Iserlohn.. Schausteller kämpfen um den Erhalt des Charakters der Jahrmärkte und wehren sich gegen zu viele Trink- und Essstände. Die Zahl der Volksfeste in Deutschland sinkt. Schaustellerverband zählte in diesem Jahr sieben Kirmes-Unfälle.
Rund 150 Millionen Menschen haben in diesem Jahr Volksfeste besucht, die meisten davon in NRW. Am Freitag warnte der Deutsche Schaustellerbund bei seiner Hauptvorstandssitzung in Iserlohn davor, dass sich der Charakter gerade der kleineren und traditionellen Kirmes-Veranstaltungen verändern könnte.
Das Bild vieler Kirmesveranstaltungen ändert sich – und nicht nur, weil die Karussells und Achterbahnen moderner aussehen. Aus kommerziellen Gründen vergeben Veranstalter schon mal lieber Standplätze an Bier- und Essstände – die bringen mehr Einnahmen als ein Kinderkarussell. Die Schausteller wehren sich gegen diese Tendenz, weil sie die Atmosphäre der Kirmes kaputt machen würde. Traditionsveranstaltungen würden zudem sterben, wenn sie aus der Stadt verlegt werden. Die Schausteller bemühen sich derzeit darum, dass jahrhundertealte Jahrmärkte in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen werden. Das würde eine Verlagerung raus aus der City verhindern, hoffen sie.
Zudem haben die Schausteller mit hohen Gebühren zu kämpfen: „Die gerade beendete Soester Allerheiligenkirmes ist die teuerste in Deutschland, was die Standgebühren angeht“, klagt Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes. Zusammen mit hohen Stromkosten werden manche Veranstaltungen für kleinere Anbieter unbesuchbar.
Umweltzonen als Hindernis
Ein bislang unlösbares Problem stellen die Umweltzonen in vielen Innenstädten dar. „Viele Zugmaschinen haben kein Umweltsiegel, weil sie sehr alt sind. Das wiederum liegt daran, dass sie nicht viel gefahren werden – sondern nur die Fahrgeschäfte wie Riesenräder oder Schießbuden in die Stadt fahren – „und dann nur herumstehen.“ Die Schausteller drängen auf eine Sondergenehmigung. „Unsere alten Fahrzeuge nach Afrika verkaufen, wo sie viel fahren und die Umwelt entsprechend mehr verschmutzen, ist doch keine gesamt-ökologische Lösung“, sagt Schausteller-Präsident Ritter.
Weihnachtsmärkte helfen
Die Zahl der Volksfeste in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren von rund 10 000 auf 9500 zurückgegangen. Schausteller begegnen dem, indem sie Karussells und Verkaufsbuden auf Weihnachtsmärkten, Kaufhaus- und Tankstelleneröffnungen aufstellen. Um sich auf die älter werdende Bevölkerung einzustellen, appellieren die Schausteller an Städte, Kirmesplätze barrierefrei herzurichten. An langsamere, seniorengerechte Achterbahnen sei aber nicht gedacht, sagt der Schaustellerpräsident.
Was ist mit der Sicherheit?
In diesem Jahr haben sich auf Kirmes-Veranstaltungen in Deutschland sieben schwere Unfälle ereignet. Zum Vergleich: 2009 waren es fünf, 2010 vier, 2011 drei schwere Unfälle. Einer der Unfälle in diesem Sommer passierte in Gevelsberg. Materialermüdung eines Bolzen führte dazu, dass im „Musikexpress“ ein Waggon aus der Verankerung riss. Sieben Menschen wurden teils schwer verletzt. Das Fahrgeschäft war TÜV-abgenommen, doch das konnte den Unfall nicht verhindern. „Uns ist an höchsten Sicherheitsstandards gelegen“, sagt Frank Hakelberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Schaustellerbundes. Aus Fürsorge um die Fahrgäste, aber auch weil ein Unfall ein finanzielles Fiasko für Betreiber und Kirmes insgesamt ist.
Deshalb wurde kürzlich eine Verschärfung der Sicherheitsüberprüfungen beschlossen. Bei Sonderprüfungen von Karussells etc. würden künftig nicht mehr nur 20 Prozent aller hochbelasteten Teile, sondern im gewissen Turnus alle geröntgt bzw. per Ultraschall untersucht.
Dass Fahrgeschäfte überaltert seien, streiten die Schausteller ab. Obwohl es zunehmend schwierig werde, Kredite für Neuanschaffungen zu bekommen, würde es nach wie vor viele Innovationen und Investitionen geben.
Nach Schlägerei auf Allerheiligenkirmes gestorben
Der 50-jährige Mann, der in der Folge einer Schlägerei auf der Soester Allerheiligenkirmes schwere Kopfverletzungen erlitt, ist am Donnerstagabend gestorben. Gegen den mutmaßlichen Täter, einen 18-jährigen, wird jetzt wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt.
Die Schausteller betonten gestern, dass solche Schhlägereien kein Kirmes-typisches Phänomen seien. „Man kann nicht jedes Problem, das auf einer Kirmes ausgetragen wird, ursächlich der Veranstaltung zuordnen“, sagt Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes.