Marl. Rund 2500 Betreuungsverfahren laufen aktuell am Marler Amtsgericht. Informationen rund um die Themen Betreuung und Vorsorgevollmacht gibt’s beim Tag des Betreuungsrechts am 10. November an den Amtsgerichten in Marl und Recklinghausen.
Seine Post öffnete der Senior schon längst nicht mehr, Pfändungen liefen, das Konto war bereits gekündigt und die Rente konnte ihm nicht mehr überwiesen werden. Nachbarn ergriffen die Initiative und suchten Hilfe. Ein typischer Fall für das Betreuungsgericht. Und ein Fall von mehr als 2500, um die sich das Amtsgericht Marl kümmert.
Das Gericht muss eingreifen, wenn Menschen nicht mehr selber entscheiden können und wenn unklar ist, wer stattdessen entscheiden soll und darf. „Ein großes Thema, das so nicht in allen Einzelheiten bekannt ist“, erläutert die Direktorin des Amtsgerichts Marl, Irene Rezori.
Werde ich im Alter meine Dinge noch alleine regeln können? Wie kann ich vorsorgen? Was kann ich jetzt schon bestimmen? Wie geht es mit meiner Mutter oder meinem Vater weiter? Was kann ich als Sohn oder Tochter veranlassen? Wo bekomme ich Hilfe?
Es gibt viele Fragen, und die Antworten sind meist nicht einfach, so der stellvertretende Direktor Hermann Heimeshoff. Mancher gibt auf, wenn er sieht, wie kompliziert das Verfahren ist. Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung aber erweisen sich als äußerst wichtige Hilfsmittel in unklaren Situationen. Vor 20 Jahren hieß es noch „Vormundschaftsgericht“; Menschen konnten damals „entmündigt“ werden. Das gibt es nicht mehr, jetzt gibt es das „Betreuungsrecht“.
Häufig kommt der Impuls von Nachbarn oder von Angehörigen, berichtet Heimeshoff: „Da braucht jemand Hilfe.“ Ein Psychiater erstellt ein Sachverständigengutachten, eine Betreuungsstelle gibt einen Bericht ab – womit das Verfahren von Amts wegen eröffnet ist. Dann fällt die Entscheidung, ob der Mensch einen Betreuer braucht. Das ist meist ein Angehöriger, es kann aber auch ein Berufsbetreuer sein (den das Gericht einsetzt und der pauschal für einen „Fall“ bezahlt wird).
Aber jeder Mensch kann selber entscheiden, wer ihn betreuen soll, wenn er eines Tages selber keine Entscheidungen mehr treffen kann. Das sollte man schriftlich machen; aber meist werden von Banken oder von der Post fremde Vollmachten nicht anerkannt. Auch bei ärztlichen Maßnahmen oder vermögensrechtlichen Fragen tauchen immer wieder Zweifel auf. Hermann Heimeshoff: „Oma ihr klein‘ Häuschen zu verkaufen, ist gar nicht so einfach.“
Viele Paare haben sich zu einer so genannten „Ehegatten-Vertretung“ entschlossen. Doch wenn der eine Partner mit 90 Jahren im Krankenhaus behandelt wird, ist der andere, ebenfalls 90-jährige Partner mit den anstehenden Entscheidungen oft überfordert.
Klare Entscheidungsbefugnisse sind auch angebracht, wenn Ehen getrennt und neue Lebensgemeinschaften eingegangen wurden, wenn Kinder aus mehreren Beziehungen plötzlich ihre Verantwortung entdecken – oder auch nicht, weil ihnen die Probleme über den Kopf wachsen.
Das ist übrigens keine einmalige Entscheidung, mahnt Irene Rezori. „Manche Vorstellungen ändern sich im Laufe des Lebens, man sollte sie deshalb entsprechend anpassen.“ Und wenn die Vollmacht im Zentralen Vorsorgeregister erfasst ist, dann sei der Aussteller auf der sicheren Seite.
678 neue Verfahren gab es im vergangenen Jahr am Amtsgericht Marl. Insgesamt erhöhte sich die Zahl von 2500 Betreuungsverfahren in den letzten Jahren nur geringfügig. Viele Fälle werden auch durch den Tod der betreuten Menschen beendet.