Essen. Der längste Tag des Jahres, die Sommersonnenwende, ist vorüber - Zeit eine Bilanz des ersten Wetterhalbjahrs zu ziehen: Es startete mit unterkühltem Frühjahr, hatte einen Sommeranfang in den Fluten und nun eine kurze Hitzewelle mit anschließendem Gewitter-Chaos.
Mit der Sommersonnenwende am Freitag ist traditionell das meteorologische Bergfest des Jahres geschafft. Ganze 16 Stunden und 36 Minuten war die Sonne am längsten Tag des Jahres am Himmel: von 5.14 bis 21.51 Uhr - theoretisch. Viele Menschen im Ruhrgebiet werden sie kaum gesehen haben, da sie damit beschäftigt waren ihre Keller auszupumpen. Nun werden die Tage wieder kürzer und die Nächte länger – dabei steckt das düstere Frühjahr noch vielen in den Knochen. Erst Kälte, dann Hochwasser, jetzt eine plötzliche Hitzewelle gefolgt von schweren Gewittern: Anlass genug für einen Rückblick auf ein Wetterhalbjahr des eher extrem war als angenehm.
Auch interessant
Was haben wir gezittert und geschimpft als Winterwetter, Frost und teils auch Schnee sich bis in die Frühlingsmonate hinzogen. "Das Frühjahr war deutlich zu kühl", bestätigt Meteorologe Andreas Neuen und ruft frostige Erinnerungen wach. Der Wetterexperte des Bochumer Wetterdienstes Meteomedia resümiert: "Bis in den Mai wichen die Durchschnittstemperaturen in NRW um einen halben bis drei Grad Celsius von den Normen ab."
Kälte, Schneestaus und sonnenlose Stunden
Ungewöhnlich frostige Tage brachte vor allem der März. "Mit durchschnittlich 2,6 Grad lagen die Temperaturen in NRW mehr als drei Grad unter dem Mittelwert", erklärt Neuen. Und auch die Sonne präsentierte sich ihren Anbetern scheinbar nur ungern in diesen ersten Monaten. Andreas Neuen: "Im Januar haben wir normalerweise um die 55 Sonnenstunden in NRW. Dieses Jahr waren es gerade einmal 20."
Auch der vermeintliche "Wonnemonat" Mai wurde mit 154 statt bis zu 200 sonnigen Stunden und ungewöhnlich viel Regem seinem Namen nicht gerecht. 100 Liter Wasser tropften dem Meteorologen zufolge pro Quadratmeter herab. Sonst seien es 70. "Ansonsten war das erste Halbjahr in NRW aber häufig viel zu trocken", sagt der Wetterexperte. Im April fielen im ganzen Monat nur 18 Liter Regen pro Quadratmeter. Sonst regnet es drei mal so viel.
Autofahrer und Pendler hatten dafür mit ständigen Neuschnee-Attacken zu kämpfen. Bis zu 600 Kilometer Stau gab es im Februar auf den teils schliddrigen Autobahnen in NRW. Wer im April optimistisch auf Sommerreifen gewechselt hatte, lief Gefahr, zumindest im Süden und Osten des Landes sein weißes Wunder zu erleben. Mehrere Zentimeter Neuschnee drohten in manchen Regionen. Umso überraschender ist es da, dass die Schneemenge in diesem Jahr aber dennoch "beim Normalwert lag", wie Neuen erklärt.
Regenmassen werden zu Hochwasser
Weniger gewöhnlich waren hingegen die folgenschweren Regenfälle, die besonders im Osten und Süden des Landes für katastrophale Hochwasser sorgten. Die Pegelstände stiegen auf Rekordhöhen. Von einer Jahrhundertflut war vielerorts die Rede. Besonders entlang der Elbe stehen noch immer Regionen unter Wasser. Nur langsam fließen die Fluten ab.
Besonders Ende Mai und Anfang Juni regnete es außergewöhnlich viel. Am 1. Juni etwa fielen Wetter-Mann Neuen zufolge am Alpenrand rund 100 Liter pro Quadratmeter. "An diesem Tag regnete es stärker als sonst in einem ganzen Monat", so der Wettermann. Rhein und Ruhr blieben hingegen weitgehend verschont von den Wassermassen. "Der Rheinpegel ist leicht erhöht, das ist nicht ungewöhnlich." Die Ruhr habe gar nichts abbekommen.
Das Grollen nach der Hitze
Kurz und intensiv kam in den letzten Tagen dann aus heiterem Himmel die Hitze übers Land. "Der Südwind hat die heiße Luft aus der Sahara zu uns getragen", erklärt Andreas Neuen. Bundesweit stieg das Thermometer auf bis zu 38 Grad. In manchen Teilen des Landes sprengte die plötzliche Hitze Autobahn-Beläge und sorgte für gefährliche Situationen auf den Fahrbahnen. Ein Motorradfahrer kam ums Leben, als sich vor ihm die Fahrbahn anhob.
Doch schon in der Nacht zum Donnerstag beendeten die Tiefs "Manni" und "Norbert" im Westen die Hitzewelle. Blitz und Donner, Starkregen, Hagel und Sturmböen hielten nachts Regionen im Nordwesten Deutschlands in Atem. Auch tagsüber zogen Gewitter und Unwetter über NRW und weitere Teile des Landes hinweg.
Hundertjähriger Kalender sagt durchwachsenes zweites Halbjahr voraus
Wie die Monate nach der Sonnenwende aussehen, vermag Meteorologe Neuen nicht zu sagen. Ein paar schöne Sonnentage, vor allem aber einen früh einkehrenden Winter kündigte hingegen Abt Mauritius Knauer schon im 17. Jahrhundert für das Jahr 2013 an.
In seinem Hundertjährigen Kalender sagt Knauer nach einem durchwachsenen Juli einen recht sonnigen August voraus. Aber schon im September soll der erste Frost kommen. Bleibt zu hoffen, dass der Abt mit seiner wenig erbaulichen Botschaft daneben gegriffen hat.