Essen. Erst Hitze, dann Blitze: Das Wetter zeigte sich am Sonntag von seiner gefährlichen Seite. Jetzt beruhigt es sich – und es wird angenehm warm.
Nach Gluthitze und Gewitter-Sonntag wird das Wetter in NRW wieder ruhiger – und vor allem kühler. Aber die Tendenz bleibt sommerlich schön. Am Montag werde es trocken und mit 23 bis 27 Grad angenehm warm, weiß Friedrich Föst von der Meteogroup in Bochum. Der Dienstag startet ebenso schön, aber gegen Nachmittag zieht eine kurze, schwüle Hitzewelle durch, die örtlich schwere Gewitter mit Sturm und Hagel bringen kann.
Mittwoch und Donnerstag würden viele Schüler gern überspringen: Freibad is' nich'. Es wird mit 15 bis 20 Grad deutlich kälter und sehr windig. Es kann zwischendurch immer wieder regnen. Ab Freitag ist alles wieder gut: Es wird angenehm warm mit bis zu 26 Grad und kühlt nachts zum Lüften ab. Und so bleibe es auch erstmal, kündigt Meteorologe Föst an: Eine neue Hitzewelle sei nicht in Sicht.
Zwei Menschen in Hattingen vom Blitz getroffen
Am Sonntag hatten kräftige Gewitter die tropische Hitze vorerst beendet. In Hattingen wurden am Morgen zwei Menschen schwer verletzt. Sie waren nach Polizeiangaben an der Ruhr auf freiem Feld vom Blitz getroffen worde. Einer von ihnen musste vom Notarzt reanimiert werden. Beide wurden mit lebensgefährlichen Verletzungen in Krankenhäuser gebracht.
Blitz, Donner und Hagel zogen (wie lange von den Meteorologen vorhergesagt) von Westen über NRW. Innerhalb von 24 Stunden gingen bis Sonntagnachmittag 65.255 Blitze nieder, berichtete der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Essen. "Die Gewitter bildeten sich ausgesprochen schnell", sagte Meteorologe Malte Witt. Heftiger Hagel richtete im Süden von Nordrhein-Westfalen Schäden an. Die Körner hatten teils einen Durchmesser von vier bis fünf Zentimetern.
Helene Fischer und Roxette brechen Konzerte ab
Selbst Schlagerstar Helene Fischer musste sich dem Unwetter geschlagen geben: Ihr Konzert im Berliner Olympiastadion wurde Sonntagabend vorzeitig beendet. "Wir holen das nach, Berlin, okay? Wir sehen uns wieder", sagte die 30-Jährige und verschwand hinter der Bühne. Zuvor hatte die klatschnasse Sängerin noch den Prince-Klassiker "Purple Rain" zum Besten gegeben, wie Videos im Internet zeigen.
Wegen starker Sturmböen wurde auch ein Open-Air-Konzert der schwedischen Band Roxette in Mainz abgesagt – kurz vor Beginn. Der Wind hatte Teile einer Plane von der Bühne auf der Nordmole am Rhein abgerissen, wie die Polizei mitteilte. Verletzt wurde niemand. Rund 5000 Zuschauer mussten enttäuscht nach Hause gehen.
Viel Arbeit für die Feuerwehren in NRW
Die Feuerwehren hatten alle Hände voll zu tun. In Ennigerloh im Kreis Warendorf musste eine Familie am Sonntag hilflos zusehen, wie ihr Einfamilienhaus nach einem Blitzeinschlag komplett ausbrannte. Der Schaden beträgt mindestens 300.000 Euro. In Oer-Erkenschwick machte ein Blitzeinschlag die Hälfte eines Doppelhauses unbewohnbar. Wegen eines heftigen Gewitters musste ein Fußball-Testspiel zwischen dem FC Gütersloh und Bundesligaabsteiger SC Paderborn abgebrochen werden.
Im Rhein-Sieg-Kreis berichtete die Polizei am Sonntag von großen Hagelschäden und Hunderten abgeknickter Äste. Im Kreis Lippe rückte die Feuerwehr zu etwa hundert Einsätzen aus. Während der Gewitter fiel teilweise der Strom aus. Auch schlugen Blitze in Kamine, setzten Hochspannungsmasten und Tannenbäume in Brand oder beschädigten Dachziegel.
In Essen legte ein Blitz die Signalanlagen im Hauptbahnhof zeitweise lahm. Von Vormittag an war der Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr verspätet und wurde teilweise umgeleitet, sagte ein Bahnsprecher.
In Recklinghausen geriet ein Kirchturm nach einem Einschlag in Brand, auch in Schwelm entzündete die Naturgewalt einige Dachstühle, wie die Polizei berichtete. In Wuppertal musste die Feuerwehr ausrücken, um zu verhindern, dass ein vom Sturm umgeknickter Baum auf eine Bahnstrecke fällt. Bei Dortmund stand eine Straße unter Wasser, aber nur für kurze Zeit. In Herdecke hielten umgestürzte Bäume und überschwemmte Straßen die Feuerwehr auf Trab.
Deutscher Hitzerekord gebrochen
Die ganz große Hitze ist damit erst einmal vorbei, auch wenn es in den nächsten Tagen vielerorts noch bis an die 30 Grad gehen wird. Der für Samstag noch für möglich gehaltene neue Temperaturrekord blieb aus. Mit 37,9 Grad stieg das Thermometer in Bad Lippspringe auf den landesweit höchsten Wert, wie eine Meteorologin des Deutschen Wetterdienstes mitteilte. Der Rekord von 40,1 Grad 2003 in Euskirchen bleibt damit bestehen. Allerdings wurde der bundesweite Rekord gekknackt: Im bayerischen Kitzingen wurden am Sonntag 40,3 Grad gemessen, wie ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes bestätigte. Das ist die höchste jemals gemessene Temperatur in Deutschland seit Beginn der flächendeckenden Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Die bislang höchste jemals gemessene Temperatur in Deutschland betrugt 40,2 Grad.
Fest zum Lippepolder-Park in Dorsten wegen Unwetters abgesagt
Wegen Unwetters wurde in Dorsten am Sonntag kurzfristig das Fest zur Eröffnung des Lippepolder-Parks abgesagt. Die Veranstaltung sollte ursprünglich um 14 Uhr beginnen, teilte ein Sprecher mit. Das Fest soll nun am kommenden Sonntag, 12. Juli, nachgeholt werden. Die für die Wochen geplanten Programmpunkte sollen stattfinden. In Dortmund wurde der Trödelmarkt im Westfalenpark am Sonntag abgebrochen. In Iserlohn wurde der Schützenfestzug aus Sicherheitsgründen abgesagt.
Mehrstündiger Starkregen hat die Feuerwehr in Dortmund seit dem Sonntagmorgen in Atem gehalten. Neben einem Dachstuhlbrand seien mehrere Keller von Wasser freizupumpen gewesen, hieß es in der Leitstelle. Hätten sich die Einsätze am Morgen auf den Dortmunder Westen konzentriert, habe das Unwetter zum Mittag hin mehr den Süden der Stadt betroffen. Die höchste Regenmenge wurde dabei an der TU Dortmund gemeldet: Dort fielen innerhalb von einer Stunde 20 Liter Regen pro Quadratmeter.
In Wuppertal musste die Feuerwehr ausrücken, um zu verhindern, dass ein vom Sturm umgeknickter Baum auf eine Bahnstrecke fällt. Bei Dortmund stand eine Straße unter Wasser, aber nur für kurze Zeit. In Herdecke hielten umgestürzte Bäume und überschwemmte Straßen die Feuerwehr auf Trab. In Köln musste der Weg des diesjährigen Christopher Street Days (CSD) am Sonntag umgeleitet werden. Ein Stück einer Straße in der Innenstadt war unterspült worden und eingesackt. Bei der Bahn war nach einem Blitzeinschlag ins Stellwerk Rheda-Wiedenbrück der Zugverkehr bei Gütersloh gestört. Und im Raum Oelde meldete die Bahn mehrere umgestürzte Bäum im Gleis. Probleme im Bahnverkehr gab es auch zwischen Essen und Mülheim und zwischen Essen und Hattingen; dort war der Grund jeweils eine Signalstörung.
Trotz der großen Hitze war viel los im Land - große Probleme wurden nicht bekannt. Auf den Festivals in NRW, dem "Summerjam" am Fühlinger See sowie "Bochum total", feierten die Menschen ausgelassen. Die Einsatzlage dort war laut Feuerwehr entspannt. Weder in Bochum noch in Köln gab es außergewöhnlich viele Rettungseinsätze. Der Sanitätsdienst war an beiden Orten für das Wochenende ausgeweitet worden. Die "Bochum total"-Veranstalter haben laut Feuerwehr zudem kostenlose Wasserstellen eingerichtet.
Jugendliche klappen bei Chorfestival wegen Hitze zusammen
Wegen Verdachts auf Hitzekollaps sind am Samstag mehrere jugendliche Teilnehmer des Deutschen Chorfestivals in Trier ins Krankenhaus gebracht worden. Die jungen Leute seien etwa bei einer Probe im Trierer Dom zusammengeklappt, bestätigte ein Feuerwehrsprecher einen Online-Bericht des "Trierischen Volksfreunds".
Bis zum frühen Nachmittag seien sechs Jugendliche vorsorglich ins Krankenhaus gebracht worden. Insgesamt sind rund 3000 Sänger und Sängerinnen zu dem mehrtägigen Chorfestival nach Trier gekommen. Auch abgesehen davon habe der Rettungsdienst wegen Menschen mit Hitzeproblemen in der Stadt alle Hände voll zu tun, sagte der Sprecher.
Besucher mit Kreislaufproblemen - Reichstag schließt Kuppel
In Berlin wurden Kuppel und Dachterrasse des Reichstagsgebäudes wegen der Hitze bis Samstagabend gesperrt. Mehrere Menschen hätten dort am Samstag Kreislaufprobleme bekommen, sagte ein Bundestagssprecher.
Hitze-Schäden auf Autobahnen
Die Hitzwelle hatte eine Menge ernste Folgen. In Krankenhäusern wie der Uniklinik Mainz zum Beispiel wurde befürchtet, dass mit jedem weiteren Hitzetag mehr Menschen in die Notaufnahme kommen. Mit akuten Kreislaufproblemen kämpften vor allem alte Menschen.
Die Gluthitze wurde auch zur Gefahr im Straßenverkehr und verursachte Schäden an Autobahnen. Vorfälle gab es etwa auf der A7 in Hamburg oder auf der A5 bei Heidelberg. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will verstärkt Autobahnen überwachen. Spezielle Messfahrzeuge würden untersuchen, wo die Gefahr für Blow-ups (aufgeplatzte Abschnitte bei Betonautobahnen) am höchsten sei. Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern oder Sachsen-Anhalt drosselten auf Autobahn-Abschnitten zeitweise das Tempo auf 80.
Wieder Klimaanlagen in Bahn-Zügen ausgefallen
Wegen der großen Hitze sind bundesweit allein am Sonntag mindestens 19 Fernzüge der Deutschen Bahn ausgefallen. Zudem habe es bis zum Nachmittag 32 Ausfälle auf Teilstrecken gegeben, weil die Klimaanlagen in den ICEs und ICs nicht mehr funktionierten, sagte ein Bahnsprecher in Berlin. Sieben Ersatzzüge wurden demnach eingesetzt. Viele Reisende mussten lange Wartezeiten in Kauf nehmen.
Tote bei Badeunfällen in NRW
Badeunfälle häufen sich. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden in den vergangenen Tagen mehrere Tote nach Badeunfällen gezählt.
Die DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) warnte vor einem vermeintlich wohltuenden Sprung ins kühle Nass direkt nach dem Sonnenbad: "Das kann zu Kreislaufproblemen führen", sagte ein Sprecher. Er rechnet wegen der Hitzewelle mit einem Anstieg der Einsätze zur Rettung Ertrinkender. Freunde sollten einander stets im Blick haben: "Die meisten ertrinken lautlos, etwa zwei bis drei Meter vom Ufer entfernt. Wildes Gefuchtel kommt nur selten vor."
In Deutschland häufen sich Hitzeperioden nach Erkenntnissen von Meteorologen seit den 90er Jahren, die Spitzentemperaturen steigen. Das geht aus einer Auswertung von DWD-Daten in hervor. Untersucht wurden 14-tägige Hitzeperioden mit einer mittleren Tagestemperatur von mindestens 30 Grad zwischen 1950 und 2014 in Hamburg, Dresden, Mannheim, Frankfurt und München. (dpa)