Es gibt einen Speiseplan, der gut für die Welt und gut für die Menschen ist. Reporter Daniel Berg hat sie vier Wochen lang ausprobiert. Fast.

Eine Diät? Habe ich noch nicht gemacht. Heilfasten? Auch nicht. Verzicht in der Fastenzeit? Nie ausprobiert. Nun musste ich aber mal ran, schließlich ging es um was Größeres: Weltrettung. Drunter mach’ ich’s ja einfach nicht.

Die Zahlen sind verheerend: Der sogenannte Earth Overshoot Day markiert das Datum, an dem auf der Welt mehr Rohstoffe verbraucht worden sind, als während des gesamten Jahres nachhaltig gewonnen werden können. 1990 war das der 7. Dezember, 2019 wird es der 29. Juli sein. Es wird also klar: Wir leben über unsere Verhältnisse.

Auch deswegen gibt es die Planetary Health Diet, eine Diät, die 37 internationale Wissenschaftler entwickelt haben, um Mensch und Planet gesund zu halten. Alles aufs Gramm genau vorgegeben. Ich habe den Speiseplan ausprobiert. Vier Wochen lang. Fast. Ein Tagebuch.

Tag 1: Verzweiflung

Ich habe Angst, dass das Essen nicht reichen könnte. Also esse ich vorsichtshalber erst einmal – gar nichts. Espresso zum Frühstück, das war’s bis zum Mittag.

50 Gramm Nüsse darf ich. Sind schnell weg. Hilft aber nicht viel. Bisschen Obst. Reicht auch nicht. Eine nahezu sibirische Kälte macht sich gegen Nachmittag von innen breit in meinem Körper. Hunger!, höre ich mich still schreien.

Die Kinder haben Besuch, sie wünschen sich Pizza. Schmort im Backofen, während ich etwas freudlos mein Essen zubereite: Brokkoli mit Vollkornreis. Und weil ich so verzweifelt, äh hungrig bin, brate ich sogleich noch die Wochenration Hähnchenfleisch. 200 Gramm. Ein wunderbares, wärmendes Essen.

Doch nach Tag 1 steht fest: So kann es nicht weitergehen. Ich brauche eine bessere Struktur.

Tag 3: Erleichterung

Gegen die innere Hunger-Kälte hilft ein wenig der wärmende Stolz, nun schon zwei Tage durchgestanden zu haben. Es fühlt sich gut an, was ich tue, weil ich mir intensiv Gedanken darüber mache, was ich esse und wie es hergestellt wurde. Das lernt Demut vor Lebensmitteln. Hunger auszuhalten übrigens ebenfalls.

Aber die beste Nachricht ist: Ich darf mehr essen. Wegen des steten Hungergefühls habe ich einen Wissenschaftler angerufen, der an der Entwicklung der Weltretter-Diät beteiligt war. Als einigermaßen groß gewachsener, sportlicher Mann meines Alters darf ich mehr als die 2500 Kalorien der Diät zu mir nehmen. Alle pflanzlichen Werte darf ich erhöhen. Mache ich ab Woche zwei. Verzicht macht mir plötzlich Spaß.

Tag 7: Vollkornhass

Es ist ja auch meine eigene Schuld. Warum kaufe ich auch immer das gleiche Vollkornbrot? Weil es mir schmeckt. Eigentlich. Nun liegt es wieder vor mir. Ich hasse es dafür, dass es da liegt und vor allem, dass es kein noch warmes Brötchen ist.

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Eine Woche ist rum und ich bemerke, wie ich mich still frage, ob das nicht eigentlich auch schon eine ganz beachtliche Zeit ist. Im Sinne von: lange genug, um aufzuhören.

Denn ich hatte gehofft, dass so etwas wie eine Gewöhnung eintritt. Dass ich mich vielleicht besser fühlen würde, weil ich den geliebten, aber giftigen Zucker weglasse. Dass ich konzentrierter oder leistungsfähiger bin. Bin ich aber nicht. Genauer gesagt fühle ich mich schlapper beim Sport und gereizter im Alltag. Schaaatz? Kinder? Wollt ihr was dazu sagen? Möchten sie nicht. Ist grad ein bisschen dicke Luft.

Tag 12: Hypothek

Der Gedanke durchzuckt mich seit Tagen immer häufiger: hinschmeißen, abbrechen, Kühlschrank plündern. Maximale Selbstbeherrschung. Bis heute. Kleine Geburtstagsfeier. Kuchen am Nachmittag, Pizza und Cola am Abend.

Verheerender Rückschlag.

Reue?

Weiß nicht. Vielleicht ein bisschen. Es war schön, die Weltrettungspläne mal kurz in wohlschmeckendem Zucker und fließendweichem Käse zu ersticken.

Aber schon kurz danach weicht die Zufriedenheit der Gewissheit, dass es weitergehen muss. Und dass ich versuchen sollte, die zu viel gegessenen Einheiten wieder einzusparen in den kommenden Tagen. Eine Hypothek.

Tag 19: Teilzeitretter

Das Wochenende steht vor der Tür. Ich erwähne das, weil das Wochenende – der liebgewonnene Freund – zum Feind geworden ist. Es umarmt dich mit seiner Zeit. Aber es attackiert dich hinterrücks mit seinen vielen furchtbaren Versuchungen: ein ausgedehntes Frühstück (ohne Vollkornbrot!!!), ein Treffen mit Freunden, die Pommesbude beim Fußballspiel des Sohnes. Ich widerstehe oft, aber nicht immer.

Weltrettung? Doch nicht am Wochenende. Das wäre ja ein Fall für die Klimasündergewerkschaft.

Immerhin: Der Wissenschaftler hat mir die Beichte zu meiner Pizza-Kuchen-Cola-Eskalation abgenommen. Der Käse ruiniert die Bilanz, Süßigkeiten aber haben keinen großen CO2-Abdruck. Damit schädige ich nur mich, nicht den Planeten. Das wird ja wohl noch erlaubt sein, oder? Ein Eis, bitte ...

Tag 23: Bohnenaufstrich

Wenn mir einer mal prophezeit hätte, dass ich in Gesellschaft ein italienisches Restaurant betrete, um dort von Köstlichkeiten umgeben lediglich eine heiße Zitrone zu bestellen, dann hätte ich ihn für durchgeknallt erklärt. Ist aber genau so geschehen.

Arbeitskollege Jürgen hat Geburtstag. Gibt Donuts. Ich. Gehe. Einfach. Vorbei. Kein Problem. Fast.

Ich bemühe mich wirklich. Ich versuchte Hafer- und Mandelmilch statt Vollmilch, aber das ist nichts für mich. Ich aß Rote Linsen, die sich als Nudeln verkleideten und einen vegetarischen Bohnenaufstrich haben wir jetzt auch zu Hause. „Schmeckt wie Leberwurst“ steht darauf. Nicht so richtig mein Fall.

Tag 25: Kapitulation

14 Gramm Schweine- oder Rindfleisch sieht meine Diät pro Tag vor. Also habe ich mir da gerade eben etwa 30 bis 40 Tagessätze einverleibt. Hut ab.

Ich bin nicht sehr stolz darauf, aber ich werbe um Verständnis und Nachsicht: Es war ein herrlicher Tag, keine Arbeit, Sonne, nette Gesellschaft und ein betriebsbereiter Grill. Was soll man da tun? Einen Maiskolben nehmen? Vielleicht als Beilage.

An diesem Tag also steht fest: Ich bin trotz großer Anstrengungen und bester Absichten gescheitert. Auf der Zielgeraden bin ich aus dem Rennen gekippt. Aber so unrühmlich soll es nicht enden. Einen Tag oder vielleicht sogar das ganze Wochenende mache ich noch. Um mich zu versöhnen. Mit der Diät. Mit dem Planeten.

Tag 26: Versöhnung

Zu wissen, dass es vorbei ist, setzt noch einmal ein paar Kräfte frei. Plötzlich sehe ich meine 50 Gramm Nüsschen und die 75 Gramm Hülsenfrüchte mit anderen Augen. Am Abend höre ich mich sagen: „Irgendwann reicht es auch bald mal.“ Irgendwann ist jetzt. Aus. Vorbei.

Was bleibt? Das Gefühl, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, was man isst und wie es produziert wird. Das Wissen, dass Butter, Rindfleisch und Milch zu den größten Sünden zählen. Die Gewissheit, dass die drei Kilogramm, die ich zwischenzeitlich eher zufällig als planmäßig abgenommen hatte, wieder zurück sind. Und der Vorsatz, in Zukunft nachhaltiger zu essen. Nur bitte nicht den Bohnenaufstrich.