Düsseldorf. Der Zustand der Wälder bereitet Experten Sorgen. Das Land NRW will mit neuem Wiederbewaldungskonzept den Aufbau stabiler Mischwälder fördern.

Dritte Sommerdürre in Folge, massenhafte Vermehrung des Borkenkäfers und Sturmfolgen: Der Zustand der Wälder in Nordrhein-Westfalen hat sich in diesem Jahr nach Angaben von Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) weiter verschlechtert. Der Anteil der erheblich geschwächten Bäume ist nach der jüngsten Erhebung von 42 Prozent im Jahr 2019 auf jetzt 44 Prozent gestiegen. Das machen die Experten an lichten Baumkronen aus, bei denen Blätter beziehungsweise Nadeln abgefallen oder viel zu gering ausgeprägt sind. 44 Prozent der Bäume mit einer deutlichen Kronenverlichtung ist der höchste Wert seit dem Beginn der Erhebungen im Jahr 1984.

In unterschiedlichem Ausmaß seien drei von vier Bäumen nicht gesund. Der Anteil der Bäume ohne Schäden habe allerdings von 19 auf jetzt 23 Prozent zugenommen. „Hier ist ein ganz kleiner Lichtblick quer über alle Baumarten zu erkennen“, erklärte Heinen-Esser. In der Corona-Krise sei vielen Menschen wieder bewusst geworden, wie wichtig der Wald sei. Gerade Menschen aus den Großstädten hätten Erholung in den Wäldern gesucht. Vielerorts werde die Wanderung aber von braunen, abgestorbenen Nadelbäumen getrübt und von Kahlflächen. Vorboten des Klimawandels seien längst angekommen.

60 Prozent des Waldes in Nordrhein-Westfalen im Privatbesitz

Das Land richte die Förderung für private Waldbesitzer auf vielfältige und klimastabile Mischwälder aus - über 60 Prozent des Waldes in NRW sind in Privatbesitz. Nadelholz-Monokulturen hätten keine Zukunft. Auf den seit 2018 entstandenen Schadflächen sollen nach den Vorstellungen des Landes Mischwälder entstehen, die in der Regel aus mindestens vier Baumarten bestehen sollen, die zum Standort passen müssten. Heimische Baumarten sollen dabei den Kern der künftigen Waldgeneration bilden. Die Wälder, die in der Zukunft Bestand haben müssen, seien auch ein wichtiger Kohlendioxid-Speicher, betonte die Umweltministerin.

Fichte: Am stärksten betroffen von Dürre und Borkenkäfern ist die Fichte, die nur ein flaches Wurzelsystem hat. Ohne ausreichend Wasser hat sie keine Möglichkeit, sich mit Harz gegen den Borkenkäfer zu wehren. Nachdem zunächst Fichtenwälder im Flachland betroffen waren, traten in diesem Jahr auch verstärkte Schäden im Bergland auf. Seit 2018 sind bis jetzt 31,5 Millionen Kubikmeter Schadholz angefallen.

Buche: Auch der Zustand der Buche hat sich verschlechtert. Durch die Trockenheit kommt es vor allem in alten Beständen, zunehmend aber auch in mittelalten Beständen zum Absterben von Bäumen. Die starke Samenbildung in diesem Jahr führt bei den Bäumen zu zusätzlichem Stress. Nach den jüngsten Daten des Landesbetriebes liegt der Schadholzanfall bei der Buche seit 2018 bei 850 000 Kubikmetern.

Eiche: Die Eiche hat sich in diesem Jahr nach Ansicht der Experten leicht erholen können. Mit ihrem tief reichenden Wurzelsystem kann sie an in tieferen Bodenschichten gespeichertes Wasser herankommen. Auch die Eiche hat in diesem Jahr viel Samen gebildet. Ein Teil der Bäume hat die Eicheln aber wegen Wassermangel vorzeitig abgeworfen.

Kiefer: Die Kiefer gilt als verhältnismäßig unempfindlich gegen Trockenheit. Bei ihr sehen die Experten eine leichte Verschlechterung des Zustandes. Sie hat den geringsten Schadanteil der Hauptbaumarten.

25 Prozent der Arten des Waldes gefährdet oder ausgestorben

Die NRW-Naturschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und Naturschutzbund Deutschland (Nabu) forderten am Freitag, dass das Land NRW in den eigenen Staatswäldern Vorreiter für eine natürliche Waldentwicklung sein müsse. Hierzu gehöre insbesondere das Einräumen gänzlich ungestörter Bereiche und das Zulassen einer natürlichen Waldentwicklung. Kurzfristig sollten mindestens 20 Prozent des Staatswaldes aus der Nutzung genommen werden. 78 Prozent der heimischen Waldökosysteme seien im Fortbestand bedroht, 25 Prozent der Arten des Waldes seien in NRW gefährdet oder ausgestorben. (dpa)