Ruhrgebiet. Im Ruhrgebiet testet Straßen NRW ein neues System, um marode Brücken zu schützen: Ein Gerät identifiziert Lkw, die einen Verstoß begehen könnten.

Der Schilderwald am Grundschötteler Berg steht in der schönsten Blüte. Wer über die Straße das Herz von Wetter an der Ruhr ansteuert, der kommt an dem Schild „15% Gefälle“ gleich mehrfach vorbei, „Navigation ausschalten“ steht in großen Buchstaben in der letzten Kurve, und die Ankündigung „Gesperrt für Fahrzeuge 7,5 Tonnen“ fehlt ebensowenig wie der Hinweis auf eine „Umleitung 65a“. Nur das blasse Graffito „Alles Gute! Auch beruflich“ hat nicht mit Verkehrssicherheit zu tun, jedenfalls nicht erkennbar.

Vor wenigen Tagen hat der Wald noch elektronischen Zuwachs bekommen. Der Landesbetrieb „Straßen NRW“ hat da einen Blitzer und zwei größere LED-Anzeigetafeln aufgestellt, spricht aber irgendwie lieber von „Brückenwächtern“. Den ersten dieser Art in Deutschland. Denn die Anzeigetafeln sollen erreichen, was den Schildern zu oft versagt blieb: Sie sollen zu schwere Laster, oder besser deren Fahrer, davon abhalten, die angeschlagene Ruhrbrücke der B234 anzusteuern, auf die sie jetzt gleich kämen. Wie das geht? Über Bußgeld. Später mehr.

Allein „Straßen NRW“ ist zuständig für mehr als 10.200 Brücken

Fahrverbote, Umbauten und Waagen schützen angeschlagene Autobahnbrücken wie hier in Duisburg. Die Technik ist zu teuer und zu aufwändig für normale Brücken.
Fahrverbote, Umbauten und Waagen schützen angeschlagene Autobahnbrücken wie hier in Duisburg. Die Technik ist zu teuer und zu aufwändig für normale Brücken. © Funke Foto Services | Martin Möller


Bund und Land testen nämlich in Wetter, ob man sanierungsbedürftige Brücken damit schützen kann; dann stünden solche Wächter demnächst an vielen Brücken. „Wir bekommen ein flexibles und schnell einsetzbares System, das den Schutz unserer Bauwerke verbessert und damit die Lebenszeit bis zu einer Sanierung oder einem Neubau verlängert. Das ist ein großer Gewinn“, sagt Landesverkehrsminister Hendrik Wüst (CDU).

Denn Brücken, die in die Jahre gekommen sind, sind ein Problem in Nordrhein-Westfale: Zwei Drittel müssen mittelfristig ersetzt oder instandgesetzt werden. Allein „Straßen NRW“ ist für rund 10.200 Brücken im Land zuständig: 3927 an Autobahnen, 2553 an Bundesstraßen und 3774 an Landesstraßen. Zusammen sind sie 386 Kilometer lang.

Anzeige des Nummernschilds zeigt dem Fahrer, dass der Lkw erkannt ist

Sie leiden an ihrem Alter und an einem Straßenverkehr, den in solcher Dichte niemand erwartet hat, als sie gebaut wurden. Hinzu kommen die vielen Lkw, ein 40-Tonner belastet eine Brücke so wie 60.000 Autos. Große Rheinbrücken wie in Duisburg der A40 und in Leverkusen der A1 sind nur noch eingeschränkt befahrbar, sie werden geschützt durch komplexe Anlagen zum Wiegen und Aussortieren überschwerer Fahrzeuge Doch für jede Wald- und Wiesenbrücke wäre das undenkbar, da viel zu teuer.

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Brückenwächter kann man hingegen kaufen und aufstellen, und dann machen sie ihr Ding. Und zwar so: Eine Videokamera identifiziert mit einem Laserscan das Fahrzeug und den Fahrzeugtyp, der da gerade kommt, und weiß dann, wie schwer das zulässige Gesamtgewicht ist. Liegt es über der zugelassenen Brückenlast, erscheint auf der LED-Fläche das Nummernschild des Fahrzeugs. Oh, ich bin identifiziert!

Test soll auch klären, welche Anweisungen Fahrer am besten befolgen

Dann deutet ein Pfeil in Richtung der legalen Alternativstrecke. Deshalb steht der Wächter immer kurz vor dem Punkt der letztmöglichen Umleitung. Nicht angezeigt wird, dass ein Blitzer diejenigen fotografiert, die jetzt noch weiterfahren in Richtung Brücke. Es folgt ein Knöllchen. Diese Konsequenz dürfte sich aber ausgesprochen schnell herumsprechen.


Wissenschaftler der Hochschule Aachen begleiten das Projekt. So gibt es unterschiedliche Varianten, den Fahrer zu erreichen, beispielsweise auch ohne Anzeige des Nummernschildes. Man habe mit Online-Befragungen ermittelt, „welche Ansprache am besten befolgt wird,“, sagt Philipp-Armand Klee von der Hochschule. Jetzt soll in Wetter erkennbar werden, womit real existierende Lkw-Fahrer am ehesten zu beeindrucken sind.

„Vorführeffekt“ mit Fahrzeugen aus dem Wetteraner Betriebshof

Beileibe kein Einzelfall: Diese Straßenbrücke in Essen-Altendorf muss gestützt werden, um weiter durchzuhalten.
Beileibe kein Einzelfall: Diese Straßenbrücke in Essen-Altendorf muss gestützt werden, um weiter durchzuhalten. © FUNKE Foto Services | André Hirtz


Das Bundesforschungsministerium fördert die Untersuchung mit 636.000 Euro. Es sieht weitere Einsatzmöglichkeiten für die Wächter, um etwa Nachtfahrverbote durchzusetzen oder Einfahrtverbote in Umweltzonen. Auch Tunnel oder Straßen unter Brücken kämen infrage: wegen der Höhenbegrenzung.

Im Moment ist der Anblick in Wetter allerdings wenig spektakulär. Die Wissenschaftler messen noch, wie viele Fahrer sich allein schon an den herkömmlichen Schilderwald halten. Als „Straßen NRW“ dem Minister Wüst die Brückenwächter zeigte, mussten hingegen Fahrer des städtischen Betriebshofes mit ihren Schwerlastern zumindest so tun, als wollten sie über die schwächelnde Ruhrbrücke fahren. Damit der Wächter was anzuzeigen hatte. Nicht völlig unerwartet, bog EN-SM 6721 dann in die Umleitung ab. Aber als Test unter realen Bedingungen kann man das wohl nicht bezeichnen. Eher als Vorführeffekt.