Datteln/Dülmen..
Für diese Hunde ist keine Spur zu kalt. Mit sogenannten Mantrailern suchte die Polizei drei Wochen nach dem Mord an dem Dattelner Geflügelzüchter Klaus Kandaouroff nach den Tätern - und sperrte dafür gar eine Autobahn.
Rechte Pfote, linke Pfote, rechte Pfote. Aufgeregt schaukeln „Ella“ und „Boris“ hin und her, während sie aus dem Fenster des Polizei-Bullis schauen, der nahe der Auffahrt Dülmen-Nord an der A 43 parkt. Kaum ist die Tür geöffnet, nehmen sie Witterung auf. Für den schwarzen Retriever und den Setter ist die Suche offenbar ein Spaß. Für die Polizei ist sie eine Spur bei der Fahndung nach den Mördern des Dattelner Hühner-Großhändler Klaus Kandaouroff. Anscheinend ist sie die bisher beste. Deshalb lässt die Mordkommission gestern für die Suche der Hunde auch mehrfach die A 43 in Fahrtrichtung Bochum sperren. „So etwas habe ich noch nicht erlebt”, sagt Andreas Weber, Sprecher der Polizei in Recklinghausen.
Tat rekonstruiert
„Ella“ und „Boris“ haben die Beamten vom Tatort hierhin geführt. Rund 30 Kilometer. Jeden Tag ein Stückchen. Über Wege, Land- und Bundesstraßen. Die beiden können das. Sie sind Mantrailer – speziell ausgebildete Suchhunde. Sie folgen keiner Spur am Boden, sie folgen menschlichen Duftmolekülen – mikroskopisch kleinen Hautpartikeln, von denen jeder Mensch 40 000 Stück in der Minute verliert — ob er will oder nicht.
Auch nach Wochen können gute Mantrailer so eine Spur aufnehmen, egal ob es zwischenzeitlich geregnet oder gestürmt hat. Auf Teer, Sand, Beton oder Wiese. Dabei ist es unerheblich, ob der Gesuchte läuft oder auf einem Motorrad davonrast. Selbst wenn er in einem Auto gesessen hat, kann die Sache funktionieren. Reicht angeblich schon, wenn das Fenster einen Spalt offen war oder die Lüftung lief. Nur eine Geruchsprobe müssen die Hunde haben. „Hatten wir”, sagt Weber. Direkt vom Tatort ist sie und nach Ansicht der Ermittler eindeutig den Tätern zuzuordnen.
Drei Wochen ist es her, seit der 80-jährige Klaus Kandaouroff erschossen wurde. „Hingerichtet”, wie es im Ort heißt. Mit zwei Schüssen in den Hinterkopf, unmittelbar vor der Tür seiner großen Villa, die direkt neben der Firmenzentrale steht. Was die Polizei bis heute nicht bestätigen will. „Von uns kommt das Wort Hinrichtung nicht”, sagt Weber.
Überhaupt wollen die Ermittler so gut wie gar nichts bestätigen. „Aus ermittlungstaktischen Gründen”, wie es immer heißt. Deshalb wuchern seit drei Wochen die Gerüchte, wächst das Gerede. Von „Auftragskillern” spricht man nach wie vor, von der „Fleischmafia” und „dubiosen Geschäften”. Und von einem dunklen, verwackelten Video aus der Tatnacht, auf dem zwei Männer zu sehen sein sollen, die auf das Haus zustürmen, kurz nachdem die Limousine des Opfers die Auffahrt hinaufgerollt ist. Nur bei Kandaouroff selbst hält sich das Gerede zurück. „Dickkopf” und „Patriarch” ist so ziemlich das Schlimmste, was den Menschen, die ihn kannten, zu dem Mann einfällt, der sich hocharbeitete vom kleinen Geflügelzüchter zum Großhändler in Sachen Fleisch und Wurst. Und zum Hotelier.
Weber spricht von „einem schwierigen Fall”, weil „bisher kein Motiv ersichtlich ist”. Auch deshalb wird eingesetzt, was die Polizei zu bieten hat. So sind die Fahnder in der Nacht zu Sonntag noch einmal zurückgekehrt auf das Firmengelände an der Ahsener Straße, weil sie die Sicht- und Lichtverhältnisse zur Tatzeit überprüfen wollten. Was konnten die Täter sehen, wo konnten sie sich verstecken? Hinter Büsche und Bäume haben die Ermittler geguckt, sind um das große Haus und den silbernen Mercedes gelaufen, der noch so in der Auffahrt steht, wie Kandaouroff ihn geparkt hat, Sekunden bevor die Kugeln ihn trafen. Neue Erkenntnisse? „Verraten wir nicht”, sagt Weber.
Gestern Morgen steht der Polizeisprecher an der Autobahnauffahrt. Hier war die Suche letzte Woche vorerst abgebrochen worden. „Im Berufsverkehr kann man so eine Autobahn schlecht sperren.” Sonntags schon. „Jetzt hoffen wir, dass die Hunde die Spur wieder aufnehmen.” Tun sie. Kilometer um Kilometer führen sie die Fahnder Richtung Ruhrgebiet. Bis gegen 14 Uhr. Dann wird der Verkehr zu stark, eine Sperrung zu folgenreich und aufwändig. „Die Spur ist aber noch da”, stellt Andreas Weber klar. „Wir können sie jederzeit weiter verfolgen.“
„Boris“ und „Ella“ werden das gerne hören.