An Rhein und Ruhr.. Der Landschaftsverband Rheinland will jeden dritten Therapeuten an seinen Förderschulen einsparen. Lehrer und Eltern von behinderten Kindern sehen nun die Qualität der Ausbildung bedroht. Die Betreuung ist nur noch bis zum Jahresende gesichert.
Ein dreibeiniger Tisch wackelt nicht. Doch mit einem Bein weniger kippt er um. Genau davor haben die Eltern von behinderten Kindern Angst. Denn der Landschaftsverband Rheinland (LVR) sägt an einer der drei tragenden Säulen, die das Konzept seiner Förderschulen tragen. Bisher garantiert die Einheit aus Pflege, Therapie und Unterricht eine gute Ausbildung. Doch die Therapie ist bedroht. Aus Kostengründen.
Bisher galt die Regel, dass an den 41 Förderschulen des LVR ein Therapeut pro 16 Kinder eingesetzt werden muss. Dieser Therapeutenschlüssel von 1 zu 16 wurde nun vom Landschaftsausschuss ausgesetzt. „Wir haben große Angst, dass dies nur der erste Schritt war“, sagt Ilona Jansen, eine Mutter aus Bedburg-Hau. „Therapie und Pflege sind massiv bedroht.“
2009 zahlte der LVR für 242 Therapeuten, die 4104 Schüler betreuten, insgesamt 11,69 Millionen Euro. Jetzt muss er sparen. Deshalb will der Verband den Therapeutenschlüssel nach Vorbild des Landschaftsverbands Westfalen Lippe auf 1 zu 24 anheben und so ein Drittel an Stellen einsparen. Die Qualität der Versorgung bleibe gesichert, beteuert LVR-Schuldezernent Michael Mertens. „Das kann gar nicht klappen“, befürchtet Jansen. „Weniger Personal kann nicht die gleiche Leistung erbringen.“
Die Therapeuten sind beim LVR angestellt, betreuen behinderte Kinder in Kleingruppen, bieten Ergotherapie und Motorikübungen an, geben Reitstunden, begleiten Klassen zur Skifreizeit oder helfen im Unterricht aus. Alles Dinge, die nicht abgerechnet werden, aber fest im Förderunterricht eingeplant sind. Der LVR fordert nun, dass weniger Angestellte mehr rezeptpflichtige Therapiestunden, beispielsweise notwendige Krankengymnastik, geben, für die Krankenkassen einen Anteil von vier bis acht Euro an den Verband überweisen.
Freizeiten und Ausflüge auf der Kippe
„So kann es passieren, dass Dinge, die heute zum Alltag gehören, nicht mehr möglich sind“, sagt ein Förderschulleiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Wir müssen uns Gedanken machen, ob wir auch in Zukunft noch Reitfreizeiten oder Skiausflüge anbieten können.“
Bis zum Jahresende ist die Betreuung gesichert. Ein Therapeut steht durchschnittlich 18,9 Schülern zur Verfügung. Wie es dann weitergeht, steht in den Sternen. Der Landschaftssausschuss hat sich vorgenommen, neue Konzepte zu erdenken. Unter der Maßgabe der „Qualitätssicherung“ soll es dabei vor allem günstiger werden. Immerhin werden nun auch Schulleiter, Therapeuten und vor allem die Elternpflegschaft eingebunden – anders als am Anfang der Spardiskussion.
Deshalb ist Klaus Cox mit dem Kompromiss auch einigermaßen zufrieden: „Mehr war unter dem Sparzwang nicht zu erreichen.“ Der Sprecher der LVR-Elternpflegschaft will nun an einer Lösung massiv mitarbeiten: „Die Eltern und Schulleiter werden darauf drängen, dass sich nichts verschlechtert. Aber ein großes Halteseil ist mit dem Therapeutenschlüssel verloren gegangen. Die Angst bleibt, dass sich die Lage für behinderte Schüler weiter verschlechtert.“
Angst vor Willkür
Das fürchtet auch Iris Moldenhauer, Pflegschaftsvorsitzende der Förderschule am Volksgarten in Düsseldorf: „Die große Gefahr ist, dass nur noch willkürlich bestimmt wird, welches Kind Therapie braucht und welches nicht. Wir haben Angst, gegeneinander ausgespielt zu werden.“
Und noch ein anderes Szenario halten Eltern für denkbar: dass Förderschulen mit weniger Geld ihre Stellung verlieren. „Der LVR macht sich für die Inklusion stark, das heißt, dass behinderte Kinder auf öffentliche Schulen gehen sollen. Wenn Therapie und Pflege so weit heruntergefahren werden, dass Förderschulen kaum noch einen Vorteil bieten, wäre dieses Ziel ja erreicht.“
Dies ist laut LVR aber nicht angedacht. „Wir werden uns alle an einen Tisch setzen und prüfen, wie die Qualität beibehalten werden kann“, sagt Sprecher Till Döring.
Ende des Jahres könnte ein Ergebnis vorliegen. „Wir werden alles daran setzen, dass die Qualität nicht schlechter wird“, sagt eine Schulleiterin, die ihren Namen nicht nennen mag. Denn auf weniger als drei Säulen können die Förderschulen nicht stehen.