Ruhrgebiet.. Die Jugendliche aus Südosteuropa war nach 200 Diebstählen und Überfällen zu acht Monaten Jugendhaft veruteilt worden. Trotzdem erhielt sie noch eine letzte Chance, sich zu bewähren - und verspielte sie prompt. Städte wie Duisburg und Essen reagieren inzwischen rigoroser auf solche Delikte.
Wo steckt Elisabeta? Mehr als 200 Mal fiel das Roma-Mädchen auf, durch Diebstähle und Überfälle, bevor es im September vom Dortmunder Amtsgericht zu acht Monaten Jugendhaft verurteilt wurde. Trotzdem erhielt die 14-Jährige noch eine Chance, sich zu bewähren – und verspielte sie prompt. Nun hätte sie eigentlich wieder vor Gericht stehen sollen. Eigentlich. Denn in Justizkreisen rechnete niemand mit ihr – sie sei abgetaucht in Holland. Am Ende sagte dann ihre Anwältin den Termin ab.
Oft genug haben sie an dem fünfeinhalbgeschossigen Haus angeklingelt. Mal die Mitarbeiter des Jugendamtes Dortmund, mal Polizisten. Genau bei jener Adresse, die Elisabeta auf dem Dortmunder Amtsgericht angegeben hatte, bevor sie wieder verschwand. Doch die Versuche, mit ihrer Familie zu reden, Hilfsangebote zu machen, Elisabeta zu bewegen, die Schule zu besuchen, schlugen jedes Mal fehl. Zwar öffnete dort Elisabetas Mutter, doch sie selbst war nie da.
Verhaftet - und wenige Stunden später wieder frei
Elisabeta, ihr Name ist im Ruhrgebiet längst zum Synonym für die so genannten Klaukids geworden. Für jene Kinder aus südosteuropäischen Zuwanderer-Familien, die anfangs mit kleinen Diebstählen und Trickbetrügereien auffallen, später auch mit Raubüberfällen. 590 Übergriffe an Geldautomaten registrierte das Landeskriminalamt NRW von 2012 bis Frühjahr 2013. Die Täter sind elf, zwölf, dreizehn Jahre, eben strafunmündig. Beißend, spuckend oder tretend gehen sie ihre Opfer an, zocken deren Geld ab und sind kaum zu packen, weil sie – wenn sie erwischt werden – nach wenigen Stunden aus dem Heim flüchten.
So wie Elisabeta es nur allzu oft getan hat. Das Amtsgericht hatte ihr im September in Aussicht gestellt, die Jugendstrafe nachträglich zur Bewährung auszusetzen, wenn sie sich ein halbes Jahr lang nichts zuschulden kommen lassen würde. Doch am 3. Januar wird sie wieder gefasst. Dieses Mal bei einem Trickbetrug an einem Bankautomaten in Castrop-Rauxel. Mit dabei sind zwei zwölf und 13 Jahre alte Komplizinnen. „Die waren vermutlich in der Anlernphase“, sagt ein Kommissar, der ihren Fall gut kennt.
Die KInder sind vor allem auch Opfer
Kinder wie Elisabeta sind jedoch nicht nur Täter, sondern vor allem Opfer. Von Erwachsenen zum Stehlen, Betrügen und Rauben abgerichtet. So sieht es auch der Leipziger Ethnologe Olaf Günther, der sich intensiv mit Roma befasst hat. „Die Kinder werden nicht nur von ihren Eltern auf Diebestour geschickt, sie werden oft für erbärmlich wenig Geld an Geschäftsleute, an organisierte Banden vermietet“, sagt Günther. Auf diese Weise gelangten auch Mädchen, etwa aus dem bulgarischen Plovtiv, in die Straßenprostitution in Dortmund.
„Es ist die Armut, die sie dazu bewegt. Das sind Menschen ganz am unteren Ende der sozialen Hierarchie. An erster Stelle steht für sie das Überleben der Familie“, erklärt Günther. Zudem sei das familiäre Netz räumlich sehr verzweigt, die Kinder würden mal in Deutschland, dann in den Niederlanden oder in Italien eingesetzt.
Längst gibt es eigene Ermittlungsgruppen bei der Polizei, reagieren auch die Jugendämter mancher Städte verstärkt auf die Klaukids. Mit Erfolg. „In Mülheim und Essen haben diese Delikte deutlich abgenommen. Unsere Vermutung ist, dass großer Druck gegenüber den Eltern aufgebaut worden ist und Verfahren eingeleitet wurden, wenn diese ihrer Fürsorgepflicht nicht gerecht wurden“, sagt der Essener Hauptkommissar Martin Kielbassa.
Gedroht, die Kinder wegzunehmen
Und Duisburgs Polizeisprecher Ramon van der Maat behauptet gar, seit Oktober habe es in seiner Stadt keine Vorfälle mit Klaukids mehr gegeben: „Wir hatten drei, vier Familien ermittelt, deren Kinder für insgesamt 60 Fälle verantwortlich waren. Zusammen mit dem Jugendamt haben wir klargemacht, dass wir ihnen die Kinder wegnehmen, wenn sie ihrer Sorgepflicht nicht nachkommen.“ Ähnlich bestätigt das Jugendamtsleiter Holger Pethke: „Das wäre nur das letzte Mittel. Aber seitdem gehen Sozialpädagogen in die Familien, und die Clan-Chefs sorgen dafür, dass die Kinder die Schule besuchen.“
Elisabeta, natürlich, geht nicht zur Schule. Nach der Geschichte in Castrop-Rauxel soll sie im Februar noch bei einem Ladendiebstahl in Dortmund erkannt worden sein. Zum nächsten Prozess-Termin vor dem Dortmunder Amtsgericht will sie aber angeblich erscheinen. Sagt zumindest ihre Anwältin Julijana Hermann.