Dormagen/Essen.. Vier Monate nach der Massenkarambolage auf der Autobahn 57 bei Dormagen, bei der ein Mensch getötet wurde, treten die Ermittlungen der Polizei auf der Stelle. Die Ermittlungsgruppe wurde jetzt aufgelöst. Ob der Unfall, der durch Brandstiftung ausgelöst worden war, jemals aufgeklärt werden kann?
Es war ein albtraumhaftes Bild: 15 Autos und sechs Lastwagen waren in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar auf der Autobahn 57 bei Dormagen ineinander gerast. Dabei kam ein 29-jähriger Mann ums Leben, 13 Menschen wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Dichter schwarzer Rauch hatte den Fahrern urplötzlich die Sicht genommen - wie eine Nebelwand.
Schnell war klar, dass die Ursache Brandstiftung war. Unter der Brücke waren mehrere Dutzend Kunststoffrohre für Telekommunikationsleitungen gestapelt, das Material schwer entflammbar, letztlich aber nicht unbrennbar. Die Hitze der Flammen war enorm. Gutachter stellen am Tag darauf fest, dass die Autobahnbrücke nicht mehr zu retten ist.
Acht bis zehn Millionen Euro Schaden
Fast zwei Monate war die A57 zwischen Neuss und Dormagen für den Verkehr gesperrt. Der wird seit Anfang April über eine Behelfsbrücke geführt. Die Planungen für eine neue Autobahnbrücke laufen, sagt ein Sprecher des Landesbetriebs Straßen.nrw. Die Ausschreibung der Arbeiten werde jedoch noch etwas Zeit brauchen. Den Schaden des Infernos könne man derzeit nur schätzen: "Acht bis zehn Millionen Euro könnten es sein", sagt der Sprecher.
Bei den Ermittlungen hat die Polizei unterdessen den Aufwand auf kleine Flamme gestellt. Elf Ermittler hatten sich unmittelbar nach der Massenkarambolage in einer Sonderkommission auf die Spur der Täter gemacht, angesiedelt im Düsseldorfer Polizeipräsidium. Unterstützung bekamen sie von Experten des Landeskriminalamts - vom Brandsachverständigen bis zum Profiler. Mittlerweile liegt der Fall im Kriminalkommissariat für Brandermittlungen in der Neusser Kreispolizei, sagt Sprecherin Diane Drawe: "Die 'Ermittlungsgruppe A57' ist aufgelöst".
Wichtiger Zeuge wird gesucht
"Hinweise im dreistelligen Bereich" hatte die Polizei in den vergangenen vier Monaten verfolgt. Insgesamt 80 Verdächtige wurden vernommen. "Wir haben alle rechtlichen Mittel genutzt, die Polizei und Staatsanwaltschaft zur Verfügung stehen", sagt Drawe. Details mag sie nicht nennen, "aus ermittlungstaktischen Gründen". Von den Tätern hat man ein vages Bild: "Wir glauben, dass es Jugendliche waren", sagt Diane Drawe. Und die Polizei vermutet, dass die Täter "nur gezündelt" hätten ohne abzuschätzen, "welche Folgen das auslöst".
Als heiße Spur wurde zwischenzeitlich der Fund eines VW-Lieferwagens gehandelt. Er war zwei Tage vor dem Brand als gestohlen gemeldet worden und fand sich unmittelbar in der Nähe des Brandortes mit einem Unfallschaden. Die Ermittlungen ergaben, dass "eine Gruppe Jugendliche" das Auto mit Düsseldorfer Kennzeichen entwendet hatte. Der Unfall mit Fahrerflucht habe sich einige Stunden vor dem Brand ereignet. Ein möglicher Zusammenhang mit dem Brand erhärtete sich bisher aber nicht.
1500 Euro Belohnung zur Ergreifung der Brandstifter
Die Polizei hat vieles versucht: Für Hinweise sind nach wie vor 1500 Euro Belohnung ausgelobt. Mit 500 Fahndungsplakaten haben die Ermittler Zeugen gesucht. Und immer wieder die Bevölkerung um Hilfe aufgerufen. Doch selbst der Aufruf nach "einem wichtigen Zeugen", Ende April, hat bis dato kein Ergebnis gebracht. Ein Zeuge hatte die Ermittler auf die Spur eines Autos mit Doppelscheinwerfern gebracht, das am 13. Februar gegen 23.45 Uhr - etwa 20 Minuten vor dem Brand - unterhalb der Brücke auf dem Ernteweg gesehen wurde. Der Wagen sei dort mit eingeschalteten Schweinwerfern abgestellt gesehen worden. "Der Zeuge hat sich nicht gemeldet und konnte bislang nicht ausfindig gemacht werden", sagt Diane Drawe. Er sei aber "weiterhin relevant."
Wie groß die Chancen noch sind, die Verursacher der Massenkarambolage auf der A57 zu finden, dazu mag man sich bei der Polizei nicht äußern: "Wir arbeiten nach wie vor an dem Fall und verfolgen weiterhin Spuren", sagt Sprecherin Drawe. Brandstiftungen würden in und um Dormagen jedenfalls jetzt von der Polizei seit dem 14. Februar besonders genau untersucht. Im Stadtgebiet Dormagen standen in der Polizeistatistik 2011 insgesamt 25 Fälle von Brandstiftung. Im gesamten Rhein-Kreis Neuss waren es 125 Fälle. Die Aufklärungsquote für den Kreis lag bei 22,4 Prozent, in Dormagen bei 20 Prozent. Nur jeder fünfte Fall wurde aufgeklärt.