Essen. Der Essener Obdachlose soll versucht haben, einen Mann zu ermorden. Vor Gericht beleidigt er zunächst fast alle im Saal.

Achtmal soll Erjon K. (35) einem Obdachlosen in der Essener City ein Küchenmesser in den Oberkörper gestoßen haben. Er will sich von dem 71-Jährigen beleidigt gefühlt haben. Seit Freitag muss er sich wegen versuchten Mordes vor dem Essener Schwurgericht verantworten.

Der Angeklagte gehört selbst zur Essener Obdachlosenszene. Am Morgen des 16. Mai kam es laut Anklage zu einem Streit der beiden vor der Tagesaufenthaltsstelle für Obdachlose in der Maxstraße. Der 71-Jährige habe den Angeklagten, der aus Albanien stammt, mit fremdenfeindlichen Sprüchen beleidigt.

Mit Küchenmesser in den Oberkörper gestochen

Den Tag über sei Erjon K. wegen dieser Äußerung immer wütender geworden. Gegen 18 Uhr sah er dann den 71-Jährigen in der Hachestraße, als dieser gerade mit Einkäufen von Lidl im Hauptbahnhof unterwegs war. Ohne Vorwarnung soll er seinem Kontrahenten mit einem Küchenmesser in den Oberkörper gestochen haben.

Obwohl die Klinge mit acht Zentimetern Länge vergleichsweise klein war, eröffneten zwei Stiche die Bauch- und die Brustkorbhöhle. Beide Verletzungen seien akut lebensbedrohlich gewesen. Passanten hatten eingegriffen und dem Opfer das Leben gerettet

Angeklagter räumt die Stiche ein

Erjon K. hat kein Problem, die Stiche einzuräumen. Von Reue ist gar keine Rede, denn er scheint es als seine Pflicht zu sehen, auf eine Beleidigung derart zu reagieren - auch wenn Stunden dazwischen liegen. Der 71-Jährige habe morgens gesagt, man solle alle Muslime töten, sie in die Gaskammer stecken. Darauf hat er anfangs wohl noch gelassen reagiert: "Ich sagte, Muslime haben keinen Weltkrieg angefangen, haben keine Indianer ausgerottet."

So differenziert gibt er sich nicht den ganzen Verhandlungstag über. Den 71-Jährigen beleidigt er als "Nazi", als "sch... Glatzkopf". Auch Richter Jörg Schmitt geht er direkt an: "Ich frage mich, warum Sie den Fall angenommen haben? "Weil ich einen Tatverdacht sehe", antwortet der. Erjon K. darauf: "Ich hörte, Sie sind auch ein Nazi, weil nur Nazis diese Fälle annehmen."

Richter lässt sich nicht beleidigen

Schmitt geht er noch einige Male so an. Aber der lässt sich nicht erschüttern: "Ich kann mir aussuchen, von wem ich mich beleidigen lasse." Tatsächlich hat die Kammer bereits im Vorfeld nach dem Studium der Akte den Hinweis gegeben, der Angeklagte möge auf seine Schuldfähigkeit psychiatrisch untersucht werden. Zu prüfen sei, ob er in der geschlossenen Psychiatrie oder in einer Entziehungsanstalt unterzubringen sei.

Die Gelassenheit des Richters hört auf, als Erjon K. auch noch den Psychiater Frank Sandlos beleidigt. Das unterbindet Schmitt.

Angeklagter sieht keine Heimtücke

Juristische Kenntnisse offenbart der Angeklagte ebenfalls: "Wer schreibt da was von Heimtücke rein? Der Dieter wusste doch seit langem, dass ich ihn hasse." Vor den Messerstichen hat er auch Strafanzeige wegen Beleidigung bei der Polizei erstattet. Er versteigt sich zu der These, es sei eine Heldentat, Nazis zu töten. Richter Schmitt denkt an die Beleidigung seiner eigenen Person: "Ist es auch eine Heldentat, mich zu töten?" Aber bei dieser Antwort weicht der Angeklagte aus.

Er erzählt dann lieber vom Judentum, als ob er selbst dazugehöre. Ob er mal Muslim war, auch das wird nicht ganz klar. Vier Sitzungstage bis zum 10. Januar hat die Kammer noch Zeit, diverse Fragen zu klären.