Kreis Neuss. Im Kreis Neuss können sich Impfwillige aus ganz NRW ohne Termin impfen lassen. Auch andere Kommunen erhöhen das Impftempo. Ein Besuch vor Ort.

Vor der Hammelfeld-Halle im Kreis Neuss herrscht am Montagnachmittag reger Betrieb. Auch Marvin Steffen trifft gegen 16.50 Uhr am Impfzentrum ein – seinen Impfausweis und den ausgefüllten Anamnese- und Einwilligungsbogen regensicher in einer Klarsichtfolie verstaut. „Ich habe mich vor anderthalb Wochen um einen Termin im Impfzentrum gekümmert“, sagt Steffen. „Da wurde mir gesagt: ‚Klar, komm einfach nächsten Montag vorbei‘.“ Also sagte Steffen seinen Impftermin beim Hausarzt ab und entschied sich für eine Kreuzimpfung im Neusser Impfzentrum. „Am Anfang herrschte noch eine Art ‚Impfstoffkrieg‘, aber mittlerweile kommt man ganz schnell an einen Termin.“

Etwas abseits in rund 20 Metern Entfernung sitzt Helga Krupp in einer kleinen Holzhütte und wartet auf ihre Enkelin. „Ich habe meine erste Impfung schon hinter mir, heute bin ich nur die Begleitung“, erzählt die 63-Jährige. Rund 30 Minuten sei sie mit ihrer Enkeltochter zum Impfzentrum gelaufen - trotz grauer Wolken und Regengefahr. „Ich habe einen kleinen Regenschirm. Das wäre nicht das erste und bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich nass werde“, scherzt Krupp. Sie sei froh, dass sich mittlerweile fast alle Altersgruppen impfen lassen können. „Jeder, der sich dagegen entscheidet, ist aus meiner Sicht bescheuert.“

Trotz Ende der Terminpflicht: Viele Impfwillige melden sich an

Weil die Zahl der Neuinfektionen in einigen Städten und Kreisen wieder steigt, drückt die Politik aufs Impftempo. „So viel Impfstoff wie aktuell zur Verfügung steht, stand während der gesamten Impfkampagne nicht zur Verfügung“, sagt Benjamin Josephs, Sprecher des Kreises Neuss. „Es gilt jetzt, möglichst schnell zu impfen.“ Das Problem: Es fehlen die Impfwilligen. Immer mehr Impfzentren registrieren eine sinkende Nachfrage. Laut NRW-Gesundheitsministerium gebe es allein in dieser Woche rund 300.000 freie Termine.

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Die Landesregierung hat deshalb zur „Woche des Impfens“ aufgerufen. Um Unentschlossene von einer Impfung zu überzeugen, sollen die Kommunen möglichst niedrigschwellige Angebote machen. „Ein Mittel sind dabei Impfungen ohne Terminvereinbarung“, erklärt Benjamin Josephs, Sprecher des Kreises Neuss. Jede Person ab 16 Jahren kann sich seit Samstag im Neusser Impfzentrum ohne Anmeldung ihre Erst- oder Zweitimpfung abholen. Das Angebot gilt für alle Bürgerinnen und Bürger in NRW. Auch andere Städte und Kreise in NRW wollen den Impfprozess vereinfachen (siehe Infobox).

Trotzdem vereinbaren viele Impfwillige weiterhin einen Termin: 82 Personen seien am Samstag im Neusser Impfzentrum ohne Anmeldung geimpft worden. Sonntag waren es laut Kreisangaben 101. Zum Vergleich: Am Samstag (2307) und Sonntag (2216) gab es mehr als 20-Mal so viele Impfwillige mit Termin. Annette (Name geändert) ist eine von ihnen: Die 40-jährige Einzelhandelskauffrau verlässt um 17 Uhr frisch geimpft die Hammelfeld-Halle. „Ich hatte seit letzter Woche einen Impftermin. Das war relativ spontan.“ Da sie täglich mit hunderten Kunden in Kontakt komme, die nun keine Maske mehr tragen müssen, wolle sie auf Nummer sicher gehen.

Mobile Impfstation: Kreis Neuss impfte auch im Einkaufszentrum

Die Impfwilligen werden vor dem Neusser Impfzentrum von Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma empfangen. Die zwei älteren Herren und eine Dame stellen sicher, dass die Mindestabstände eingehalten werden. Die Neuankömmlinge werden in zwei Gruppen unterteilt: Impfwillige mit und ohne Impftermin. „Heute Morgen gab es eine Schlange von 200 Metern“, erzählt einer der Mitarbeiter. Leute mit Impftermin kämen bevorzugt an der Reihe. Da sich der Andrang am Nachmittag aber bereits gelegt hat, können die Impfwilligen direkt an der „Sicherheitskontrolle“ vorbeilaufen.

Der Kreis Neuss liegt mit einer Impfquote von 57,6 Prozent leicht unter dem NRW-Schnitt (60,8 Prozent). 44,9 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sind vollständig geimpft. Bei der Steigerung des Impftempos setzt die Kreisverwaltung deshalb neben terminfreien Impfungen auch auf mobile Angebote. „Im Rheinpark-Center haben wir am Samstag ohne Termin 156 Personen geimpft“, sagt Kreissprecher Josephs. „Das waren alles Leute, die spontan vor Ort gesagt haben: ‚Ich lasse mich impfen‘.“ Ähnliche Impfstationen wie die im Neusser Einkaufszentrum seien auch andernorts geplant. „All das sind Maßnahmen, mit denen wir Menschen ohne bürokratische Hürden impfen wollen.“

Der große Andrang bleibt am Montagnachmittag im Neusser Impfzentrum aus. Wer vorbeikommt, ist in der Regel in etwa einer halben Stunde fertig. „Das war super unkompliziert, gut strukturiert und organisiert“, sagt Annette. „Ich bin wirklich positiv überrascht.“ Auch einen Termin für ihre Zweitimpfung habe die 40-Jährige direkt erhalten. „Am 9. August bekomme ich die nächste Impfung.“

Impfung ohne Termin: So planen Städte und Kreise in NRW

Die Stadt Duisburgbietet bereits seit dem 8. Juli Impfungen ohne Anmeldung an. Impfberechtigt sind alle Personen ab 16 Jahren mit einer Meldeadresse in Duisburg. In Essen ist am Montag eine zweitägige Sonderaktion für 16- bis 17-Jährige gestartet. Die Jugendlichen können sich bis einschließlich heute ohne vorherige Terminvereinbarung im Impfzentrum impfen lassen. Voraussetzung ist, dass die Impfberechtigten in Essen wohnen, zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen.

Die Stadt Oberhausen impft in der Willy-Jürissen-Halle vom 12. bis 18. Juli alle Impfwilligen ab 16 Jahren ohne Anmeldung. Der Kreis Wesel bietet vom 14. bis 24. Juli in Wesel und Moers Impfungen ohne vorherige Terminvereinbarung an. Und auch im Kreis Kleve wird an vier Terminen (14./15./ 17. /18. Juli) erstmals ohne Termin geimpft. Je nach Kommune werden unterschiedliche Dokumente benötigt und Impfstoffe angeboten.

Das NRW-Gesundheitsministerium empfiehlt deshalb allen Impfwilligen, die sich ohne Termin impfen lassen wollen, sich vor Ort zu informieren.