Ruhrgebiet. Der Schulweg ist am Ende besonders gefährlich, so der TÜV Nord. Wegen der Elterntaxis. Städte und Verbände verschärfen nun den Kampf gegen sie.

Städte, Schulen und Verbände verschärfen den Kampf gegen Elterntaxis. Das sind jene Eltern, die ihre Kinder direkt vor die Schule fahren, oft gehetzt und ohne Rücksicht auf andere Kinder und auf Regeln. Der TÜV Nord schätzt, dass jedes vierte bis fünfte Grundschulkind heute so zur Schule kommt. „Paradoxerweise sind die letzten 100 Meter Schulweg deshalb inzwischen besonders gefährlich“, so der TÜV.

Nun werden mehr Hol- und Bringzonen eingerichtet, wo man geordnet parken kann und ein Rest Fußweg verbleibt. Der ADAC und die Verkehrswacht beraten etwa Schulen und Städte und stellen die Beschilderung. „Diese Zonen sind definitiv mehr geworden“, sagt Mathias Schiffmann, der Sprecher der Landesverkehrswacht. Das Problem sei, dass „jede neue Elterngeneration damit erst bekannt gemacht werden muss“.

Bochum hat Bürgersteige abgegittert, Hattingen Karten erstellt von sicheren Schulwegen

Vor und zurück, hier vor einer Schule in Düsseldorf.
Vor und zurück, hier vor einer Schule in Düsseldorf. © Unbekannt | Jakob StudnaR


In Bottrop etwa haben drei Schulen solche Zonen. „Es kommt nicht mehr zu wuseligen, teils gefährlichen Situationen“, sagt Polizeisprecher Michael Franz. In Dortmund haben Beamte der Verkehrsunfallprävention zumindest den Eindruck, dass mehr Eltern das Problem erkennen. Jahrelange Aufklärung habe erreicht, „dass es bekannt ist, dass es Vorteile hat, wenigstens einen Teil des Schulweges zu laufen“, sagt Polizeihauptkommissar Andreas Schlüter.

In Bochum hat die Stadt Bürgersteige in der Nähe einzelner Schulen abgegittert, damit sie nicht mehr zugeparkt werden können; freilich stehen die Autos nun manchmal ganz auf der Fahrbahn. In Hattingen hat die Stadt zusammen mit Schulen und Polizei Karten erarbeitet, die die sichersten Wege rund um die Grundschulen zeigen.

Polizei erscheint in den nächsten Tagen verstärkt vor Grundschulen

Vom heutigen Donnerstag an wird die Polizei in praktisch allen Revierstädten vor einzelnen Grundschulen erscheinen, Geschwindigkeiten messen, Eltern ansprechen und demnächst zahlen lassen, die sich falsch verhalten, und Erstklässlern helfen, die Fehler machen. In Dortmund hat sie damit schon am Mittwoch begonnen – und Elterntaxis einfach durch Sichtbarkeit in die Flucht geschlagen.

Denn nur, weil zwei Streifenwagen, zwei Polizei-Motorräder und acht Uniformierte in der Grundstraße stehen, hält plötzlich niemand mehr im Halteverbot direkt vor der Schule – wie sonst immer. Manche Fahrer mit Kindern auf dem Rücksitz fahren im Schritttempo und verunsicherten Blickes vorbei, halten weit entfernt und kommen dann brav zu Fuß zurück; andere halten angesichts der Ordnungsmacht weit vorab, in der Sperrfläche vor „Stachis Dorfgrill“, und schmeißen die Kinder dort präventiv heraus. Elterntaxi? Heute: Ein Mangelhaft.

„Ich halte doch nur kurz und bin sofort wieder weg“

Hol- und Bring-Zonen werden langsam mehr in NRW, wie hier in Bottrop.
Hol- und Bring-Zonen werden langsam mehr in NRW, wie hier in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde


Mittwochmorgen, Dortmund-Dorstfeld. Vor der Funke-Grundschule ist die Polizei erschienen, um am ersten Schultag mit Eltern über Verkehrssicherheit zu reden. Vor allem über: diese Elterntaxis. Andreas Schlüter von der Verkehrsunfall-Vorbeugung der Dortmunder Polizei kennt die Situation seit Jahren, hier und andernorts. „Sie sagen dann immer, ich halte doch nur kurz und bin sofort wieder weg“, sagt der Polizeihauptkommissar. Das ist es ja gerade, sofort wieder weg: zwischen Kindern und Gegenverkehr in einer schmalen Anliegerstraße.


Die Erstklässler rollen an, und das oft buchstäblich. Und bei allem Einsatz über die Jahre sagt etwa Siegfried Klein von der Bochumer Polizei: „Es verändert sich nicht groß.“ Szenen kann er beschreiben wie etwa ein anrollendes Auto, in dem das Kind hinter dem Beifahrersitz steht, sich an der Kopfstütze festhält und den Tornister schon auf dem Rücken trägt – es muss ja gleich schnell gehen. Mütter, die ihre Kinder über Absperrgitter heben – wo ja gerade niemand durchkommen soll. Abfahrende Eltern, die zwischen ankommenden Schulkindern ihr Auto auf dem Bürgersteig zurücksetzen.

Helikoptereltern unterteilt nach „Kampf-, Rettungs- und Transporthubschraubern“

Der Erziehungswissenschaftler Albert Wunsch aus Neuss hat angesichts solcher Szenen die berühmten Helikopter-Eltern nochmals unterteilt in „Kampf-, Rettungs- und Transporthubschrauber“ – kein Wunder, dass es vor mancher Grundschule kurz vor acht Uhr morgens aussieht wie in „Apocalypse now“.

Schulleiterin Nina Rabiega: „Sie müssen die Kinder befähigen, am Straßenverkehr teilzunehmen.“
Schulleiterin Nina Rabiega: „Sie müssen die Kinder befähigen, am Straßenverkehr teilzunehmen.“ © FUNKE Foto Services | Ulrich Hufnagel


Vor der Grundschule in Dortmund-Dorstfeld gerade nicht. Wie gesagt, acht uniformierte Polizisten in einer kleinen Straße an einem klaren Tag. „Die Eltern bringen die Kinder ja in der guten Absicht, dass sie pünktlich und sicher hier sind“, sagt Schulleiterin Nina Rabiega: „Aber sie müssen da umdenken. Sie müssen ihre Kinder befähigen, am Straßenverkehr teilzunehmen.“ Rabiega schätzt, dass vielleicht 10 Prozent ihrer Schüler mit dem Elterntaxi kommen, „und bei Regen mehr“.

Unter ,Schulwegunfall’ erfasst die Polizei keine Unfälle im Elterntaxi

„Wenn ich sehe, was vor den Schulen los ist, bin ich froh, dass so wenig passiert“, sagt Siegfried Klein in Bochum. Auf Zahlen kann man dabei nicht sinnvoll zurückgreifen. Es gibt zwar die polizeiliche Rubrik ,Schulwegunfall’, und diese sind 2018 mehr geworden in Bochum (13) oder Herne (14), weniger geworden in Essen (16) oder Dortmund (19), gleich geblieben in Witten (3). Nur: Der polizeiliche ,Schulwegunfall’ erfasst nur Unfälle mit Schülern zu Fuß oder auf dem Rad, aber nicht solche im Auto.

Schlüter jedenfalls, der Unfallvorbeuger, wird am heutigen Donnerstag nochmals in die Grundstraße gehen. Auf der offiziellen Einschulungsfeier für etwa 50 Kinder und ihre Familien in einer nahen Sporthalle wird er ein paar Worte finden zum Thema Verkehrssicherheit. Und dann mit allen von der Halle zur Schule laufen. Erfahrungsgemäß nimmt sonst die Hälfte ihr Auto für diesen Weg. Sind aber auch bestimmt 400 Meter.