Giglio.. Sechs Tage nach dem Schiffsdrama der “Costa Concordia“ vor der Küste Italiens wird die Zeit für die Rettungsarbeiten knapp. Nach Angaben aus der Feuerwehr blieben noch zwölf bis 24 Stunden Zeit, um nach Überlebenden zu suchen. Das Wetter wird schlechter, das Wrack könnte in die Tiefe gerissen werden.

Italienische Spezialkräfte haben die Suche nach Vermissten an Bord des verunglückten Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" am Donnerstag fortgesetzt. Das Schiff habe sich stabilisiert, sagte ein Sprecher der Küstenwache. Taucher ließen sich zu dem unter Wasser liegenden Teil des Wracks herab und sollten weitere Zugänge in den Rumpf sprengen.

Tests ergaben, dass das Schiff stabil liege, sagte Küstenwachesprecher Filippo Marini. Taucher sollten erneut an Bord gehen, um nach den noch rund 20 Vermissten zu suchen Die Suche war am Mittwoch aus Sicherheitsgründen für einen Tag unterbrochen worden, nachdem sich das Schiff bewegt hatte.

Nur noch wenige Stunden Zeit für die Retter?

Nach Angaben des Einsatzleiters der Feuerwehrtaucher auf der italienischen Insel Giglio hätten die Retter noch maximal 24 Stunden für die Suche nach Überlebenden in der vor der italienischen Küste havarierten "Costa Concordia". "Es gibt ein Zeitfenster von 12 bis 24 Stunden, um die Operation abzuschließen", sagte Modesto Dilda am Donnerstagmorgen. Die Taucher durchsuchen das Schiffswrack nach Vermissten. Meteorologen hatten stärkeren Wind vorausgesagt, der dazu führen könnte, dass das am Freitag auf einen Felsen aufgelaufene Schiff weiter in die Tiefe gerissen wird.

Ein Sprecher der Feuerwehr widersprach umgehend den Äußerungen des Einsatzleiters der Taucher. Für die Sucharbeiten sei keine Frist gesetzt worden, sagte der Sprecher. Noch sei unklar, wie sich die Situation weiter entwickele.

Hatten Crew-Mitglieder die Evakuierung behindert?

Am Mittwoch verzeichneten Messgeräte eine leichte Bewegung, sodass die Bergungs-Arbeiten eingestellt werden mussten. Sobald die Suche nach Opfern beendet ist, soll die niederländische Bergungsfirma Smit bis zu 2300 Tonnen Öl aus dem Unglücksschiff abpumpen. Der Kapitän, Francesco Schettino, steht nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft unter Hausarrest. Ihm werden Totschlag und Verlassen seines Schiffes vorgeworfen.

Crewmitglieder der havarierten "Costa Concordia" sollen mehreren Passagieren den Zutritt auf eine Rettungsinsel verwehrt haben. "Not for Passengers, for Crew only" habe ein Schiffsmitarbeiter erklärt, berichtete einer der Passagiere des Kreuzfahrtschiffs, Matthias Hanke, am Mittwoch im RTL-Magazin "Stern TV". Einige Besatzungsmitglieder seien offenbar der Situation nicht gewachsen gewesen. "Ich dachte, ich bin hier im falschen Film", sagte Hanke, der in Markranstädt bei Leipzig wohnt. Aber es waren auch Crewmitglieder, die ihn später aus dem Wasser zogen und vor dem Tod bewahrten.

Noch 21 Vermisste nach "Costa Concordia"-Schiffbruch

Hanke hat gemeinsam mit einem Freund die Tragödie nur knapp überlebt. Die Männer erzählten in der Sendung, wie sie durch den überfluteten Luxusliner schwimmen mussten, um sich zu retten. Vergebens hätten sie dabei versucht, andere Menschen in Sicherheit zu bringen.

Die "Costa Concordia" war am Freitag mit mehr als 4.200 Menschen an Bord vor der toskanischen Insel Giglio havariert, 21 Menschen werden noch vermisst. Bei zwölf Deutschen ist der Verbleib nach italienischen Angaben noch nicht geklärt. Bislang wurden elf Menschen tot geborgen. Ob unter den zuletzt gefundenen sechs Toten am Montag und Dienstag auch Deutsche waren, war nicht bekannt.

Ungarischer Geiger als erstes Todesopfer identifiziert

Das Auswärtige Amt in Berlin ging bislang von zwölf vermissten Deutschen aus: fünf aus Hessen, jeweils zwei aus Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sowie einer aus Bayern. Meldungen, wonach unter den am Dienstag geborgenen fünf Toten auch Deutsche waren, könnten "derzeit nicht bestätigt werden", hieß es.

Als erstes Todesopfer des Schiffsunglückes wurde in der Zwischenzeit ein ungarischer Violinist identifiziert, der zur Besatzung der "Costa Concordia" gehörte. Laut der ungarischen Zeitung "Blikk" rannte der 38-Jährige nach der Havarie noch einmal zurück, um seine Geige zu holen, was ihm offenbar zum Verhängnis wurde.

Kapitän Schettino unter Hausarrest

Kapitän Francesco Schettino wurde in der Nacht zum Mittwoch aus der Untersuchungshaft entlassen und in seiner Wohnung in Meta di Sorrento an der Amalfiküste unter Hausarrest gestellt. Untersuchungsrichterin Valeria Montesarchio befand, es bestehe keine Fluchtgefahr. Gleichzeitig sah sie "ernste Indizien" für eine Schuld des Kapitäns.

Schettino wird vorgeworfen, eigenmächtig zu nah an die Insel Giglio herangefahren zu sein. Zudem hatte er das Schiff verlassen, während noch hunderte Passagiere an Bord waren. In seiner dreistündigen Vernehmung am Dienstag betonte Schettino, er sei beim Versuch, ein Rettungsboot flottzumachen, in das Boot gefallen und habe wegen der Schräglage der "Costa Concordia" nicht an Bord zurückkehren können. Der Kapitän räumte Medienberichten zufolge jedoch ein, dass er bewusst versucht habe, das Schiff nah an der Insel vorbeizulenken. (rtr/dapd/afp)