Dortmund.. Sergej. W hat sein Schweigen gebrochen. Er bat um Entschuldigung für den Anschlag auf den BVB und erklärte, er habe niemanden verletzen wollen.


Im Prozess um den Anschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund hat der Angeklagte Sergej W. die Tat gestanden. Er habe aber auf keinen Fall Menschen verletzen oder gar töten wollen, betonte der 28-Jährige am Montag vor dem Dortmunder Schwurgericht. Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe, denn die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen 28-fachen versuchten Mordes angeklagt. Er hatte drei Sprengsätze auf den Mannschaftsbus des BVB abgefeuert.

Mit seinem Geständnis, das nicht ganz im Sinne der Anklage (Mordvorsatz) ist, bestätigte er die umfangreichen Ermittlungen des Bundeskriminalamtes. Es war nach dem Sprengstoffanschlag am 11. April eingeschaltet worden, weil Sergej W. mit gefälschten Bekennerschreiben den Verdacht auf IS-Terroristen hatte lenken wollen.

Der Angeklagte, der bisher geschwiegen hatte, begann sein Geständnis mit einer Entschuldigung. Er bedauere seine Tat zutiefst. Er wolle sich bei den Opfern entschuldigen, aber auch bei seiner Familie. Heute könne er sich auch nicht mehr erklären, warum er den Anschlag verübt habe.

Damals habe er auf einen fallenden Kurs der BVB-Aktie spekuliert, um durch den Anschlag Geld zu verdienen. Er hatte einen Kredit über 40 000 Euro aufgenommen und damit Optionsscheine gekauft. Bei einem Kursverlust der BVB-Aktie hätte ihm diese Spekulation bis zu 500 000 Euro eingebracht.

Liebeskummer nennt er über seinen Verteidiger Carl Heydenreich als Motiv. Seine Freundin habe sich von ihm getrennt, weil sie für lange Zeit nach Australien gehen wollte. Das habe er nicht verwinden können. Er habe deshalb aus dem Leben scheiden wollen. Anwalt Heydenreich verwies darauf, dass Sergej W. sich in der Vergangenheit schon oft mit Suizidgedanken beschäftigt habe.

Wofür er das Geld benötigte, erklärte der Verteidiger dem Dortmunder Schwurgericht auch. Nicht etwa aus Eigennutz. Heydenreich: „Er wollte es seiner Familie hinterlassen.“

Er habe niemanden verletzen oder töten wollen, hatte der aus Russland stammende Sergej W., der seit seinem 14. Lebensjahr in Deutschland lebt, in gebrochenem Deutsch zuvor selbst erklärt: „Ich wollte nur einen schwerwiegenden Anschlag vortäuschen.“

Er habe den Sprengsatz deshalb so konstruiert, „dass keine Personenschäden zu erwarten waren“. Tatsächlich hatte die mit Nägeln gespickte Bombe den BVB-Spieler Marc Bartra schwer verletzt, ein Polizist erlitt ein Knalltrauma.

Mit dem Geständnis kann das Schwurgericht die Beweisaufnahme jetzt deutlich straffen. Ob wirklich „Personenschäden“ ausgeschlossen waren, werden Gutachten ergeben. Die Zeugenvernehmung eines Beamten des Bundeskriminalamtes ließ daran schon Zweifel aufkommen. Er schilderte, wie professionell und technisch korrekt die Sprengsätze aufgebaut gewesen seien.

BKA spricht von einer tödlichen Kraft der Sprengsätze

Sergej W. hatte als Anschauungsmaterial für das Gericht die Sprengsätze in seiner Haftzelle „nachgebaut“. Zwei harmlos wirkende Pappkartons lagen deshalb am Montag auf der Richterbank.

Der BKA-Ermittler sprach dagegen von einer tödlichen Kraft, die von den Sprengsätzen ausgegangen sei. Über 200 Meter weit waren die in den Bomben verborgenen Metallstifte geflogen, hatten sogar Gebäudeschäden an Häusern verursacht. BVB-Profi Marc Bartras Arm war allein durch die Druckwelle gebrochen, in die Kopfstütze an seinem Sitz waren zwei der Nägel eingedrungen.

Verteidiger Carl Heydenreich sieht dies eher als Bestätigung des Geständnisses. Wenn nur zwei von insgesamt 65 Bolzen den Bus getroffen hätten, dann habe der Angeklagte „den Bus gar nicht treffen und Menschen verletzen wollen“. Deshalb habe er den Abschusswinkel der Sprengsätze entsprechend gewählt, um menschliches Leid zu vermeiden.

Dass er doch Menschen verletzt hat, scheint ihn nach der Tat nicht weiter erschüttert zu haben. Denn das BKA hatte in seinem Computer Hinweise auf einen weiteren geplanten Anschlag entdeckt, schilderte der Beamte weiter. So habe er offensichtlich nach Seilbahnunternehmen in den Alpen gesucht. In der Anklage tauchen diese Objekte nicht auf, weil der mögliche Plan Polizei und Staatsanwaltschaft noch nicht konkret genug erschien.