Recklinghausen..

Warum ziert sich Slinger wie eine dunkle Diva? Die Zöpfchen-Mähne nach Husarenart ist doch perfekt geflochten – schließlich zählt der riesige schwarze Friesenhengst zum Stab des Ungarischen Nationalzirkus.

Doch Florian Richter braucht einige beruhigende Worte, um das tänzelnde Ross in die Foto-Positur zu dirigieren. Slinger missfällt der kalte Wind – die Manege des „Circus Roncalli“ war nämlich gut geheizt. „Unsere Lichtanlage ist eben sehr frostempfindlich“, sagt Abendregisseur Patrick Philadelphia im gemütlich temperierten Zeltinneren am Konrad-Adenauer-Platz.

Nach der Proben-Einheit der 17 edlen Araber und ebenso imposanten Friesen mit Florian Richter, dem preisgekrönten „Pferdepapst“, macht auf dem nun eingebauten Manegen-Parkett ein „Ballartist“ seine Lockerungsübungen: Beim 27-jährigen Jemile Martinez stimmt dieses Prädikat. Mit bis zu fünf original „Sommermärchen“-WM-Bällen jongliert der Engländer und dreht dabei doppelte Pirouetten.

„Diese Bälle sind die besten, die ich je hatte“, sagt der Spross einer spanisch-britischen Artisten-Familie, der erstmals mit Roncalli unterwegs ist. Klar, kennt man auch in Großbritannien den nostalgischen Zirkus: „Menschen, die ich kaum kenne, haben mir zu diesem Engagement gratuliert“, erzählt Jemile Martinez. „Es ist eine große Ehre hier aufzutreten.“

40 Artisten gestalten das Jubiläums-Programm zum 35-jährigen Bestehen von Bernhard Pauls zirzensischem Lebenswerk. „30 sind komplett neu dabei“, sagt Markus Strobl, der Pressesprecher. Noch sind nicht alle eingetroffen,. Noch „warten wir auf einige Requisiten auf dem Weg zwischen den USA und Recklinghausen“, sagt Patrick Philadelphia – und klingt dabei völlig gelassen.

Der in Stuttgart geborene Ungar Florian Richter arbeitet sonst in einer 13 Meter durchmessenden Manege – und muss darum den Wendekreis seiner Kutsche verkleinern. „Wir zeigen die Ungarische Post“, so beschreibt der 33-Jährige seinen Beitrag zur Jubiläums-Schau, „und die Hohe Schule mit einem Tandem aus zwei Friesen“. Täglich drei Stunden – von 8 bis 11 – probt Florian Richter mit seinen Rössern in der Manege, dazu die Shows zehnmal wöchentlich. „Und manchmal können wir auch ausreiten.“ Es wäre allerdings fies, hier lautzumalen, wie der Bayer Markus Strobl versucht, den Reitwege-Tipp „Oer“ auszusprechen. . .

Auch sein Landsmann Patrick Philadelphia kennt einige Nummern für „35 Jahre Circus Roncalli“ bisher erst von den Artisten-Videos. Die eigene Artisten-Familie führt der Be­triebs­leiter und Abendregisseur zurück bis zu den „Sturm und Drang“-Zeiten eines Friedrich Schiller. „Mein Ur­- Ur-­Ur-Ur-Urgroßvater arbeitete noch mit Löwen und Pferden in einer Nummer“ – da graust’s den Tierfreund von heute. Aber der 38-Jährige ist ja mit zuständig fürs „Roncallisieren“. Das heißt: „Alles muss in unser Ambiente passen. Wir sind ein nostalgischer Zirkus.“