Ruhrgebiet. Wegen Corona sind Gottesdienste zum höchsten Fest der Christen verboten. Doch die Kirchen erfinden Alternativen: Sie packen Ostern in die Tüte.

Gottes Wort hängt an der Wäscheleine. Es liegt im Briefumschlag in der Post. Oder es läuft im Autokino. Jedenfalls kommt es zu den Menschen, jetzt, wo sie nicht zu ihm kommen können. In Zeiten von Corona wird die Kirche kreativ, sie findet überall neue Wege, nicht nur die Osterbotschaft zu verbreiten. Die gute Nachricht zum höchsten Fest der Christenheit ist ja die: Ostern findet statt. Nur anders.

Pfarrer Andreas Schulte ist am Sonntag ganz allein in St. Blasius und ist es doch nicht. Sie sind alle da, die sonst auch kommen, ein jeder an seinem gewohnten Platz. Die Menschen im sauerländischen Balve haben sich selbst in die Kirchenbänke geklebt, sie kommen unter der Woche mit ihren Selfies, damit der Pastor zu Ostern nicht ins Leere schaut. Was die Gemeinde sagen will: „Wir feiern Gottesdienst zusammen, auch wenn wir nicht anwesend sein können.“

Corona macht aus bald jedem Pastor einen Youtube-Star

Jeden Abend betet Pfarrer Michael Manz in Mülheim-Styrum vor der Immanuelkirche zum Glockengeläut.
Jeden Abend betet Pfarrer Michael Manz in Mülheim-Styrum vor der Immanuelkirche zum Glockengeläut. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth


Denn so ist es ja überall, seit Wochen schon und nun auch zu Ostern: Gottesdienste sind wegen Corona verboten. Jedenfalls solche mit vielen Menschen in einer Kirche. Die Not aber macht die Gemeinden erfinderisch, allerorten wird gefilmt, gesendet, gestreamt, bald jeder Pastor ist jetzt ein Youtube-Star (tatsächlich hört man hier und da, die virtuellen Messen seien gar voller als das reale Kirchengebäude sonntagsfrüh um zehn).

In Mülheim-Styrum hat Pfarrer Michael Manz für Gründonnerstag einen „Mini-Gottesdienst“ aufgenommen, ab Klappe 35 fand er das durchaus „anstrengend“ und ist trotzdem „froh, dass man mal wieder was tun konnte“. Dabei tut er schon viel. Ruft in der Lukas-Gemeinde rund, wo ihm die Menschen traurig sagen: „Der Gottesdienst fehlt mir so.“ Und dann steht er jeden Abend um halb acht zum Glockengeläut vor seiner Immanuel-Kirche: im Talar, die großen Altar-Kerzen rechts und links, so betet er schweigend mit gefalteten Händen. Es ist, als fällt dann Stille in die Straße, gegenüber betet eine Frau auf ihrem Balkon mit. Zwischen ihnen flattern Ostergrüße im Wind. Sie haben ein paar Gedanken zur Auferstehung mit Klammern an eine Wäscheleine gehängt: „Ostern to go“.

Gemeinden packen Tüten für Zuhause in der Karwoche

Ostern zum Mitnehmen. So ist das jetzt in vielen Kirchen. St. Cyriakus und St. Joseph in Bottrop verschicken Umschläge für die Feiertage, mit „Spielregeln“, wann sie zu öffnen sind – noch ist der Inhalt ein Geheimnis. „Wir Gläubigen haben ein gemeinsames Erlebnis“, hofft der Probst. St. Hippolytus in Gelsenkirchen verteilte 300 „Tüten für Zuhause“ für die Karwoche: darin neben dem „Beipackzettel“ ein gesegneter Palmzweig, ein Taschentuch für die Trauertage, eine kleine Osterkerze, für die Kinder ein Schokoei. „Kleine Symbole und Rituale“, sagt Pastor Bernd Steinrötter, die zeigen sollen, „dass wir die Menschen in ihrer Einsamkeit und Angst nicht allein lassen“. Die auch die Kirchenleute trösten: „Wenn wir aus den Gotteshäusern herausgehen und auf die Leute zu, dann merken wir, dass wir einen Platz in ihrem Leben haben.“

Gesegnete Palmzweige verteilen viele Gemeinden seit Sonntag an die Gläubigen. In St. Maria Magdalena (Wattenscheid) stehen die Buchsbäume zum Abholen bereit.
Gesegnete Palmzweige verteilen viele Gemeinden seit Sonntag an die Gläubigen. In St. Maria Magdalena (Wattenscheid) stehen die Buchsbäume zum Abholen bereit. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche


Auch in der Heiligenhauser Suitbertus-Kirche gibt es gesegnete Palmzweige zum Abholen. Dazu hat der Pastor ein Osterlämmchen und ein Kreuz gepackt, auf das die Evangelien geschrieben sind. Und einen persönlichen Brief: Auch das machen viele Pfarrer so in diesen Zeiten. „Ich höre von vielen Leuten, dass sie sehr traurig sind, weil sie kein Internet haben“, sagt in Herne der Vikar Christian Schmidtke. In St. Dionysius bietet er deshalb ebenfalls Ostertüten an mit „einer Art Survival-Set“: Kerze, Süßigkeit, ein Textheft für die Feiertage.

Vaterunser als Video-Gebet

In Mülheim verteilen die katholischen Pfarreien Kerzen an die Gemeindeglieder. Teile der Oster-Liturgie, wie das Entzünden der großen Osterkerze, gibt es als Video im Internet. In Castrop-Rauxel hängen Segenswünsche zum Mitnehmen an den Kirchentüren dreier evangelischer Gemeinden, in Breckerfeld haben die Menschen vor einer brennenden Kerze das Vaterunser gesprochen, per Handyfilm entstand daraus ein Videogebet quer durch die Gemeinde.

In Gladbeck hat St. Lamberti Anregungen für Gottesdienste zuhause zusammengestellt. Wie man den Tisch deckt, steht darin, die Ostergeschichte für Kinder erzählt, jedes einzelne Lied und wann man ein Teelicht anzündet… In Letmathes Kiliansdom werden in der Osternacht Hunderte von Osterkerzen in den Bänken entzündet werden, auch das wird gefilmt und nach Hause übertragen. Düsseldorf stellt sein eben eingeweihtes Autokino für Ostergottesdienste zur Verfügung.

Kirche gewinnt in der Krise wieder mehr an Bedeutung

Und nicht nur in Essen feiern Geistliche besondere Gottesdienste für die, die gerade nicht einmal Besuch bekommen können: Im Garten des Marienheims predigte der Priester Gereon Alter Open-Air, aus Fenstern und von Balkonen hörten die Bewohner zu. „Leid und Not haben nicht das letzte Wort in unserer Welt“, sagt Alter.„Ich wünsche mir“, sagt eine alte Dame auf einer Bank, „dass die Kirche in dieser für uns alle schlimmen Zeit wieder mehr an Bedeutung gewinnt.“

Gerade zeigt sie tatsächlich, dass es auch anders geht. „Ostern findet statt“, beteuert der Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland, Jens Peter Iven, „auch in diesem Jahr!“ Das sagt auch Münsters Bischof Felix Genn: „Ostern fällt nicht aus und wird nie ausfallen!“

Von den Ostergottesdiensten zehren die Christen das ganze Jahr

Vikar Christian Schmidtke am Altar der Herz-Jesu-Kirche in Herne. Zu Ostern bleiben auch hier die Bänke leer.
Vikar Christian Schmidtke am Altar der Herz-Jesu-Kirche in Herne. Zu Ostern bleiben auch hier die Bänke leer. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski


Zwar haben auch die Pfarrer, manche seit Jahrzehnten im Dienst, sich das Corona-Szenario mit leeren Kirchen nie vorstellen können. „Schmerzhaft“ nennt es Vikar Christian Schmidtke in Herne, ein „beklemmendes Gefühl“. Schließlich sei Ostern das höchste Fest, noch wichtiger als Weihnachten. „Die Ostergottesdienste sind etwas, wovon wir das ganze Jahr zehren.“

Doch auch die Geistlichen ziehen ja Trost aus all’ den neuen Ideen. Zudem: Der Gedanke der Auferstehung passe, findet Schmidtke, in diese Zeit, in der aus den schlechten Nachrichten auch viel gegenseitige Hilfe entspringe. „Nach allem Leid und dem Tod“ ,das glaubt auch sein Kollege Thomas Horsch aus St. Christophorus, „kommt etwas Gutes. Dafür steht Ostern.“

INFO: GOTTESDIENSTE ZU OSTERN

  • Viele Kirchengemeinden bringen die Botschaft von Karfreitag und Ostern per Internet zu den Menschen nach Hause. Online-Gottesdienste der Ev. Kirche im Rheinland stehen verzeichnet unter www.ekir.de, sind aber auch auf den Seiten der Gemeinden und Kirchenkreise zu finden. Am Karfreitag gibt es online eine Chat-Andacht um 15 Uhr, der Todesstunde Jesu. Am Ostersonntag predigt Präses Manfred Rekowski um 11 Uhr aus der Philippuskirche in Wuppertal.
Predigt am Ostersonntag in Mülheims „Wolfsburg“: Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck
Predigt am Ostersonntag in Mülheims „Wolfsburg“: Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck © Funke Foto Services | Andreas Buck

  • Das Bistum Essen überträgt aus der kleinen Kapelle der Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim: Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck predigt um 10 Uhr, zu empfangen unter
    www.bistum-essen.de
    sowie auf der Facebook-Seite des Ruhrbistums. Musikalisch gestalten den Gottesdienst der Bischöfliche Beauftragte für die Kirchenmusik, Stefan Glaser, an der Orgel. Die Lesungen tragen aus dem Bistum vor, sie werden in den Livestream eingespielt.
  • Aber auch für Menschen, die nicht online mit ihrer Kirche verbunden sind, gibt es Angebote: Unter der Telefonnummer 0228 - 97 27 59 31 spricht Pfarrer Jan Gruzlak allabendlich eine neue Kurzandacht auf einem Anrufbeantworte
    r ein. Gemeinden verschicken auf Anfrage Osterliturgien für Hausgottesdienste.

  • Das ZDF überträgt erstmals einen Gottesdienst aus der Osternacht (Samstag, 23 Uhr, aus dem Mainzer Dom) und weitere Fernsehgottesdienste. U.a. predigt die Präses der Ev. Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, am Ostersonntag um 9.30 Uhr. In den TV- und Hörfunksendern der ARD werden ebenfalls Feiertagsgottesdienste übertragen, von Karfreitag bis Ostermontag.
  • Kostenlose Karten für Gottesdienste an allen drei Feiertagen (jeweils um 11 Uhr) im Autokino Düsseldorf, Messeparkplatz 1, sind online erhältlich.

  • Am Ostersonntag läuten überall die Glocken: Evangelische und katholische Gemeinden haben sich auf ein gemeinsames Geläut um 9.30 Uhr verständigt. Um 10.15 Uhr sind Bläser, Sängerinnen, Organisten und Pianistinnen zu einem „Flashmob auf Sicherheitsabstand“ aufgerufen: Das alte Osterlied „Christ ist erstanden“ soll dann überall in Deutschland erklingen – am offenen Fenster, auf dem Balkon oder im Garten.