Hagen.

Sonja Rohde hat schon immer davon geträumt, Astronautin zu werden. Im neuen Jahr will sie als einer der ersten privaten Raumfahrt-Touristen ins Weltall starten.

Als sie ein Kind war, musste ihr der Vater einen Himmel mit Leuchtsternen über das Bett kleben. Denn die kleine Sonja war wild entschlossen, einmal Astronautin zu werden. „Wir haben ein komisches Mädchen“, sagten ihre Eltern irgendwann. Denn die Rohdes in Hagen sind bodenständige Leute, die mit einer Immobilienfirma ihr Geld verdienen. Westfalen, ohne spinnerte Ideen. Heute ist Sonja 34, arbeitet im elterlichen Betrieb und macht mit ihrem Kindertraum ernst. Im neuen Jahr, so hofft sie, wird sie als einer der ersten privaten Raumfahrt-Touristen ins Weltall abheben. Um „eines der letzten großen Abenteuer unserer Zeit zu erleben“, wie sie erzählt.

200 000 US-Dollar, gespartes und geliehenes Geld, hat sie dafür schon bezahlt. An die Firma „Virgin Galactic“ des britischen Milliardärs Richard Branson. Der ist mit seinen mehr als 300 Unternehmen, darunter die Fluggesellschaft „Virgin Atlantic“, nicht nur einer der bekanntesten Selfmade-Männer der Welt, sondern auch ein Grenzgänger, der mehrere Weltrekordversuche unternahm. Darunter die schnellste Atlantik-Überquerung mit einem Schiff oder Ballon-Flüge mit dem Ziel, die Erde zu umrunden.

Künftig will es der 60-Jährige Zahlungskräftigen ermöglichen, an Bord seines Raumschiffes „Space Ship Two“ Ausflüge ins All zu unternehmen. Die Mission seiner Firma „Virgin Galactic“. Wie kommt man in Kontakt mit so einem Mann? Sonja Rohde lacht. „Vor fünf Jahren auf einer Safari in Afrika.“ Sie hatte sich am Rand des Krüger Nationalparks in einer Lodge einquartiert, die Branson gehört. Der war auch dort und erzählte der Deutschen von seinen Weltraum-Plänen. „Ich will dabei sein!“, sagte die und landete sofort auf der Passagierliste. „Weltweit stehen da heute 300 Leute drauf“, erzählt die Diplom-Kauffrau, die als erste Deutsche starten soll. 80 Kandidaten haben wie sie ein Weltraum-Training absolviert.

Dafür war die junge Frau auch in Cape Canaveral, dem Raumfahrtzentrum der Nasa. Alle körperlichen Tests hat sie mit Bravour bestanden, hielt aus, „was auch Shuttle-Astronauten aushalten müssen. Wir flogen in einer umgebauten Boeing 727 4000 Meter im Sturzflug, dann 4000 Meter im Steilflug – und das 30 Mal hintereinander. Da konnte mancher sein Mittagessen nicht bei sich behalten.“ Einfach nur glücklich habe sie sich in der Schwerelosigkeit gefühlt, „un­beschreiblich frei“, schwärmt sie.

15 Minuten
Schwerelosigkeit

Rund zweieinhalb Stunden wird Rohdes Traum dauern. Schon 2009 hatte sie gehofft, dass er Wirklichkeit wird. Richard Branson betont, dass ihm die Sicherheit seiner Passagiere über alles gehe. Mit einem ersten Start des Raumflugzeuges „Space Ship Two“ sei daher erst in neun bis 18 Monaten zu rechnen, sagt er. Im Raumschiff werden sechs Astronauten und zwei Piloten Platz haben. Mit einem Trägerflugzeug wird es vom Weltraumbahnhof „SpacePort America“ aus (US-Bundesstaat New Mexico) auf eine Höhe von 15 Kilometern gebracht. Dann koppelt sich das Raumschiff ab. Die Raketen zünden. Binnen acht Sekunden erreicht es Überschallgeschwindigkeit und schießt mit rund 5000 Stundenkilometern ins All.

„Wir werden den Himmel vorbeirasen sehen, erst in Hellblau, dann in Dunkelblau, Lila, schließlich in Schwarz“, erzählt Rohde begeistert. In 120 Kilometern Höhe be­schreiben die Piloten dann eine Parabel, die in einer 15-minütigen Schwerelosigkeit gipfelt. Die sechs Passagiere werden schweben, die Sonne, den Mond, die Sterne und die Erde gleichzeitig vor Augen haben. „Es wird fantastisch. Jeder, der dabei ist, wird noch mehr begreifen, warum es sich lohnt, die Erde zu schützen“, meint die All-Anwärterin. Bei der Geburt der privaten Raumfahrt dabei zu sein, fasziniert sie nicht minder.

Ist Angst für die 34-Jährige ein Fremdwort? „Es gibt Leute, die sagen: Das ist Wahnsinn. Ja, rein theoretisch kann mich das mein Leben kosten, wenn die Technik versagt. Davon gehe ich aber nicht aus.“ Ihr Freund stehe voll hinter ihr. Mit ihrer Mutter redet sie nicht mehr über das Thema. „Das regt sie nur auf.“ Rohdes Vater verpackt seine Sorgen in die augenzwinkernde Frage: „Wer pflegt uns mal, wenn was passiert?“

Das, was sie bekommt, wiege jedoch alle Bedenken auf, meint die Hagenerin. Sie hat die deutschen Astronauten Ulf Merbold und Thomas Reiter getroffen. Den US-Astronauten Buzz Aldrin, der nach Neil Armstrong 1969 als Zweiter den Mond betrat, zählt sie bereits zu ihren „alten Bekannten“. „Und das alles kann mir schon niemand mehr nehmen.“