Herne..
Der deutsche Bergbau ist der sicherste der Welt. Das letzte Unglück im Ruhrgebiet ist 26 Jahre her. Heute liegt die Unfallquote etwa auf dem Niveau des Bäckerhandwerks. Wie haben die das nur geschafft, bei der Grubenwehr in Herne?
Wenn der Bergmann einen Raum fliest, dann weiß. Er will den Grubenstaub ja nicht verstecken, sondern wegwaschen. Es ist eine nüchterne, altmodische Umgebung auf der ehemaligen Zeche Pluto in Herne. Doch das Produkt, das hier erzeugt wird, ist hochmodern. Von hier aus versorgt die Grubenwehr der RAG Aktiengesellschaft die verbliebenen Zechen, Salzbergwerke oder Schiefergruben mit Sicherheit.
Und das äußerst zuverlässig. Der deutsche Bergbau ist der sicherste der Welt. Das letzte Unglück im Ruhrgebiet ist 26 Jahre her. Damals starben fünf Bergleute bei einem Strebbruch auf Consolidation unter Gelsenkirchen. Heute liegt die Unfallquote etwa auf dem Niveau des Bäckerhandwerks. Wie haben die das nur geschafft in Herne? Und angesichts des Unglücks in Chile, wo 33 eingeschlossene Kumpel womöglich noch Monate auf ihre Rettung warten müssen: Was können andere lernen? . . . Nun, da sind sie bescheiden bei der RAG und erklären erst einmal . . .
... warum man Deutschland nicht vergleichen kann mit Chile.
„Es gibt hier eine besondere Philosophie“, erklärt Georg Bresser, der Leiter der Grubenwehr. In Deutschland hat man keine Fluchträume gebaut, wie jenen, in dem die Chilenen nun auf 700 Metern festsitzen. Im Ruhrgebiet arbeitet man in doppelter Teufe; da würde eine Bohrung von oben zu lange dauern. Auch darum soll hier jeder Bergmann unter Tage in 90 Minuten „frische Wetter“ erreichen können, also einen Entlüftungsabzweig. Aus dieser Regel ist ein enges Netz potenzieller Fluchtwege entstanden, es gibt immer zwei Wege nach oben. So haben die Rettungsbomben, wie sie beim Wunder von Lengede eingesetzt wurden und jetzt wieder in Chile, hier ihre Funktion verloren.
Kommt es nicht dennoch zu Unfällen?
Ein Netz von Sensoren überwacht den Kohlenmonoxid-Gehalt unter Tage, die Temperatur und den Luftaustausch. Wenn nur das Kugellager eines Transportbandes heiß läuft, blinkt der Alarm.
Kohle neigt unter Tage dazu, sich bei längerem Kontakt mit Sauerstoff selbst zu entzünden. Zusammen mit Methan oder Kohlestaub kam es darum bis in die 50er Jahre in Deutschland häufiger zu verheerenden Explosionen – in Ländern wie China oder Russland sind sie immer noch üblich. Doch der moderne Bergbau rückt heute an einem Tag so schnell vor, wie früher in einer Woche. Und die Restkohle wird hinter dem Hobel so schnell wieder von Gestein eingeschlossen, dass sie sich nur noch äußerst selten entzündet.
So müssen Bresser und seine Männer fast nur noch präventiv löschen und das auch immer seltener. Zuletzt gab es vor etwa zwei Jahren einen schwelenden Brand im bereits abgebauten Teil. Der „Alte Mann“ wird in so einem Fall mit Beton und Schäumen abgedichtet, dann werden Unmengen von Stickstoff hineingepumpt, der Brand erstickt in wenigen Monaten.
Aber der größte Risikofaktor ist und bleibt der Mensch?
„Ja“, sagt Bresser. „Ein Risiko entsteht, wenn der Mensch falsch plant oder anpackt oder in Krisensituationen falsch reagiert.“ Die Grubenwehr schult also auf allen Ebenen, und vor allem ist sie überall präsent. Es gibt zwar nur etwa 20 hauptberufliche Wehrleute in Herne. Aber zusätzlich hat jedes der vier verbliebenen Ruhrbergwerke etwa hundert Freiwillige: Bergleute mit Zusatzqualifikation.
Tritt ein Notfall ein, gehen automatisch Alarmmitteilungen an alle Diensthandys. Wer kann, meldet sich zum Dienst. Es gibt keine Bereitschaft, aber innerhalb einer halben Stunde, stehen die Rettungstrupps am Einstieg bereit.
Wie sind die Bedingungen unter Tage?
Die flammensichere Montur hält zehn Sekunden lang eine Hitze von 1000 Grad aus. Mit Sauerstoffkreislaufgerät wiegt sie 25 bis 35 Kilo. Aber entsprechend warm wird es darunter. Der jährliche Test, ob man fit ist für die Grubenwehr, besteht nun darin, mit dieser Ausrüstung auf dem Ergometer zu strampeln in einer Art gigantischem Ofen, der auf 40 Grad erhitzt wird. Dann werden Gewichte gestemmt und einige hundert Meter Trainingsparcours durchkrochen und -geklettert. Das Ganze zwei Stunden lang.
Ist deutsche Sicherheit nicht ein Exportschlager?
Deutsche Technik schon, die Sicherheit allerdings steht in vielen Ländern zuletzt auf der Einkaufsliste. Zum Beispiel schalten sich deutsche Maschinen automatisch ab, wenn sie eine Methan-Konzentration von einem Prozent in der Luft ausmachen. Das ist zum Beispiel den Amerikanern zu früh, denn „erst“ bei fünf Prozent wird’s explosiv. Und solange stehen die Maschinen still. Sicherheit hat eben ihren Preis.