Castrop-Rauxel. Gute Laune ist angesagt, wenn das Westfälische Landestheater (WLT) die Kultserie „Ein Herz und eine Seele” auf die Bühne bringt. Bis auf zwei April-Vorstellungen sind alle Theaterabende ausverkauft. WLT-Fans dürfen sich auf Ekel-Alfred freuen.
Gert Becker strahlt über beide Backen und rückt dann fragend mit nichts als der Wahrheit heraus: „Das sieht man mir doch wohl an, wie depressiv wir sind, oder?” Der schnauzbärtige Mann, der da so verschmitzt dreinblickt, ist Regisseur und mit „wir” meint er die Schauspieler Jürgen Mikol, Vesna Buljevic, Verena Held, Dennis Laubenthal, Lilija Klee und Kristoffer Keudel. Die Truppe probt gerade das aktuelle WLT-Stück „Ein Herz und eine Seele” – und hat mit der legendären Tetzlaff-Familie von Wolfgang Menge einen Riesenspaß. Für Becker steht bereits jetzt fest: „Das Stück wird ein Knaller.”
Ekel Alfred wie vor 37 Jahren
Freuen dürfen sich die WLT-Fans auf jeweils eine Dreiviertelstunde „Der Silvesterpunsch” und „Der Sittenstrolch”. In beiden Fällen betritt Ekel Alfred die Bühne. Und wie seit 37 Jahren – im Januar 1973 wurde erstmals vom WDR die Serie „Ein Herz und eine Seele” ausgestrahlt – ist gegen das Ekel kein Kraut gewachsen, geschweige denn ein Schwiegersohn, eine Ehefrau, irgendwelche Nachbarn, Politiker, falsche Bundesligavereine oder der Rest der Welt.
Im Mittelpunkt steht die Bochumer Familie Tetzlaff, der Prototyp des deutschen Spießbürgertums. Angeführt werden sie von ihrem zutiefst konservativen Familienvater Alfred, der mit seinen chauvinistischen, rassistischen und frauenfeindlichen Äußerungen seine Familie regelmäßig zur Weißglut bringt – und das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Doch auch die anderen, also seine Frau Else, seine Tochter Rita und Schwiegersohn Michael tragen ihren Teil dazu bei, dass in dieser Familie von Frieden nie die Rede sein kann.
Kein Schmarrn aus Pantoffel-Fernsehzeiten
Pardon, Herr Becker, ist das nicht sattsam bekannter Schmarrn aus Pantoffel-Fernsehzeiten? „Nein. Ich finde es ungeheuer spannend, sich mit Dingen zu beschäftigen, die jeder kennt.” Und kann man das so machen, bei so starken Vorbildern? „Ganz klar, ich sage ja.” Natürlich könne bei solchen Vorbildern diese keiner aus dem Kopf fortknipsen, „aber man sollte es so gut es eben geht versuchen”, gibt Becker die Richtschnur auf den Theaterweg mit. Denn schließlich ginge es ja um den Text. „Diese Texte sind besser als man denkt, die sind fast genial.” Je häufiger man sie genieße, um so mehr merke man, dass beispielsweise der „Silvesterpunsch” überhaupt nicht abgenudelt ist. „Es ging mir darum, keine Kopien zu machen.”
Natürlich kommt es auf die Stücke an. „Die Textauswahl lag bei mir. Ich wollte unbedingt einen Knaller haben.” So las Becker alle Folgen – und stellte fest, dass viele die Dreiviertelstunde nicht durchhalten. „Da geht's ab der Hälfte abwärts.” Und auch bei Tagespolitischem heißt es aufpassen. Eins zu Eins-Übernahmen funktionieren nicht immer. Für die aktuelle Produktion bedeutet dies, dass „man nicht historisch gebildet sein muss, um da mit zu kommen, erklärt Becker. Überschwänglich lobt der Regisseur seine Truppe: „Es ist eine wunderbare Besetzung, das Paar Else und Alfred ist gar ein Traum.” Jürgen Mikol, der das Ekel spielt, ist mehr als anderthalb Köpfe kürzer als sein Gegenpart Else, was ihn im Miteinandergespräch schon mal auf den Stuhl zwingt. Becker: „Normalerweise steht er mit der Nase zwischen den Brüsten.”