Düsseldorf/Gelsenkirchen.. Arbeitslose in NRW bleiben länger ohne Beschäftigung. Zu dem Ergebnis kommt der Arbeitslosenreport der Wohlfahrtsverbände in NRW, der am Mittwoch in Düsseldorf erstmals vorgestellt wurde. Der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege kritisierte, dass sich Politik und viele Jobcenter auf leichter zu vermittelnde Fälle konzentrierten.
Die Wohlfahrtsverbände warnen vor einer
dramatischen Zunahme der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit in NRW. Ende
Oktober 2013 waren 323 000 Menschen länger als ein Jahr arbeitslos – 25 Prozent
mehr als vor vier Jahren. „Allen Jubelmeldungen zum Trotz gehen die positiven
Arbeitsmarktrends an einigen Personengruppen komplett vorbei“, sagte der
Vorsitzender Freien Wohlfahrtspflege, Hermann Zaum, bei der Vorlage des ersten
Arbeitslosenreports. Zaum kritisierte, dass sich Politik und viele Jobcenter auf
leichter zu vermittelnde Fälle konzentrierten. „Das ist ein Skandal und ein
Zeichen der Ignoranz.“
Der Arbeitsmarktreport legt
dar, dass im Jahresdurchschnitt 2012 bereits 168 000 Menschen in NRW länger als
zwei Jahre und 107 000 Menschen sogar länger als drei Jahre arbeitslos waren.
Der Arbeitsmarktexperte Stefan Sell von der Universität Koblenz sprach von einem
„Zwei-Klassensystem der Arbeitslosigkeit“, weil die Eingliederungsgelder für
Langzeitarbeitslose drastisch gekürzt worden seien. Sell forderte ein Umdenken
und mehr Mittel für die Umschulung von Langzeitarbeitslosen im öffentlich
geförderten Arbeitsmarkt. „Inzwischen stecken fast drei Viertel der Arbeitslosen
im Hartz-IV-System fest“, klagte Sell.
Negativer „Spitzenreiter“
ist Gelsenkirchen
Statt zweiwöchiger Bewerbungskurse verlangen die Wohlfahrtsverbände notfalls
mehrjährige Umschulungen, um Langzeitarbeitslosen eine neue Perspektive zu
geben. Laut Arbeitslosenreport ist bereits knapp jedes fünfte Kind unter 15
Jahren von Hartz-IV-Leistungen abhängig. Beim negativen „Spitzenreiter“
Gelsenkirchen leben schon 22 Prozent der Menschen unter 65 Jahren von der
Grundsicherung – landesweit sind dies 11,3 Prozent.
Die Wohlfahrtsverbände verlangten, dass in den Berliner Koalitionsverhandlungen
der Blick endlich gezielt auf die Langzeitarbeitslosen gelenkt wird. Das Angebot
an Förderplätzen bei gemeinnützigen und privatwirtschaftlichen Arbeitgebern für
sozialversicherungspflichtige, öffentlich geförderte Jobs müsse ausgebaut
werden. Derzeit gelten 100 000 der 323 000 Langzeitarbeitslosen als dauerhaft
ausgegrenzt vom ersten Arbeitsmarkt. Professor Sell bezeichnete es als „hoch
dramatisch“, dass Hunderttausende auf Dauer „im Hartz-IV-Bezug stillgelegt
werden“.