lag die Sieben-Tage-Inzidenz laut niederländischem Gesundheitsinstitut RIMV bei knapp 225 (Stand 26. Oktober).
Das merken die Krankenhäuser: Erste Kliniken hatten vergangene Woche gemeldet, überlastet zu sein und Patientinnen und Patienten in andere Häuser verlegen zu müssen. Um eine landesweite Überlastung zu verhindern, ist nach Ansicht der Fachleute ein Einschreiten der Regierung notwendig. Ende September wurde der allgemeine Sicherheitsabstand in der Öffentlichkeit aufgehoben, Clubs durften unter bestimmten Sicherheitsbedingungen wieder öffnen. Rund zwei Wochen danach stieg die Zahl der Neuinfektionen wieder deutlich an.
Folgen durch Neuinfektionen: Behandlungsstaus in niederländischen Kliniken
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Das hat Folgen für die gesamte medizinische Versorgung: Durch die zunehmenden Corona-Infektionen muss etwa die Nimwegener Universitätsklinik wieder OPs verschieben. 650 Menschen stehen auf einer Warteliste. Das Krankenhaus macht darauf aufmerksam, dass aktuell weniger Betten und weniger Personal zur Verfügung stünden als zu Hochzeiten der Pandemie. Zudem wird eine schwere Grippesaison erwartet.
Also die jüngsten Lockerungen wieder zurücknehmen? Zumindest nicht auf Basis der Sieben-Tage-Inzidenz. Die hat in den Niederlanden bereits seit Ende September ausgedient. Stattdessen werden nur noch die Hospitalisierungsrate und Intensivaufnahmen bei Entscheidungen über Regelverschärfungen oder Lockerungen herangezogen.
Klar ist, dass die aktuelle Infektionslage nicht vergleichbar mit den Hochzeiten der Pandemie ist. Die aktuelle Entwicklung zeigt aber auch, dass die Sieben-Tage-Inzidenz weiterhin ein Vorbote für die Entwicklungen in den Krankenhäusern sein kann. Vor allem Ungeimpfte landen mit einer Covid-Infektion im Krankenhaus, doch es werden laut niederländischem Gesundheitsinstitut RIVM zunehmend Impfdurchbrüche gemeldet. Vor allem unter den über 75-Jährigen kommen vermehrt teils oder vollständig Geimpfte ins Krankenhaus.
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Für Nardo van der Meer vom Krankenhaus Eindhoven ist deshalb klar: „Nicht weiter lockern und sogar etwas zurücknehmen“, wie er der Zeitung Trouw sagte. Auch Wim van Harten vom Arnheimer Krankenhaus Rijnstate glaubt, dass es nicht gelingen werde, die landesweite Impfquote schnell ausrechend zu erhöhen.
So bleibe nur der Weg über Coronamaßnahmen. Rund 70 Prozent der Gesamtbevölkerung der Niederlande ist laut Europäischem Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten vollständig geimpft. Die meisten Covid-19-Neupatienten sind nach Angaben des niederländischen Gesundheitsinstituts RIVM nicht vollständig geimpft oder ungeimpft.
Infolge der anhaltenden Kritik meldete Gesundheitsminister Hugo de Jonge sich am Montag zu Wort. Die Krankenhausaufnahmen seien schneller gestiegen als erwartet. Am 2. November will Premier Mark Rutte erneut über die Coronastrategie informieren und mögliche nächste Schritte ankündigen. Ursprünglich sollte die nächste Pressekonferenz am 5. November stattfinden. Fachleute hatten aber gewarnt: Das sei zu spät. (mh)