Essen. Die Kunden kamen spät, Weihnachtsgefühle gar nicht. Beobachtungen vom ersten Adventssamstag im Revier . Momentaufnahmen, oft sehr subjektiv.
High-Noon in der Fußgängerzone Essen. Vier Samstage noch bis Heiligabend, aber auf der Kettwiger Straße ist der Andrang gegen Mittag überschaubar. So wie in Bochum, Duisburg, ja selbst in Dortmund. So wie Politik und Virologen es gehofft und Händler befürchtet haben. Nur in Düsseldorf, wird später jemand erzählen, ist es schon recht früh recht voll. Vor allem in den Luxusläden.
Wobei „voll“ ja auch eine Empfindung ist. Beim Käufer wie beim Verkäufer. „Fast wie immer“, findet der Verkäufer in einem Modeladen die Zahl der Menschen in der Stadt. „Viel weniger als sonst“, klagt die Blumenhändlerin ein paar Meter weiter. Und wenn man in Essen abbiegt in die Limbecker Straße, wird der Platz schon knapper, allein weil die Straße nur noch halb so breit ist. Und im Einkaufscenter Limbecker Platz herrscht am frühen Nachmittag bereits reger Betrieb. Im Centro Oberhausen ist es da schon „richtig voll“, wie ein Besucher findet. „Allerdings nicht halb so voll wie am
Black Friday
.“
Je später der Tag, desto länger die Schlangen
Überhaupt gilt: Je später der Tag, desto länger die Schlangen vor manchen Geschäften. Vor den ganz günstigen und den ganz teuren Läden heißt es dann warten zwischen Tannenbäumen. Wo man am Morgen noch ungehindert an der Security mit dem Zähler in der Hand vorbeischlendern konnte, steht man nun an. Fünf, zehn, manchmal 15 Minuten.
„Das nervt“, findet Senja (22), die mit ihrem Freund Marcel (24) vor der Filiale einer Modekette steht, „weil es den Pulli, den ich mir zu Weihnachten wünsche, nur hier gibt“. Und ein paar Meter hinter ihr haben zwei junge Männer die Nase voll und gehen wieder. „Das dauert viel zu lange. Ich bestelle lieber im Internet“, verkündet Oliver (32). Wenn man den Postboten sieht, der in den Nebenstraßen die Pakete in großen Stapeln zu den Häusern trägt, ahnt man: Oliver ist kein Einzelfall.
„Es macht sich zunehmend Hoffnungslosigkeit breit“
Marc Heistermann, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nordrhein-Westfalen Ruhr und damit zuständig für den Einzelhandel in den Städten Essen, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen, kennt die Problematik. Die Lage im stationären Einzelhandel sei „dramatisch“, denn die Rücklagen seien bei vielen aufgebraucht. „Es macht sich zunehmend Hoffnungslosigkeit breit.“ Manche wären mittlerweile froh, wenn sie per Gesetz schließen müssten. „Dann würden sie wenigstens Hilfen bekommen.“
Angesichts der Konkurrenz aus dem Netz habe man viele Ideen entwickelt, um den Menschen im echten Leben auch ein echtes Einkaufserlebnis zu bieten. „Aber wegen Corona können wir davon nun kaum etwas umsetzen. Ein Problem, das auch viele Städte haben. Auch sie hatten Pläne, die in der Pandemie geplatzt sind. „Bloß nichts machen, was für Menschenaufläufe sorgen könnte“, sind sich Christian Gerlig, Sprecher von Bochum Marketing, und Florian Hecker von Essen-Marketing einig. „Wir können nur versuchen, Atmosphäre zu schaffen.““
„Der Weihnachtsmarkt fehlt einfach“
Zusätzliche Weihnachtsbäume wurden dafür in Bochum aufgestellt und dort – wie in Essen, leuchtet es nach Einbruch der Dunkelheit zumindest so hell wie in den Vorjahren, wenn nicht sogar ein wenig heller. „Ja, schön“, findet Kirsten Wunderlich in der Bochumer Fußgängerzone, „aber nicht so schön wie sonst.“ Kein Mandelduft, kaum Kunsthandwerk, „der Weihnachtsmarkt fehlt einfach.“ Das sehen Werner und Gerda Macey ähnlich. „Normalerweise treffen wir uns nach dem Einkaufen mit Freunden am Glühweinstand, in diesem Jahr werden wir sofort wieder nach Hause fahren.“
Spät am Nachmittag ist es doch noch voll geworden – zumindest auf den Einkaufsmeilen in Essen und Dortmund und den meisten Shopping-Malls. Susanne Haffner steht in Dortmund in der Schlange vor einem Schmuckgeschäft. Eine Uhr will sie erstehen, „und so etwas fasst man an, bevor man es kauft“. Sie hat auch eigentlich keine Lust, „fünf Dinge im Internet zu bestellen, von denen ich vier wieder zurückschicke“. Trotzdem wird sie es in diesem Jahr wohl machen. Maske, Abstand, Desinfizieren – „alles richtig und wichtig in dieser Zeit“, sagt die 48-Jährige. Aber einkaufen unter diesen Bedingungen macht einfach keinen Spaß. Man hat immer ein ungutes Gefühl im Geschäft. Hoffentlich ist das alles bald vorbei.“