Dortmund.. Der 2017 wegen Brandschutzmängeln geräumte Wohnkomplex Hannibal II in Dortmund soll wieder bewohnbar gemacht werden. Stadt prüft neuen Bauantrag.
Der aktuelle Anblick könnte Kulisse für einen Endzeit-Film sein: Die Eingänge sind verrammelt, die mehr als 400 Wohnungen verlassen, rund um den Beton-Riesen „Hannibal II“ in Dortmund-Dorstfeld wuchert das Grün. Zuletzt enterten Jugendliche das verlassene Gebäude und schleuderten Möbel von Balkonen. Doch nun ist die Sanierung wieder Thema.
Der Eigentümer, das Unternehmen Lianeo Real Estate, hat jüngst bei der Stadt Dortmund ein überarbeitetes Brandschutz-Konzept vorgelegt. „Wir werten das als Signal, dass sich der Eigentümer zu dem Komplex bekennt“, sagt ein Stadtsprecher auf Anfrage. Das stand in den vergangenen Jahren immer wieder in Frage.
Hannibal II: Die Komplett-Sanierung ist vom Tisch
Hals über Kopf mussten die 753 Mieter ihre Wohnungen am 21. September 2017 verlassen – wegen schwerer Brandschutzmängel hatte die Stadt Dortmund die Räumung verfügt. Allenfalls ein paar persönliche Dinge durften die Bewohner mitnehmen. Später erst durfte noch Mobiliar aus den Wohnungen geholt werden. Dann wurde der Zugang gesperrt. Manche der Mieter mussten sich gegen den Eigentümer Intown vor Gericht den weiteren Zugang erklagen – auch, weil sie ihren Mietvertrag nicht gekündigt wissen mochten.
Im Sommer 2018 dann gab der Eigentümer bekannt, Hannibal komplett neu gestalten zu wollen. Geplanter Wiedereinzug: Im Jahr 2020. Doch später wurden die Pläne zurückgezogen und es war nur noch von Brandschutz-Sanierung die Rede. Schätzungen, dies alleine mache 30 Millionen Euro an Investitionen nötig, kommentiert der Eigentümer – der inzwischen Lianeo heißt – auch heute nicht.
Hannibal-Eigentümer Lianeo: Auch die Aufzüge sollen saniert werden
Im November 2019 dann kam der nächste Rückschlag für die Mieter: Nach Monate langer Prüfung des Bauantrags zur Brandschutz-Sanierung verweigerte die Stadt die Genehmigung: „Der vorliegende Entwurf weist Mängel auf, die der Antragsteller unbedingt nachbessern muss“, teilte die Stadt damals mit. Im April 2020 nun wurde dem Dortmunder Bauamt ein überarbeitetes Brandschutzkonzept zur Prüfung vorgelegt. Wie lange die dauert, was und wie geprüft wird, dazu mochte sich die Stadt auf Anfrage nicht äußern.
Bei Lianeo glaubt man, seine ‚Hausaufgaben‘ gemacht zu haben: Das eingereichte Konzept umfasse „alle behördlicherseits geforderten Brandschutzmaßnahmen. Hierzu zählen etwa die komplette Instandsetzung der Versorgungsschächte, die Ertüchtigung der Brandmeldeanlagen und der Brandabschottungen, die Erneuerung der noch nicht sanierten Aufzugsanlagen sowie die Verbesserung des Rauchabzuges der Aufzugsschächte“, sagt Unternehmenssprecher Robert Döring auf Anfrage. Die Sanierung sei „abschnittsweise“ geplant, erläutert Döring: „Das Gebäude besteht aus mehreren Aufgängen“, man wollen „Schritt für Schritt vorgehen, damit erste Mieter ihre Wohnungen wieder möglichst zeitnah beziehen können“. Sobald die Stadt den Bauantrag genehmigt habe, „könnten die Arbeiten aufgenommen werden“.
Mieterverein sieht auch Verkauf von Hannibal II als Szenario
Beim Mieterverein Dortmund hört man das mit großem Interesse, aber auch mit Skepsis. Ob Lianeo tatsächlich selbst sanieren wird? Tobias Scholz, wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins, sieht Zeichen eines anderen Szenarios: „Wir wissen aus der Branche, dass das Objekt zum Verkauf angeboten wurde“. Derzeit aber gebe es eine „große Zurückhaltung“ am Markt, „aber das kann sich jederzeit ändern“, glaubt Scholz. Dass selbst vermeintliche 70er-Jahre-Ungetüme wie das Ihme-Zentrum in Hannover jüngst von einem Investoren – Hertha-Mogul Lars Windhorst - übernommen wurde, zeige, „dass es Investoren gibt, die selbst vor solchen Objekten wie Hannibal II mit großem Wartungs- und Sanierungsstau nicht zurückschrecken“, meint Scholz.
Von Verkauf ist bei Lianeo derzeit nicht die Rede. „Der Mietwohnungsmarkt in Dortmund ist mit dem Wegfall des Hannibal II angespannt. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit einer Wiederinbetriebnahme des Gebäudes einen wesentlichen Beitrag zur Entspannung dieser Situation leisten können“, sagt Lianeo-Sprecher Robert Döring. Pläne, den Wohnraum nach einer Sanierung in Eigentum zu verwandeln „hat unser Haus bislang nicht angestellt“, sagt er.
Wieviele Mieter würden tatsächlich wieder zurückkehren?
Wieviele Mieter tatsächlich zurückkehren würden, „können wir derzeit nicht seriös abschätzen“, sagt Lianeo-Sprecher Döring. Verwaltet werde Hanniball II durch das Unternehmen All Sites Property Management GmbH. Dort stehe man „in Kontakt mit unseren Mietern“ und halte sie schriftlich oder telefonisch „über Neuigkeiten informiert“, sagt Döring.
Auch beim Mieterverein gibt es keine Einschätzung zur Frage, wieviel Mieter mehrere Jahre nach der Zwangsräumung ihr früheres Mietverhältnis tatsächlich wieder fortsetzten würden, wenn Hannibal II wieder bezogen werden kann. Es habe nicht wenige gegeben, die an ihrer Wohnung gehangen haben, sagt Tobias Scholz. „Viele hatten auch Probleme, aus dem Stadtviertel raus zu müssen“. Manche der alten Mieter hätten inzwischen in der Nähe eine Wohnung gefunden, sagt er.
Wohnungen mit Zuschnitt wie im Hannibal sind auf dem Wohnungsmarkt rar
Wer den Hannibal-Wohnkomplex am Vogelpothsweg 12-26 als eine seelenlose Betonwüste wähnt, war wahrscheinlich nie drin, meint Tobias Scholz: Der 1973 bis 1975 von niederländischen Architekten errichtete Komplex, der Jahrzehnte lang der städtischen Wohnungsgesellschaft Dogewo21 gehörte, bietet Wohnungen, „wie sie am Wohnungsmarkt bei uns rar sind und gerade für Familien begehrt“, sagt Tobias Scholz: Vier- oder Fünf-Zimmer in bezahlbarer Größe zwischen 90 und 100 Quadratmeter und zum Teil über zwei und drei Ebenen verteilt mit großem Balkon oder gar Terrasse und Blick über Dortmund zu zwei Seiten.
Das hebt man auch bei Lianeo hervor: „Das Gebäude ist verkehrstechnisch hervorragend angebunden und bietet Wohnraum zu erschwinglichen Preisen. Daher sehen wir keine Probleme bei Vermietungen im Falle der Wiederinbetriebnahme des Gebäudes“, sagt Sprecher Robert Döring.
Aber dazu muss erstmal saniert werden können. Komme das Okay der Stadt, seien die Dinge aber auch für einen Verkauf vorbereitet, glaubt Tobias Scholz vom Mieterverein: Zuvor sei Hannibal II über Objektgesellschaften mit anderen Wohnimmobilien verwoben gewesen; eine daraus resultierende Grundschuld sei inzwischen nicht mehr im Grundbuch. Scholz: „Die Eigentumsverhältnisse sind inzwischen nachvollziehbar“.