Essen. Nicht bei allen Gerichten läuft der 3G-Zugang problemlos. Und in Essen zögert der Präsident des Amtsgerichtes aktuell noch mit einer Impfung.

Die Änderung der Coronaschutzgesetze und -verordnungen hat ausgerechnet Teile der Justiz auf dem falschen Fuß erwischt. So wird im Gegensatz zu vielen Betrieben an dem Land- und Amtsgericht Essen erst ab kommenden Montag mit strengeren Kontrollen im Eingangsbereich überwacht, ob sich alle Mitarbeiter an die 3G-Regel halten.

Das liegt aber offenbar nicht daran, dass mit dem Präsidenten des Essener Amtsgerichtes, Karl-Heinz Volesky, ein Ungeimpfter die Behörde leitet. Denn an der Spitze des im selben Gebäude untergebrachten Landgerichtes Essen sitzt mit Präsidentin Gudrun Jockels eine nach eigenen Worten doppelt geimpfte Frau. „Sie befürwortet ausdrücklich jede Impfaktion“, versichert Landgerichtssprecher Thomas Kliegel.

Gesetzesänderung zu schnell für die Justiz?

Vermutlich ist das geänderte Infektionsschutzgesetz für manche Justizbehörden einfach zu schnell gekommen. Man hätte zwar schon nach der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18. November wissen können, was von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ab dem 24. November verlangt wird. Aber NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) hat ja erst in einem Erlass vom 23. November exakt vorgeschrieben, wie mit der Änderung umzugehen ist.

Vorschrift ist wie in jedem Unternehmen, dass Ungeimpfte vor Antritt ihrer Arbeit mit einem Test nachweisen müssen, dass sie geimpft, genesen oder nicht infiziert sind.

Auch Landgericht Dortmund ohne Kontrolle am Eingang

Auch am Landgericht Dortmund gibt es am Eingang keine Kontrolle. Die Mitarbeiter müssen aber an einer bestimmten Stelle ihren 3G-Status nachweisen. Gerichtssprecherin Nesrin Öcal versichert, dass der Weg dorthin geregelt sei: „Es wird kein Umherirren von Mitarbeitern im Gebäude geben.“

Ein Problem der Gerichte ist sicher, dass neben den Mitarbeitern auch das „rechtsuchende Publikum“ durch denselben Eingang kommt. Und dem wird der Zugang laut Erlass weiterhin ohne 3G-Nachweis ermöglicht. Gerichtsverhandlungen sind halt öffentlich. Angeklagte und Zeugen haben zu kommen.

Justiz hinkt technisch hinterher

Viele Rechtsgeschäfte, ein weiteres Problem, lassen sich nicht online erledigen, weil persönliches Erscheinen oder eine eidesstattliche Versicherung vorgeschrieben sind. In manchen Bereichen hinkt die Justiz auch technisch hinterher. So ist sie erst jetzt dabei, in den ersten Abteilungen die elektronische Akte einzuführen. Wäre dieser Schritt früher erfolgt, könnten auch mehr Mitarbeiter im Home Office arbeiten.

Hinzu kommt, dass Rechtsanwälte und Schöffen keine „Mitarbeiter“ der Gerichte sind. Das führt zu Unmut. Richter klagen, sie säßen in Verhandlungen neben den ehrenamtlichen Richtern. Und über die wisse niemand, ob sie geimpft, genesen oder getestet seien. „Wir schützen uns und andere Menschen, aber wenn wir Pech haben, sitzt an unserer Seite ein Infizierter“, sagt ein Richter.

Essener Gerichtspräsident lehnt Impfung bisher ab

Selten ist aber trotz all dieser Schwierigkeiten, dass an der Spitze einer Behörde, die das Regelwerk umsetzen soll, ein Ungeimpfter steht. Im Gespräch mit der WAZ lässt der 62 Jahre alte Karl-Heinz Volesky, Präsident des Amtsgerichtes Essen, aber keinen Zweifel, dass Regeln zu befolgen sind. Natürlich auch von ihm: „Sicher, auch ich lege morgens meinen Test vor.“

Er will sich auch nicht als Impfgegner oder -skeptiker einordnen lassen: „Ich habe ja auch Impfungen gegen andere Krankheiten.“ Vermutlich trifft auf ihn das neue Etikett „Impfzögerer“ zu, denn aktuell „überdenke ich meine Haltung“, sagt er. Zu einer Entscheidung ist er noch nicht gekommen.

Bedenken gegen mRNA-Impfstoffe

Bedenken habe er nur gegen die mRNA-Impfstoffe – also die, die heute injiziert werden. Er warte auf einen Totimpfstoff, sagt er. Das hatte letztens auch der ungeimpfte Bayernspieler Joshua Kimmich verlauten lassen und sich damit die Kritik vieler Wissenschaftler eingehandelt.

Volesky hält dem entgegen, dass nach seiner Einschätzung „die Wissenschaftler weltweit uneins sind“. Er sei zwar medizinischer Laie, verfolge aber, wie Studien zustande kämen: „Ich beobachte das sehr sorgfältig.“

Kritische Haltung zu Empfehlungen von RKI und Stiko

Ob er denn kein Vertrauen in das Robert-Koch-Institut (RKI) oder die Ständige Impfkommission (Stiko) habe? Oder in die ihm, dem Gerichtspräsidenten, vorgesetzten Behörden wie Landes- oder Bundesregierung, die eindringlich das Impfen empfehlen? „Die halten sich an das RKI und andere Einrichtungen. Das sehe ich kritisch.“

Unter vielen Mitarbeitern der Gerichte, seien es Richter oder Nicht-Richter, Frauen oder Männer, wird eher seine Impfverweigerung kritisch gesehen. Ein Richter, der nicht genannt werden will, erzählt von einer Ärztin aus seinem Bekanntenkreis, die nichts vom Impfen hält: „Sie empfahl mir ein Buch, damit ich meine positive Haltung zum Impfen mal überdenke. Da habe ich ihr gesagt: Und wenn ich das gelesen habe, dann bin ich also schlauer als die Experten vom RKI und der Stiko, die sich ständig mit dem Thema befassen?“