Frankfurt am Main/Hamburg. Die Ostermärsche stehen in diesem Jahr erneut im Zeichen des Ukraine-Kriegs. Zwei Experten sind unterschiedlicher Ansicht, wie sich die Bewegung in den kommenden Jahren entwickeln wird.
Andreas Buro (86) war schon beim ersten Ostermarsch in Deutschland dabei. Das war 1960. Und auch in diesem Jahr, 55 Jahre später, will er wieder dabei sein - in Dortmund zu einer Abschlusskundgebung. Die Ostermärsche haben sich nach seiner Ansicht stark verändert. "Sie sind heute keineswegs mehr das, was sie in den 60er Jahren waren, der erste Ansatz einer sozialen Bewegung", sagt der emeritierte Frankfurter Politikprofessor, damals Sprecher der bundesweiten Ostermarschbewegung. "Jetzt sind die Ostermärsche ein Aktionsinstrument neben vielen anderen Dingen, die die deutsche Friedensbewegung zur Verfügung hat."
Tausende Friedensaktivisten werden in diesem Jahr mitmachen bei Protesten in Berlin, Büchel, Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Erfurt, Frankfurt, Hamburg, Kassel, Nürnberg oder Stuttgart. Werden es mehr oder weniger als 2014? "Wir werden in etwa das erreichen, was auch im letzten Jahr auf die Straße gegangen ist, schätzt Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.
Hauptthema der Ostermärsche wird Ukraine-Krieg sein
Im Zentrum der Aktionen an diesem Wochenende stehen die Kritik am Ukraine-Krieg, an der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), an Auslandseinsätzen der Bundeswehr und an Atomwaffen. "Das Hauptthema ist sicherlich die Ukraine." Das sei der Krieg in Europa, der die Friedensbewegung vor allem beschäftige.
Andreas Buro war beim ersten Ostermarsch von Braunschweig aus nach Bergen-Hohne unterwegs zum dortigen Raketen-Übungsplatz. Anfangs war die Bewegung noch nicht so groß: "Da kamen vielleicht 800 Leute zusammen", sagt der Aachener Friedenspreisträger. Das "Wunder" sei erst ein Jahr später eingetroffen: Überall in Westdeutschland habe es Ostermärsche gegeben mit ganz unterschiedlichen Gruppen. Thematisch ging es damals schon um den Protest gegen Aufrüstung, Rüstungsexporte und Kriegsprovokation, auch wenn die Konfliktherde andere waren. "Heute kommt als wichtiges Moment hinzu, dass wir sagen: Konflikte müssen anders gelöst werden", sagt Buro.
Massenmobilisierung wie früher ist nicht mehr möglich
Die erste größere Welle der Ostermärsche ging nach seiner Einschätzung Ende der 1960er Jahre zu Ende. Der Nato-Doppelbeschluss 1979 brachte wieder Tausende auf die Straße. In den 1990er Jahren machten nach Angaben des Hamburger Friedensforschers Michael Brzoska weniger Menschen mit, während es im vergangenen Jahrzehnt wegen des Irak-Krieges und des Afghanistan-Konflikts wieder mehr Interesse gab. "In diesem Jahr denke ich schon, dass der Zulauf größer sein könnte, weil natürlich mit der Ukraine-Krise die Sorge vor einem Krieg in Europa doch wieder stark gewachsen ist", sagt Brzoska.
Und die Zukunft der Ostermärsche? "Ich denke, dass es im Moment wieder ein eher wachsendes Thema ist", sagt Brzoska, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. In den 1990er und den 2000er Jahren sei es schwieriger gewesen, junge Leute für das Thema Frieden zu gewinnen. Ökologie oder Jugendfragen seien wichtiger gewesen. Die Sorge um die Zukunft in Europa beschäftige aber auch junge Leute zunehmend. Buro ist skeptischer: "Nachwuchs ist ein großes Problem." Eine Massenmobilisierung wie früher hält er nicht mehr für möglich. "Diese Kriegsszenarien scheinen so weit entfernt zu sein, dass sie nicht zur ersten Motivation geworden sind." (dpa)