Essen. Thomas Gottschalk geht - Hape Kerkeling kommt nicht. Die Suche nach dem “Wetten, dass..?“-Nachfolger bestimmte das Fernsehjahr 2011. Scripted Reality ist auf dem Vormarsch - steht aber auch stark in der Kritik - “Super Nanny“ Katarina Saalfrank zog ihre Konsequenzen. Und dann gibt es da noch den Überraschungs-Quoten-Hit “The Voice of Germany“

Wow! Das war ein Fernsehjahr! Allerdings liefen die spannendsten Geschichten oft dann, wenn die Kameras gerade ausgeschaltet waren. Kein Rückblick ohne Ausblick: Im nächsten Jahr geht’s spannend weiter. Wetten, dass..?

Apropos „Wetten, dass..?“. Bereits am Anfang des Jahres deutete sich an, wie es enden würde – zumindest für Thomas Gottschalk. Nach dem unseligen Unfall von Wettkandidat Samuel Koch kündigte der lange Blonde seinen Abschied an, und schnell war klar, es würde ein langer Abschied werden. So erfreute sich der 61-Jährige mit dem ewig jungen Gummibärchen-Charme dessen, was vor der Causa Koch zunehmend vermisste: Publikumserfolg. Zum Schluss, vor wenigen Tagen, bespaßte „TG“, wie die Branche ihn nennt, die TV-Nation beinahe so erfolgreich wie zu seinen besten Zeiten.

ZDF ging mit Hape Kerkeling als Gottschalk-Nachfolger baden

Nicht so gut lief es indes für den designierten ZDF-Intendanten Thomas Bellut. Der amtierende Programmchef hätte gern einen gewissen Hans-Peter Kerkeling als Nachfolger des erfolgreichsten Frauenknie-Tätschlers aller Fernsehzeiten gesehen. Tatsächlich kokettierte Hape auch gern damit, dass ihm Europas reichweitenstärkste TV-Show angeboten wurde.

Allein, es gefiel Hape I. bei Gottschalks vorletzter "Wetten, dass...?"-Ausgabe gleich doppelt abzusagen: einmal als sein Alter Ego Horst Schlämmer und dann noch einmal als Herr Kerkeling höchstselbst. Anschließend rotierte das Spekulationskarussell mit noch höherer Drehzahl als ohnehin. Der Überdreh: Am lautesten sagten Kandidaten ab, die gar nicht gefragt worden waren. Aber wer sagt nach Kerkelings Absage zu?

Kai Pflaume macht in der ARD als Hans Rosenthal eine gute Figur

Günther Jauch konnte die Quoten-Erwartungen in der ARD mit seiner sonntäglichen Talkshow bisher erfüllen.
Günther Jauch konnte die Quoten-Erwartungen in der ARD mit seiner sonntäglichen Talkshow bisher erfüllen. © Unbekannt | Unbekannt

Deutlich reibungsloser ging eine andere Personalie über die Bühne über die Bühne. Kai Pflaume erlebte bei Sat.1: Nur die Quote zählt. Aber dem smarten Moderator gelang ein eleganter Wechselt. Der Schwiegermutter-Liebling heuerte beim Ersten an, und das mit Erfolg. Er machte auf Anhieb vergessen, dass sein Vorgänger Jörg Pilawa lange Zeit das Showgesicht des Ersten schlechthin war. Selbst als Hans Rosenthal (reloaded) macht Pflaume eine gute Figur.

Mittelprächtig hingegen ging der Wechsel von Günther Jauch zum Ersten über die Bühne. Er selbst hat Anne Wills früheren Sendeplatz zum öffentlich-rechtlichen „stern TV“ umfunktioniert. Seine Quoten erfüllten die Erwartungen der ARD-Oberen, bisher. Allerdings musste das Erste fürs Jauch-Engagement einen hohen Preis zahlen, im doppelten Sinn. Klar war von vorn herein, dass der RTL-Star nicht für eine Handvoll Euro zu haben war. Dass er allerdings auch die Quoten der übrigen vier ARD-Talker – höflich formuliert – ins Wackeln bringen würde – damit hatte bei dem öffentlich-rechtlichen Senderverbund niemand gerechnet.

Harald Schmidt glänzt bei Sat.1 nur mit Qualität - nicht mit Quote

Und bei Sat.1 hatte niemand damit gerechnet, dass Harald Schmidt nach seinem Wechsel zu seinem ehemaligen Haussender dasselbe Schicksal wie bei der ARD beschieden sein würde: ein Talk unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Oliver Pocher grinst derweil dreckig. Geteiltes Leid, so scheint es, ist halbes Leid.

Apropos Leid. Der ärgste Feind des Zweiten ist das Erste. Mit scheelem Blick sahen die Mainzelmänner den Erfolg der ARD-Soaps am Nachmittag. Programmchef Volker Herres weiß, was alte Damen am Nachmittag wünschen: Für sie soll’s „Rote Rosen“ regnen. Das Zweite versuchte mit „Herzflimmern“ gegenzuhalten, mit Masse und Ambition. 255 Folgen hatte das Zweite bestellt. Leider erlitt „Herzflimmern“ einen Quoten-Infarkt. Das ZDF entschloss sich zu einer Not-Operation – und schob 77 (!) Restfolgen zum seinem digitalen Minisender ZDFneo ab.

Abgründe mit Scripted Reality bei RTL

RTL hat
RTL hat "Die Super Nanny" mit Katarina Saalfrank eingestellt. © ddp | Unbekannt

Andernorts stimmen die Quoten. Dafür tun sich inhaltliche Abgründe auf. Besonders weh tut Fernsehen nachmittags im Privatfernsehen, allen voran bei RTL. Ob „Familien im Brennpunkt“ oder die „Schulermittler“ – das Grauen hat einen Namen. Dabei vertraut der TV-Marktführer keineswegs Egon-Erwin Kisch, der einst befand: Nichts ist erregender als die Wahrheit. RTL propagiert das exakte Gegenteil: Die Realität ist nur für RTL & Co. nur dann erregend, wenn sie einem Drehbuch folgt. Scripted Reality nennen sich die Heul- und Brüll-Dramen. Bittere Pointe: Dieser Tage wies eine Studie des Münchner TV-Instituts IZI nach, dass junge Zuschauer derlei Schmierentheater für echt halten.

Eine hat sich derweil von der Marktschreier-Bühne der Privatsender verabschiedet: die „Super Nanny“. Katharina Saalfrank hat nach siebenjähriger Bildschirm-Präsenz denn doch erkannt, dass die das vorgebliche Beratungsfernsehen doch eher daran interessiert war, dass Mühselige und Beladene vorzuführen, als ihnen zu helfen. Ein Witz, wenn’s nicht zum Heulen wäre.

Zauberhafte Sitcoms „Two and a Half Men“ und How I Met Your Mother“ bei ProSieben

Gegen das Elend dieser Welt hilft gelegentlich Humor. Lachen, so lautet eine Binsenweisheit, ist die beste Medizin. Was SitComs anbetrifft, war diese Volksweisheit nie so wertvoll wie in diesem Jahr. ProSieben und Sat.1 profitierten davon. Amerikanische Serien wie „How I Met Your Mother“ und „Two and a Half Men“ erfreuen sich bester Beliebtheit.

Lena Meyer-Landrut konnte ihren Erfolg vom Eurovision Song Contest in Oslo bei der 2011-Auflage in Düsseldorf nicht wiederholen.
Lena Meyer-Landrut konnte ihren Erfolg vom Eurovision Song Contest in Oslo bei der 2011-Auflage in Düsseldorf nicht wiederholen. © Felix Heyder | Unbekannt

Einen Hit mit Ansage landete ProSieben in Tateinheit mit der ARD. Die beiden Sender hatten im Vorjahr den Sechser im TV-Lotto gezogen, als Lena Meyer-Landrut in Oslo den Eurovision Song Contest gewann. Gut, in Düsseldorf wurde das Wunderkind nur Siegerin der Herzen. Aber die beiden ausrichtenden Sender lockten so viel Publikum, dass die Verantwortlichen heller strahlten als manches Auto-Fernlicht.

The Voice of Germany ist der Überraschungs-Quoten-Hit

Ach, und da wäre noch etwas. Vor vorm Fest gelang ProSieben und Sat.1 etwas, mit dem die Konkurrenz nicht gerechnet hatte. Die beiden Müncher Konzernschwestern belebten ein Genre, das sich in den letzten Jahren hauptsächlich durch Krawall-Sprüche und Deppen-Shows auszeichnete: die Suche nach TV-Talenten. „The Voice of Germany“ erwies sich bisher als Quoten-Hit, der vorerst vergessen lässt, dass Sat.1 ab Mitte nächsten Jahres auf einen wichtigen Publikumsmagneten verzichten muss: die Champions League.

Das ZDF sicherte sich die TV-Rechte. Möglicherweise begleitet die Spiele der Champions League ein Moderator, der noch für Sat.1 arbeitet. Wetten, dass..?

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