An Rhein und Ruhr. Zur Kommunalwahl in NRW treten an diesem Sonntag eine Reihe Kandidaten mit komischem Potenzial an. Doch nicht alle sind reine Spaßkandidaten.
Ein Rockmusiker in Menden, ein Ex-Deutschland-sucht-den-Superstar-Kandidat in Solingen, ein Punkrocker in Bochum, ein Puppenspieler in Uedem, ein Experte für Maden: Theatermacher Christian Stratmann könnte aus den Bürgermeister-Kandidaten in NRW gewiss ein veritables Varieté für seinen Mondpalast in Wanne-Eickel formen. Wäre er nicht selbst gerade im Wahlkreismodus – als OB-Kandidat für die FDP in Essen. Unter den schrägen Vögeln auf den Stimmzetteln ist er fast noch der Gewöhnlichste, mag er auch einer dieser Splitterparteien angehören, über die gern gewitzelt wird. . .
Der mit einem Mann verheiratete Mann ist schon einmal angetreten – und holte sechs Prozent: „Ich finde es wichtig, dass man seine Position deutlich macht und dafür wirbt. Auch, wenn man weiß, dass man dafür am Ende keine Mehrheit findet“, sagt er und spricht sich für mehr Unternehmergeist im Rathaus aus. Auch, wenn er weiß, dass die Energie, die er im Wahlkampf investiert, sich ökonomisch nicht rechnet. Er sieht es als Einsatz für die Demokratie. Ob indes alle Kandidaten ein gesellschaftlicher Gewinn sind oder lediglich Unterhaltungswert bieten, liegt wohl im Auge des Betrachters.
Dr. Made wird zehnmal häufiger im Internet gesucht
Ginge es danach, hieße der Oberbürgermeister von Bochum bald Wolfgang Wendland und Köln würde – falls dort mal gewählt wird – von Mark Benecke regiert. Er, Spitzname „Dr. Made“, verweist darauf, dass er zehnmal häufiger im Internet gesucht wird als seine Gegenkandidaten.
Benecke ist Forensiker, Buchautor und hat vor seiner Politkarriere als Kriminologe Schlagzeilen gemacht als „Herr der Maden“, der anhand ebendieser Tierchen und anderer Untersuchungen forensische Gutachten verfasst.
Verglichen damit jedenfalls ist Wolfgang Wendland in Bochum nachgerade seriös. Der Mann steht für Transparenz, witzelte schon die Süddeutsche Zeitung in Anspielung auf seine Nackt-Auftritte als Frontmann der Satire-Punkband „Die Kassierer“. Wo er Lieder zur Gehör bringt, bei denen auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien aufmerksam ihr Ohr leiht.
Wer heute jedoch sein Parteiprogramm für Bochum liest, muss feststellen: Der Mann meint das ernst, auch wenn der Titel „Bochum soll Großstadt werden“ noch anderes verheißt. Der Mann will Transparenz für den Haushalt, Übertragung sämtlicher Sitzungen im Internet. Neben musischer Förderung für Kinder und Jugendliche sollen auch technische Talente unterstützt werden und kommunale Ämter, die sich mit dem Wirtschaftsstandort Bochum befassen, sollen sich einem Qualitätsmanagement nach ISO 9001 unterziehen. Wenn das Polit-Punk ist, wie muss dann erst Folklore klingen? Wenigstens fordert Wendland gebührenfreies Aufspielen für Straßenmusiker in Bochum.
Die Politik als Kasperletheater? Tut dem Kasperle Unrecht!
Davon könnte womöglich auch Heinz Bömler profitieren. Der Unternehmer und Puppenspieler aus Goch und hat sich von „zwei netten Herren von der SPD“ überreden lassen, im Nachbarort Uedem zu kandidieren – mit einem ungewöhnlichen Wirtschaftsförderungsprogramm.Als 73-Jähriges politisches Nachwuchstalent will er aus Uedem eine Märchenstadt machen. „Wenn man in Kalkar aus einem Kernkraftwerk einen Freizeitpark machen kann, geht auch das.“ Die Touristiker bewerben den Niederrhein schließlich als märchenhaft, da könne das so falsch nicht sein. Dass der selbsternanntewahnsinnige Puppenspieler die Politik als Kasperletheater bezeichnet hat, tut ihm allerdings leid.
Nicht, weil sich sein Gegenkandidat von der CDU aus diesen Gründen nicht mit ihm gemeinsam zur Podiumsdiskussion stellen will, sondern weil er glaubt, damit dem Kasperle unrecht getan hat: „Kasperle ist schließlich erfolgreich und hat keine Schulden.“ Am Wahlsonntag will er Freibier für Nichtwähler ausgeben. „Je niedriger die Wahlbeteiligung desto höher meine Chancen“. Beim letzten Mal bekam die SPD-Kandidatin in Uedem knappe 30 Prozent.
Ähnlich erging es den Genossen in Weeze. Mit dem Ergebnis, dass dieses Mal Ulrich Francken alleine dasteht. Der seit 14 Jahren amtierende CDU-Mann hat keinen Gegner und hatte am Dienstag nicht einmal ein Vorzimmer: „Es ist Kirmes bei uns“, sagt er. Und dass er trotzdem Wahlkampf macht und um jede Stimme kämpft.
Denn erstens könne man auf dem Wahlzettel auch mit „Nein“ stimmen. Und zweitens will er ein repräsentatives Ergebnis: 50% plus x – auch bei der Wahlbeteiligung. Die will auch Heinz Bömler – für sich. Nicht realistisch, aber dem Marionettenspieler geht es ums Prinzip, dass nicht nur einer die Fäden zieht: „So gut ist kein Koch sein, dass ein Gericht auf der Karte reicht.“