Oberhausen. Das Pumpwerk Oberhausen für den Abwasserkanal unter der Emscher ist nun in Betrieb. Der letzte Schritt zur Renaturierung des Flusses ist nah.

Ein Festakt unter freiem Himmel hat seine Vorzüge, doch die frische Luft gehört nicht dazu. Nicht an diesem Freitag Nachmittag in Oberhausen-Biefang, denn je nachdem, wie der Wind steht, schickt die Emscher einen Gruß herüber. Um was es hier geht, das liegt also buchstäblich in der Luft. Ganz die alte!

Doch ihre Tage sind gezählt. „Die neue Emscher kommt“, steht auf einem Transparent an der Rednertribüne, und das ist gleich das Thema: Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nimmt das neue Schmutzwasser-Pumpwerk Oberhausen in Betrieb. Das Finale der Emscher, wie wir alle sie kannten, ist damit eingeleitet: Ende 2021 wird sie kein Abwasser mehr führen. Unfassbar.

„Wir können für die Projekte, die im Klimawandel anstehen, nicht 30 Jahre warten“

Ministerpräsident Armin Laschet (3. v. lks.), Vertreter der Politik und der Wasserverbände werfen symbolisch die Pumpen an.
Ministerpräsident Armin Laschet (3. v. lks.), Vertreter der Politik und der Wasserverbände werfen symbolisch die Pumpen an. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

„Der Emscher steht eine blau-grüne Zukunft bevor“, sagt Uli Paetzel, der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft. Die Anpassung der Region an den Klimawandel müsse das nächste große Projekt sein. Ziel sei es, bis 2040 ein Viertel der versiegelten Flächen des Kanalnetzes zu entsiegeln.

Auch Armin Laschet hält die Rede eines Umweltpolitikers. Der Umbau der Emscher habe bereits viele Aspekte berücksichtigt, die im Katastrophengebiet der Flut „jetzt erst diskutiert werden. Wir werden Planungsbeschleunigung brauchen. Wir können für die Projekte, die im Klimawandel anstehen, nicht 30 Jahre warten.“

Bis Ende des Jahres sind alle Nebenläufe angeschlossen

Beifall für Laschet. Vielleicht 200 Menschen sind dabei, die zur Gruppe der 4G gehören (geladen, geimpft, getestet, genesen). Frühere Landes-Politiker, die mit dem Emscher-Umbau zu tun hatten, wie Christoph Zöpel (SPD) und Jürgen Rüttgers (CDU). Die Kommunalpolitik ist da, Genehmigungsbehörden, Baufirmen, Banken, Wasserverbände, und sie bestaunen das Pumpwerk von außen, dessen verschiedene Gebäude in die Wiese gewürfelt scheinen und ein ambitioniertes Grün tragen.

Mit dem symbolischen Aufdrehen eines Schwungrades ist das Pumpwerk nun in Betrieb - und damit der „Abwasserkanal Emscher (AKE)“ auf seiner gesamten Länge von 51 Kilometern und von Dortmund bis Dinslaken. Damit beginnt der letzte Akt der Renaturierung, die - Laschet sagte es schon - bisher 30 Jahre gedauert hat. Jetzt fließt auseinander, was auseinander gehört: Bis Ende des Jahres sind alle Nebenläufe der Emscherzone dann angeschlossen, und das Wasser der Emscher ist klar.

Der Dreck reist nun auf einer tiefergelegten Parallelstrecke

Eine Flasche altes Emscherwasser und eine Flasche Emscherwein bekommt Amin Lachet am Freitag.
Eine Flasche altes Emscherwasser und eine Flasche Emscherwein bekommt Amin Lachet am Freitag. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

150 Jahre kannte man das nicht, fünf Generationen von Emschermenschen haben mit der offenen Kloake, mit ihren Fäkalien und Abwässern gelebt. Doch fortan reist der ganze Dreck auf einer tiefergelegten Parallelstrecke, 10 bis 40 Meter unter der Erde in doppelten Stahlbetonrohren, um im Klärwerk Emschermündung ein letztes Mal gereinigt zu werden.

Oberirdisch, das läuft ja auch schon längst, wird die Emscher zu einem sogenannten Fluss zurückgebaut - mit mehr Platz, wo es geht, und ohne Betonbett. Dasselbe erleben die Bäche, die ihr zustreben. Der unterirdische Kanal aber hat ein Gefälle, damit das Wasser auch abfließt; und drei Pumpwerke - wie das neue in Oberhausen - müssen es um zusammen 80 Meter anheben. Denn sonst käme es weit unterhalb des Rheins an, der im Ruhrgebiet selbst bei schlimmem Hochwasser nur rund zwölf Meter tief ist.

Das Kanalsystem wiegt insgesamt ein Mehrfaches des Kölner Doms

In vielen Rathäusern malen sie sich bereits jetzt aus, wie entlang der renaturierten Wasserläufe attraktive Wohn- und Gewerbegebiete entstehen. Ganz schön viel Zukunft also durch ein „unterirdisches Projekt“, wie der langjährige Ratsvorsitzende der Emschergenossenschaft kalauert, der frühere Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau. Es ist wohl das größte unterirdische Gebäude der Welt und wiegt, nimmt man nur alles in allem, ein Mehrfaches des Kölner Doms.

Seit Monaten hatten sie alle Abläufe getestet. Nun, seit Freitag Nachmittag, strömt das Wasser durch das Pumpwerk, das als „einmalig“ und „hoch modern“ gilt. Projektleiter Reiner Tatus hat das einmal so beschrieben: „Zu gucken, wie haben andere das gemacht, ging nicht.“ Umgekehrt geht: Die Wasserverbände der Ruhr und der Niers sind am Freitag schon dabei.