Ruhrgebiet.. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Aber es mangelt ihr zunehmend auch an Priestern.

Nächsten Donnerstag kommen die Möbelpacker in das Redemptoristenkloster in Bochum. Das Mobiliar in vielen Räumen ist bereits lückenhaft, Umzugskisten stehen im Flur, und überhaupt ist offiziell hier niemand mehr – wenn man nicht noch packen müsste. „Das Gefühl ist zwiespältig“, sagt Pater Hermann Döhring, der Hausobere bis 2005, „einerseits ist es noch viel Arbeit, andererseits versagt mir manchmal die Stimme, wenn ich Menschen ins Gesicht schaue.“

Denn das Redemptoristenkloster schließt. 143 Jahre nach der Gründung. Sie überstanden den Kulturkampf, überstanden die Gestapo und die britischen Bomben. Sie überstehen nicht den Nachwuchsmangel. 18 Brüder und Patres waren sie in den 70er-Jahren, heute sind es noch sechs: 85 Jahre alt, 82, 75, „der Rest eigentlich alles Siebziger“, sagt Döhring. Was aus Kirche und Kloster Maria Hilf wird, den zwei gewaltigen Backsteinbauten am Rande der Innenstadt, ist unklar. Der letzte Akt: Am Wochenende des 20. Februar werden auf einem Trödelmarkt im Kloster Teile des Inventars verkauft. Das machen Redemptoristen von außerhalb, um die aufgewühlten Gefühle der Bochumer Brüder zu schonen.

Wohin man schaut im Ruhrgebiet: Umzugskartons und Abschiedsschmerz, Kirchen und aufgelöste Gemeinden, aufgegangen in neuen größeren Einheiten, mit denen die Mitglieder sich noch nicht identifizieren mögen. Natürlich ist dieser Umbruch in beiden Kirchen den wegbrechenden Einnahmen geschuldet, bei den Katholiken aber fehlt auch schlicht der Nachwuchs, ein Problem, das die evangelische Kirche so nicht hat. Die katholische Priesterweihe ist unattraktiv geworden – es mag am Zölibat liegen, wie führende CDU-Politiker mutmaßten in einem offenen Brief, in dem sie gleich die Aufhebung des Eheverbots forderten.

So dramatisch ist es: Im Schnitt werden im Bistum Essen zwei Diakone im Jahr zum Priester geweiht, aber im gleichen Zeitraum gehen etwa 30 in den Ruhestand. Rund 20 Gemeinden im Ruhrgebiet haben keinen Pfarrer mehr.

Im Gladbecker Stadtteil Butendorf wollten sie sich lange nicht mit dieser Situation abfinden, die Messdiener kamen mit Plakaten zur Messe, der Gemeinderat sammelte Unterschriften, und auch den Bischof persönlich stellten sie zur Rede. Aber Pastor Ralph Eberhard Brachthäuser wurde im Oktober nach Oberhausen versetzt, weil Heilig Kreuz in Gladbeck einfach rund 3000 Mitglieder zu wenig hatte. „Die Gemeinde steht vor der Stunde Null“, sagte Brachthäuser zum Abschied. „Das haben die noch nie erlebt.“

Der Pfarrer kritisierte: „Die Reform wurde von oben aufgedeckelt, Entscheidungen ohne Beteiligung der Gemeinden getroffen, um die es doch geht.“ Auch die Sachkenntnis vor Ort sei nicht abgefragt worden. Aber vor Ort haben sie sich dann doch zu helfen gewusst. Ein ehrenamtliches Team leistet schon seit Beginn der Kürzungen vor drei Jahren die Organisation. Das Pfarrbüro bleibt also besetzt, auch die Küsterarbeiten erledigt die Gemeinde. Die Kosten für die Kirchenmusik trägt eine Stiftung, und die Leitung der Gemeinde hat ein Diakon übernommen. Für die Gottesdienste wechseln die verbleibenden Gladbecker Pastöre sich ab.

Aber natürlich werden weniger Messen angeboten. Nebenan in der neuen Großgemeinde St. Lamberti zum Beispiel: ein Drittel weniger. Keine Abendmessen mehr unter der Woche, keine mehr vor den meisten Feiertagen. Und keine zusätzlichen mehr für Beerdigungen. Es fehlt ja im Übrigen auch an Messdienern. Und den Gläubigen geht es wie den Postkunden auf der Suche nach Briefkästen: Die Wege werden weiter.

Die Laien verwalten

Ob ausländische Priester auf Dauer Entlastung bieten können, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Zunächst versuchen es die meisten Gemeinden mit Kreativität. In Dorsten etwa wollen fünf Gemeinden einen gemeinsamen Seelsorgedienst gründen. Zusammenarbeit statt Fusion ist das Motto. Selbst die Gemeindeordnung wollen sie ändern, damit Seelsorger zur Not alle Messen an einem Wochenende feiern können – statt des Pfarrers.

Die Bochumer Redemptoristen jedenfalls verlassen die Stadt nächste Woche. Ein einziger bleibt, für die Migranten-Seelsorge; vier gehen in verschiedene Klöster in Köln. Und Döhring geht in das Redemptoristenkloster in Bottrop, sehr aktiv in der Jugendarbeit. Doch auch hier weht der Wandel: Die Verwaltung, „früher eine Domäne der Patres“, die macht ein Laie.

Und dieser Laie ist auch noch eine Frau.