An Rhein und Ruhr. Mediziner Dr. Thomas Voshaar macht Hoffnung auf ein Ende der Corona-Maßnahmen. Er erklärt, wieso der Genesenen-Status nicht zu unterschätzen ist.

Gerade erst haben Bund und Länder über das weitere Vorgehen in der Pandemie beraten. Schon im Vorfeld machte Bundeskanzler Olaf Scholz deutlich, dass er Lockerungen der Corona-Regeln auf breiter Front nicht für angebracht hält – zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Neue oder härtere Maßnahmen wurden nicht beschlossen.

Das hält Thomas Voshaar, Lungenspezialist vom Bethanien-Krankenhaus in Moers, auch nicht für notwendig: „Wenn Omikron vielleicht in drei bis fünf Wochen durch ist, sollte man die Situation auf jeden Fall noch einmal neu und ohne Ideologie, rein wissenschaftlich bewerten. Denn es könnte sein, dass ein staatliches Management, Verbote und Gebote dann überflüssig sind“, schätzt der Moerser Mediziner. Schließlich befinde man sich bereits „an der Grenze von der Pandemie zur Endemie“. Das bedeutet, dass Corona bald, wie die Grippe, saisonal für Infektionswellen sorgt, ohne jedoch in einem Ausmaß wie bisher Menschen schwer krank zu machen.

Moerser Mediziner hält baldige Lockerungen für möglich

Man brauche derzeit nur aus einem Grund noch eine staatliche Lenkung: „Und zwar, um zu viele Infektionen auf einmal zu vermeiden, um unsere Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Die Vorsichtsmaßnahmen halte ich derzeit noch für geeignet, damit die Omikron-Welle etwas geglätteter verläuft.“ Bald könne es dann aber so sein, dass jeder Einzelne für sich selbst entscheiden kann, ob er oder sie weiter eine Maske trägt oder ob man als Restaurantbesitzer weiter an einer 2G-Regelung festhält.

„Viele sagen, wir können das Virus nicht durchlaufen lassen. Wir hätten eine viel zu geringe Impfquote bei den vulnerablen Gruppen. Das stimmt nicht. Wir liegen bundesweit bei 87 Prozent der Ü60-Jährigen, die geimpft sind. Das ist eine sehr hohe Zahl im Vergleich zu anderen Ländern“, betont Voshaar. Eine 100-prozentige Impfquote werde man nie erreichen können: „Das ist utopisch. Es wird immer Menschen geben, die sich nicht impfen lassen können oder sich nicht impfen lassen wollen. Wir müssen und können das akzeptieren.“

Intensivbettenbelegung nimmt in NRW seit Wochen ab

Parallel zur steigenden Impfquote gibt es aber auch eine „dramatisch steigende Zahl“ von positiven Corona-Tests. „Diese Testinzidenz bedeutet aber nicht, dass die Menschen überhaupt Symptome haben“ oder vermehrt schwere Verläufe durchmachen, denn: „Es gibt kein Signal, dass die Intensivbettenbelegung stark zunimmt.“ Tatsächlich nehme sie seit Wochen eher kontinuierlich ab.

Von den Menschen, die auf den Intensivstationen liegen oder lagen, gebe es niemanden, der bereits an Covid erkrankt war: „Das ist eine Sensation“, gerade auch, weil Gesundheitsminister Karl Lauterbach derzeit den Genesenen-Status von sechs auf drei Monate herabgesetzt habe. Seiner Meinung nach werde die Bedeutung des Genesen-Seins „komplett unterschätzt. Der Schutz ist sehr stabil und breit. Das konnte man aus Grundlagen der Immunologie auch so vermuten“.

Mediziner rechnet fest mit einer vierten Impfung

Natürliche Infektionen seien „nun ganz wichtig und hilfreich“, damit man von der Pandemie in eine endemische Lage kommt. Und dennoch spricht sich Voshaar klar pro Impfung aus: „Einige Studien zeigen, dass Impfung nach Genesung wohl den stabilsten und umfänglichsten Schutz herbeiführt. Wahrscheinlich ist es umgekehrt, also Genesung nach Impfung, genauso.“ Der Lungenspezialist ist überzeugt, dass es bald eine vierte Impfung geben wird. „Es ist nur Nonsens, das Immunsystem immer wieder mit dem gleichen Impfstoff zu boostern. Das sieht man nun auch an Israel, die diese Maßnahme jetzt gestoppt haben. Wir brauchen einen angepassten Impfstoff im Verlaufe des Jahres.“

Dass man das Virus irgendwann ausgerottet habe, sei bei einer Atemwegserkrankung „eine Illusion“. „Das Influenza-Virus haben wir auch nicht ausgerottet, wir leben damit. Und auch die Grippe wird immer ansteckend bleiben. Einen 100-prozentigen Schutz vor Übertragung gibt es bei einem Atemwegsvirus einfach nicht.“