Ruhrgebiet. Die Deutsche Bahn versucht es auf die freundliche Art, Reisende an die Maskenpflicht zu erinnern. Aber hinten hat das Personal keine Augen.

„Bitte tragen Sie eine Mund-Nase-Bedeckung.“ Der Satz klebt auf dem Boden, am Geländer und an der Wand, er flimmert über den elektronischen Fahrplan und die digitalen Anzeigen im Zug, er klingt aus jeder Durchsage. Die Maske ist überall – nur in den Gesichtern häufig nicht. Dabei gibt die Bahn sich wirklich Mühe.

Der Reisende hat es wie immer eilig, zwei Minuten nur vom Eingang Dortmund Hauptbahnhof bis zu Gleis 16, Abfahrt ICE. Und doch zählt er bis 42: Zweiundvierzig Menschen, die ihre Maske gar nicht tragen oder dort, wo sie nichts nutzt, unter der Nase oder gar dem Kinn. „Unverantwortlich“, findet Lara Pieper. „Wir leben doch in einer Gemeinschaft, in der wir aufeinander achten sollten.“ Oder einfacher, wie Kollege Mario Zischke sagt: „Maskenpflicht ist Vorschrift, das ist halt so.“

Hinter dem Präventionsteam rutschen die Masken wieder ans Kinn

Die Deutsche Bahn weist an jeder Stelle freundlich auf die Maskenpflicht hin.
Die Deutsche Bahn weist an jeder Stelle freundlich auf die Maskenpflicht hin. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN


Das ist nicht nur ihre Meinung, das ist ihr Auftrag: Die beiden Fachkräfte für Schutz und Sicherheit, gehen als „Präventionsteam“ durch die Züge der Deutschen Bahn, so steht es in Warngelb auf ihren Jacken. Das muss noch keinem etwas sagen, aber ihre Ansage ist klar: „Bitte setzen Sie Ihre Maske auf!“ Täglich laufen rund 100 Mitarbeiter der DB Sicherheit mit diesem Satz auf den Lippen durch die Abteile, hinzu kommen die Zugbegleiter und ihre -chefs.

Manchmal müssen sie auch gar nichts sagen, inzwischen reicht eine typische Handbewegung: Daumen und Zeigefinger aufwärts zur Nase, der Passagier versteht schon, Maske hoch. Aber dann passiert es, dass Pieper und Zischke weitergehen, nicht einmal die 1,50 Meter Abstand, die sie hier nur schwerlich halten können – und hinter ihnen rutscht die Maske wieder ab. „Wir müssten“, sagt Lara Pieper, „im Hinterkopf auch Augen haben.“

Ersatz-Masken in der Hosentasche

Die 27-Jährige ist „Fachreferentin für Prävention“, sie denkt dienstlich darüber nach, „wie wir Reisende, Mitarbeiter und uns selbst schützen können“. Noch mehr Aufkleber, noch mehr Durchsagen, noch mehr Ansprache? „Die meisten Menschen“, sagt sie, „haben die Maske nur vergessen. Oder noch nicht ausgepackt. Oder sie ist runtergerutscht.“ Es gibt die, „die vor allem am Wochenende ein bisschen lustiger sind“, weiß Kollege Zischke. Oder die Erschöpften „im Feierabendmodus, die den Schalter schon umgelegt haben“. Für diese Leute haben sie Ersatz, einzeln verpackt in der Beintasche ihrer Cargohosen.

Aber es gibt auch die anderen. „Jugendliche, die es ausreizen wollen“, sagt Mario Zischke, 53. Oder Erwachsene, die alles wollen, nur nicht an die Pandemie glauben. Erst vergangenes Wochenende hatten sie in Dortmund vier Frauen, die trotzig den Verkehr aufhielten: Sie wollten nach Berlin, zur Großdemo gegen die Corona-Regeln, sie weigerten sich, die Maske aufzusetzen. Der Zug hatte schon satte Verspätung, die übrigen Reisenden schimpften, „es gab eine größere Diskussion“, erzählt Volker Stall von der Bundespolizei.

Ohne Maske auf dem Weg zur Demo: Frauen fliegen aus dem Zug

Peter Schyrba, Zugchef im Regionalexpress, bedankt sich bei jedem Reisenden für seine Mithilfe.
Peter Schyrba, Zugchef im Regionalexpress, bedankt sich bei jedem Reisenden für seine Mithilfe. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Die wurde schließlich gerufen, musste das Hausrecht der Bahn durchsetzen: Die Damen flogen raus, aus dem Zug und aus dem Bahnhof. Solche, sagt Stall, seien immer wieder mal dabei. „Da helfen Argumente nicht weiter, irgendwann reicht’s dann auch.“ Es seien, sagt Lara Pieper, aber wenige Leute, „die sich wirklich wehren“.

Mancher muss gerade unbedingt sein Brötchen essen, telefonieren oder einfach mal Luft holen. Im ICE reagiert eine Frau genervt auf die freundliche Bitte: „Ich ersticke gerade!“ Eine andere wirft dem Präventionsteam einen verstohlenen Blick hinterher, Maske runter, Koffer ins Gepäcknetz. „Denken Sie an Ihre Mitreisenden“, sagt Lara Pieper, später wird sie sagen: „Warum müssen wir Oma Lise das antun?“ Gesundheit, ergänzt Kollege Zischke, „gibt es ja nicht in der Drogerie zu kaufen“.

150 Euro Strafe? „Es muss ja wehtun!“

Auch Fitnesstrainer Oualid aus Mönchengladbach kriegt „ein mulmiges Gefühl“, wenn er manche Passagiere sieht. „Man darf doch nicht vergessen, was ist!“ Lothar aus Duisburg hat zwar Verständnis fürs Vergessen, er hat ja selbst erst im Anblick des Schaffners die Maske aus der Tasche gefischt. „Aber wir wollen uns ja nicht alle gegenseitig ins Krankenhaus transportieren.“ Bloß die, „die das absichtlich machen“, das finden hier viele, im ICE wie auch im Regionalexpress, „die sollte man ruhig härter rannehmen“. 150 Euro Strafe, „es muss ja wehtun“, sagt einer.

Die Fahrscheine, bitte, und danke für die Hilfe!

So weit würde Peter Schyrba indes ungern gehen. Der Zugchef im RE4 versucht es immer auf die freundliche Art. Ein Gang durch den Waggon, gucken, wer so da ist, erst dann kehrt er zur Kontrolle zurück. „Die Fahrscheine, bitte“, und „danke fürs Mithelfen“! Oder: „Danke, dass Sie mit dafür sorgen, dass wir alle an Bord gesund bleiben.“ Schyrba sagt, es wollten „ja alle am Ende des Tages sicher nach Hause kommen“.

Ankunft Dortmund Hauptbahnhof, der Ausstieg in Fahrtrichtung links. „Achten Sie auf Abstand, bleiben Sie gesund!“, schallt es aus dem Lautsprecher. „Und tragen Sie immer Ihren Mund-und-Nasenschutz!“

>>INFO: BALD BUSSGELDER FÜR MASKENVERWEIGERER?

Mit der Corona-Schutzverordnung vom 27. April hat NRW die Maskenpflicht unter anderem im öffentlichen Personennahverkehr eingeführt. Sie gilt auch für Fernreisen mit der Deutschen Bahn. Vor knapp zwei Wochen erst erklärte die Bahn, dass sie selbst keine Bußgelder für „Maskenverweigerer“ verhängen wird. Das sollen nach Plänen der Landesregierung nun die Behörden tun.

Informationen zu Reisen in der Corona-Zeit auf www.bahn.de