Bochum. Handarbeit als Hobby ist zurück. Junge Menschen lassen regelmäßig bei öffentlichen Strick- und Handarbeitstreffen die Nadeln klackern und die Maschen fallen. Was ist der Grund für die wiedergewonnene Wolllust? Auf Spurensuche im Bochumer Bullerbüdchen.
Im Ruhrgebiet wird wieder zur Nadel gegriffen, das Stricken ist zurück. Betroffen sind vor allem Frauen. Doch vereinzelt sollen auch Männer öffentlich zur Masche greifen. Auf Spurensuche in Bochum.
„Ja, es gibt auch einen Mann in unserer Runde“, sagt Veronika und blickt von ihren Nadeln auf. Manuel soll er heißen, von Beruf Automechaniker. Was ist seine Masche? Strickt er sich einen neuen Blaumann oder genießt er die Gesellschaft von Frauen, die sich an verschiedenen Orten Bochums regelmäßig zur Handarbeit treffen?
Stricken entspannt
Die Frage bleibt offen, denn ins Bochumer Bullerbüdchen ist der strickende Mechaniker an diesem Abend nicht gekommen. Dafür rund 15 strickbegeisterte Frauen, die gemeinsam die Nadeln klackern lassen. Vor jeder liegt natürlich ein Wollknäuel auf dem Tisch, bei manchen steht daneben eine Flasche Gerstensaft: „Stricken und Bier entspannt“, erklärt Veronika ihre Kombination für den Feierabend und gönnt sich einen Schluck. Auch ohne alkoholischen Beistand hat die Handarbeit etwas Beruhigendes, fast Meditatives: zwei Hände, die immer im gleichen Rhythmus den Wollfaden über die Nadel schwingen und Masche für Masche aus einem Knäuel Socken, Schal, oder Pulli entstehen lassen. Einige der Strickjünger sind dabei vollkommen in sich gekehrt, haben nur ihre Nadeln im Blick.
Strickunterricht auf Youtube
Anna hingegen schenkt dem, was ihre Hände da gerade in windeseile fabrizieren, kaum Beachtung. „Mit 20 habe ich wieder angefangen“, sagt die 36-Jährige, während sie ihrem Gesprächspartner unablässig in die Augen schaut, „seitdem strick ich durch“. Sie ist der Profi in der Runde, keine strickt so schnell wie sie. Wie bei einer Maschine reihen sich die Maschen an ihrer Nadel halbsekündlich aneinander – schnell und trotzdem elegant. Doch die Strickmeisterin will dazulernen. Erst kürzlich habe sie sich im Internet ein Lehrvideo über die Kunst des „magischen Maschenanschlags“ angesehen. Youtube und Co. als Stricklehrer, darauf setzen auch die Anfänger.
"Stricken wurde früher immer mit Hausfrauen in Verbindung gebracht"
Früher, da seien es Mutter oder Großmutter gewesen, die ihren Töchtern oder Enkelinnen das Stricken beigebracht haben, heute stricke doch kaum eine Mutter mehr, sagt Anna. Woran liegt es, dass das Stricken so aus der Mode gekommen war?
„Es wurde halt immer mit Hausfrauen in Verbindung gebracht“, lautet Veronikas Erklärung.
[kein Linktext vorhanden]Offene Stricktreffs im Ruhrgebiet
Die Neo-Stricker erfüllen sich mit der Handarbeit den Wunsch nach Indivualität, nach eigener Mode, die es nicht an der Stange zu kaufen gibt. In Bochum treffen sich Strickbegeisterte regelmäßig im Bullerbüdchen, der Spam-Galerie oder sonntagsnachmittags ab 15 Uhr in der Goldkante. Auch im Essener Unperfekthaus gibt es regelmäßige Strick- und Häkeltreffen.
Das Stricken hat mehrere Generationen erfasst, 20-Jährige hängen genauso an den Nadeln wie 50-Jährige. Nur die Männer, die hat die Stricklust wohl immer noch nicht gepackt. Warum die Nadeln aber auch heute noch fest in weiblicher Hand sind, kann sich auch Strickerin Veronika nicht erklären: „Es gibt ja sogar die Theorie, dass das Stricken von norwegischen Anglern erfunden wurde, die zunächst Fischernetze gestrickt haben“.