Am Niederrhein. Während die Politik überlegt hat der Niederrhein schon gehandelt. Erste Hilfslieferungen Richtung Lesbos sind unterwegs – weitere sollen folgen.
Die Bilder vom brennenden Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos gingen um die Welt. Sie bewegten Menschen. Auch am Niederrhein war die spontane Hilfsbereitschaft groß. Die Kommunen in der Region, die dem Bündnis „Sichere Häfen“ beigetreten sind, signalisierten, sofort Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen. Allein Düsseldorf erklärte sich bereit, 150 Menschen aus dem abgebrannten Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos beherbergen zu können. Weitere Städte am Niederrhein wie Wesel, Dinslaken – beide zum Bündnis „Seebrücke. Schafft sichere Häfen“ gehörend – und auch Kommunen wie Rees und Neukirchen-Vluyn meldeten Bereitschaft an, Menschen aufzunehmen.
Das wäre auch kein Problem, sagt Claudio Gnypek, Referent für entwicklungspolitische Bildungsarbeit beim Gemeindedienst für Mission und Ökumene (GMÖ) der Evangelischen Kirche im Rheinland, der auch am Niederrhein aktiv ist. „Man könnte locker mehrere Hundert Menschen hier verteilen. Die Plätze, die Betten und die Infrastruktur sind da“, sagt er. Für ihn braucht es aber derzeit vor allem eins: Druck auf die Politik. „Es würde helfen, wenn die Menschen mit ihren Politikern sprechen, um klarzumachen, dass sie an dem Thema interessiert sind und es nicht vergessen“, sagt er. Auch Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, hatte bereits an die Politik appelliert, die Aufnahme von Menschen aus Moria zu ermöglichen. „Die Bilder von den Schutzsuchenden Frauen, Männern und Kindern im brennenden Flüchtlingslager von Moria machen mich wütend. Wir haben sie in den Nachrichten gesehen. Jetzt ist Schluss. Jetzt ist Zeit zu handeln“, hatte Rekowski in einer WDR-Morgenandacht gesagt.
Nonnen sammeln Spenden ein
Ein Appell, den man sich am Niederrhein schon zu Herzen genommen hat. Während man auf Bundesebene noch verhandelt, wie viele Geflüchtete man jetzt aufnehmen kann – und wo diese herkommen sollen, ist die konkrete Hilfe aus Richtung Niederrhein schon in Arbeit oder gar schon unterwegs nach Moria.
Die Aktion Pro Humanität aus Kevelaer organisiert, gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen, einen Hilfstransport nach Moria. Zelte, Decken, Planen und Corona-Schutzmasken sollen nach Lesbos transportiert werden. „Jegliche Hilfe ist in dieser Situation absolut notwendig. Unser christlicher Auftrag gebietet, jetzt zu helfen und den Menschen in den Flüchtlingslagern und den schwierigen Situationen zur Seite zu stehen“, sagte Weihbischof Rolf Lohmann, Kuratoriumsvorsitzender der Aktion Pro Humanität und Regionalbischof für den Niederrhein dazu.
Die ersten Spenden sind bereits im Klarissen-Kloster in Kevelaer eingegangen. „Die Menschen spenden sehr gerne“, sagt Schwester Maria Bernadette Bargel, ehemalige Äbtissin des Klosters. „Wir haben auch schon viele Anrufe von weiteren Spendern bekommen.“ Die Nonnen selbst wollen selbstgestrickte Socken zur Hilfslieferung beitragen. Bis Sonntag können hier noch Spenden abgegeben werden. Danach soll der Hilfstransport sich auf den Weg machen.
Medizin-Material für Moria
Auch im niederrheinischen Tönisvorst arbeitet man an Hilfe für Moria. Hier hat das Medikamentenhilfswerk „action medeor“ schon Hilfspakete mit medizinischem Equipment gepackt, die nun schnellstmöglich nach Lesbos transportiert werden sollen. Verbände, Kompressen und Schutzausrüstung für medizinisches Personal werden, koordiniert von SeaWatch, an drei Hilfsorganisationen vor Ort geliefert. „Es werden in den kommenden Tagen wahrscheinlich noch mehr Lieferungen von hier in Richtung Moria gehen“, sagt medeor-Pressesprecher Markus Bremers.
Der Niederrhein leistet also bereits jetzt Hilfe für die Menschen in Not. Claudio Gnypek weist darauf hin, dass jeder helfen kann, wenn er möchte – ob durch Spenden oder mit persönlichem Einsatz. „Es ist immer gut, wenn Menschen vor Ort sich freiwillig melden, um zu helfen“, sagt er mit Blick auf die Hilfe in den Kommunen.
>>>Bündnis, Bereitschaft und Diskussionen
Das Bündnis „Sichere Häfen“ besteht aus Kommunen, die mehr Flüchtlinge aufnehmen möchten, als ihnen zugeteilt werden. In der Region gehören Dinslaken, Düsseldorf, Kevelaer, Krefeld, Rheinberg und Viersen dem Bündnis an.
Die AWO Niederrhein hatte bereits erklärt, man sei bereit für junge Menschen aus Moria. „Jugendhilfe, Schule und das Vormundschaftssystem sind ausreichend für die umgehende Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus dem abgebrannten griechischen Flüchtlingslager gewappnet“, betont der niederrheinische AWO Bezirksgeschäftsführer Jürgen Otto.
Ob und wie viele Geflüchtete in Deutschland aufgenommen werden, wurde nach dem Brand in Moria lebhaft politisch diskutiert.