Münster.. Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie wohl erfinden: das Tatort-Duo Thiel und Boerne sowie den Privatdetektiv Wilsberg. Der Deutschen beliebtester Tatort ist ein unschätzbarer Marketing-Faktor. Nun hofft das Ruhrgebiet auf einen Kommissar.

Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie wohl erfinden. Das Tatort-Duo Thiel und Boerne sowie den Privatdetektiv Wilsberg. Sie alle drei sind fiktive Münsteraner, der eine eher unauffällig, der andere auftrumpfend eloquent und letzterer mit etwas undefinierbarem Verhältnis zu einer Hauptkommissarin. Vor allem aber machen sie das etwas provinzielle Münster bundesweit so bekannt wie es keine Image-Kampagne vermag. Kein Wunder, dass sich nun diverse Ruhrgebietsstädte darum reißen, Schauplatz jenes neuen Ruhrgebiet-Tatortes zu werden, den der WDR gerade entwickelt.

Der Himmel meint es gut an diesem Wochenende mit Münster. Leuchtend blau verbreitet er heitere Frühlingsstimmung zwischen den Arkaden des Prinzipalmarktes, und so schiebt sich die kleine Gruppe Touristen von einem Sonnenflecken zum nächsten. Bestaunt hinter dem alten Rathaus das Stadthaus I, in dem beim ersten Tatort Prof. Boernes Rechtsmedizin untergebracht war, spaziert, am Dom vorbei, direkt auf das Antiquariat Solder zu, das samt Klinker-Fassade und Inventar dreimal im Jahr für das Fernsehen zum Wilsbergschen mutiert.

„Gucken sie mal durch das linke Schaufenster. Sehen Sie da den grau-blauen Vorhang unter dem Schild „Privat“? Der wird jedes Mal für die Innenaufnahmen ins Studio nach Köln mitgenommen“, erklärt gerade Stadtführerin Gertrud Sommer. Immer wieder sonntags sind sie und ihre Kollegen vom Touristikunternehmen Stadtlupe unterwegs auf der Krimitour. Denn Münster ist in, Münster boomt. 150 Termine dieser Art gibt es in der westfälischen Stadt pro Jahr. Dazu Mörder-Menüs, Krimi-Stadtspiele und Krimi-Wochenenden.

Telefone stehen nicht mehr still

Wie viele Touristen exakt animiert durch Boerne, Thiel und Wilsberg nach Münster reisen, lässt sich nicht abschätzen. Die Stadt müsste aber „jedes Jahr einen nicht nur einstelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen, wenn wir dasselbe mit Werbung erreichen wollten“, sagt Stadtsprecher Joachim Schiek. Und wenn sonntagabends ein Münsteraner Tatort gesendet wird, stehen am nächsten Tag die Telefone in der Münsteraner Touristikzentrale nicht still. Boerne und Thiel, das zeigen die Quoten, sind die absoluten Stars unter den Tatort-Kommissaren. Noch vor Maria Furtwängler als Charlotte Lindholm und den Kölnern Ballauf und Schenk.

Die Stadtrundgänger rund um Gertrud Sommer stehen inzwischen vor dem Bankhaus Lampe. Im Tatort Nr. 745 mit dem Titel „Tempelräuber“ war hier das Priesterseminar Sankt Vinzenz untergebracht. Ein Priester, zu Fuß auf dem Weg von der Lamberti-Kirche zum Bischofssitz, ist in dieser Folge überfahren worden. Der Münsteraner Tatort, er scheint der katholischen Stadt wie auf die Silhouette geschrieben. Der konservative Wissenschaftler Boerne, der fahrradfahrende Thiel und sein haschender Papi, ein Taxi fahrender Alt-68er.

„Der Tatort passt einfach zu uns, zu unserem Image, zu der konservativen Bildungsstadt mit dem alternativen Flair“, sagt Stadtsprecher Joachim Schiek. Und so ist es denn auch der Münsteraner liebstes Hobby, ihre Stadt im Film zu entdecken, den Tatort am Tag danach zu sezieren: Das Café am Schloss, das gibt es doch gar nicht. Das Restaurant „Westfälischer Friede“, das ist der „Kiepenkerl“ gewesen. Aber die Verfolgungsjagd rund um den Dom? Unmöglich! Wie soll das gehen?

Eine kleine Sensation

Längst hat die Stadt für die Leute vom Film einen eigenen Film-Service eingerichtet, bedient die Teams mit Ideen für gute Locations, mit Tipps, wo sie was bekommen können. Anders als etwa in Köln, wo alle naselang gefilmt wird, sind die Dreharbeiten in Münster noch eine kleine Sensation. Man reagiert nicht genervt über Absperrungen und belegte Parkplätze, man freut sich, bittet um Autogramme und kiebizt, wenn Liefers oder Prahl am Set auftauchen. „Die Münsteraner freuen sich richtig, wenn wir in der Stadt sind“, sagte Prahl unlängst in einem Interview. Kürzlich trugen sich die beiden ins Goldene Buch der Stadt ein. Und die nächste Tatort-Premiere soll zum ersten Mal open-air vor der Kulisse des Schlosses gezeigt werden.

Der Tatort ist einfach Kult. So wie einst Duisburgs Schmuddel-Kommissar Schimanski. Lange ist’s her. Noch länger die Zeit des Esseners Heinz Haferkamp. Als durchsickerte, der WDR arbeite am Konzept für einen neuen Ruhrgebiet-Tatort, da waren von Dortmund bis Duisburg die Begehrlichkeiten geweckt. Und alle, alle riefen: Bitte zu uns!