Ruhrgebiet. Man nennt sie in Corona-Zeiten gerne „Helden des Alltags“. Warum sich Fernfahrer derzeit selbst dennoch oft „wie der letzte Dreck“ fühlen.
Südfrüchte und Tiefkühlpizzen haben sie – oft sogar am Wochenende - herangefahren, Desinfektionsmittel und Schutzmasken durch das Land gekarrt. Und wer weiß, was passiert wäre, hätten sie nicht Berge von Paletten mit Toilettenpapier ausgeliefert. LKW-Fahrer gelten seit Beginn der Corona-Krise als „Helden des Alltags“. Frank Schulte (Name geändert) muss lachen, wenn er das hört. „Wir merken da gar nichts von.“
„Wir sind in vielen Firmen nicht willkommen“
Seit 14 Jahren ist er für eine Spedition unterwegs, fährt quer durch das Ruhrgebiet, rauf ins Münsterland, hoch ins Sauerland. „Als Corona sich ausbreitete, wurde das richtig hart“, sagt der 45-Jährige. Nicht weil die Trucker Angst um die eigene Gesundheit gehabt hätten. „Wir sind ja fast den ganzen Tag allein am Steuer. Da gibt es viele Berufe, in denen die Leute gefährdeter sind.“ Bei vielen Menschen in den Firmen und Lagerhallen, die sie ansteuern, sind sie dennoch nicht willkommen. „da kommt man sich vor, wie der letzte Dreck.“
Aus Angst, sie könnten das Virus einschleppen, werden Fernfahrer in diesen Tagen immer öfter „wie Aussätzige“ behandelt. Bloß nicht ins Büro gekommen und erst recht nicht auf die Toilette gehen. Nicht mal zum ausdrücklich empfohlenen Hände waschen.
Dixi-Kos sind nur eine Notlösung
„Einige Firmen haben mittlerweile Dixi-Klos aufgestellt“, sagt Peter Schmidt (Name geändert), der mit seinem 40-Tonner seit 18 Jahren „alles fährt, was nicht gekühlt werden muss“. „Aber spätestens nach einem Tag sind die einfach Scheiße, wenn sie niemand sauber macht. Und meistens macht sie niemand sauber.“ Anfangs haben Schmidt und Schulte noch diskutiert mit Disponenten und Lagerverwaltern. Aber das haben sie aufgegeben. „Es bringt nichts“, hat Schulte festgestellt und Schmidt sagt: „Dafür ist mir meine knappe Zeit viel zu schade.“
So rollen sie wieder von den Höfen, rauf auf die Autobahnen. Aber dort war es anfangs kaum besser. „Alles zu“, sagt Schmidt. „Überall.“ Nichts zu essen, keine WCs. Irgendwann, geben beide zu, hätten sie sich einfach irgendwo in die Büsche geschlagen. Wie alle anderen Trucker auch. „Vielen Rastplätzen sieht man das immer noch an.“
Ausländische Trucker kommen nicht mehr nach Hause
Mittlerweile hat sich die Lage ein wenig entspannt. Zumindest für die Fahrer im Regionalverkehr. „Wir kommen ja zumindest abends nach Hause“, erklärt Schulte. Im Fernverkehr dagegen ist die Situation immer noch angespannt. Vor allem, wenn die Männer und Frauen in der Kabine aus dem Ausland kommen. „Ich habe neulich welche getroffen, die waren seit Anfang März nicht mehr in ihrer Heimat.“
Weil ihre Chefs fürchten, die LKW nicht wieder zurück über die deutsche Grenze zu bekommen, lassen sie sie seit Wochen zwischen Kiel und Konstanz pendeln oder ihre Fahrer auf einem Rastplatz campieren. Wo die sanitären Anlagen oft noch geschlossen sind und es, wenn überhaupt, Essen nur an der Tanke gibt.
DocStop hilft mit seinem großen Netzwerk
Unterstützung bekommen sie mittlerweile von der Organisation DocStop, die sonst Ärzte an Trucker fern der Heimat vermittelt. Mitbegründer Rainer Bernickel, vor dem Ruhestand Autobahnpolizist und Erfinder der so genannten Fernfahrerstammtische, hat für sie nicht nur Masken und Desinfektionsmittel gesammelt und zu den Rastplätzen gebracht, er hat für sie und ihre deutschen Kollegen auch seine über Jahrzehnte hinweg aufgebauten Netzwerke aktiviert.
„Um den Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern auch und besonders in Zeiten von Corona den Zugang zu sauberen Toiletten und Duschen zu ermöglichen, hat DocStop die Aktion SaniStop gestartet“, erzählt Bernickel. „Speditionen, Verlader und andere Unternehmen stellen dabei Lkw-Parkplätze mit Zugang zu WC und Duschen zur Verfügung – damit Fahrer unterwegs nicht auf alltägliche Selbstverständlichkeiten verzichten müssen.“
Damit nicht genug. Quer durchs Land will DocStop nach und nach Santätscontainer auf Parkplätzen aufstellen. Abschließbar und drei Mal täglich gereinigt. Drei gibt es bisher, „100 sollen es werden“. So ein Container sei „nicht billig“, sagt Bernickel, ließen sich aber natürlich auch nach Corona gut nutzen.
„Die Staus werden schon wieder länger“
Schmidt hat mittlerweile wieder den Motor angelassen. Die Zeit drängt. „Als alles zu hatte, da sind wir tatsächlich wunderbar durchgekommen, da haben wir Strecken geschafft, von denen wir sonst nur träumen konnten.“ Doch das ist vorbei. „Die Staus werden langsam wieder länger.“
Noch schneller, glauben die beiden Trucker, werde das schlechte Image der Fernfahrer zurückkehren. „Die Leute im Land“, glaubt Schmidt, „werden superschnell wieder vergessen, wie wir ihnen in Corona-Zeiten geholfen haben.“ Das haben sie teilweise schon. „Wir werden“, hat Schulte festgestellt, „von anderen Autofahrern längst wieder beschimpft wie immer.“