An Rhein und Ruhr. Maske, Testpflicht, Sitzordnung: Das Land NRW schreibt vor, welche Regeln für Kinobesucher gelten. Doch selbst die Betreiber haben viele Fragen.
Auf die Kinoplätze, fertig, los: Am 1. Juli öffnet ein Großteil der rund 270 Kinos in NRW seine Pforten. Ausgelassene Vorfreude will bei den Betreibern aber nicht aufkommen. Noch immer gibt es zu viele Ungereimtheiten bei den Corona-Auflagen. Maskenpflicht, Mindestabstände, Sitzordnung im Schachbrettmuster – was genau gilt jetzt eigentlich für Kinobesucher? Darüber sind sich die Betreiber nicht im Klaren. Wir haben mit dem NRW-Gesundheitsministerium und zwei frustrierten Kino-Chefinnen gesprochen.
„Wir waren jetzt seit Beginn der Pandemie knapp elf Monate geschlossen“, erzählt Heidrun Grießer, die zusammen mit Tochter Heike die Dinslakener Lichtburg betreibt. „Wir sind natürlich sehr erleichtert, wobei wir erstmal die Corona-Bestimmungen neu studieren müssen.“ Die Auflagen des Landes NRW teilen sich – wie in vielen anderen Bereichen auch – in drei Stufen. Je nach Inzidenz müssen unterschiedliche Regeln befolgt werden. Bei einem stadt- beziehungsweise kreisweiten Sieben-Tage-Wert unter 35 gilt: Testpflicht, Einhaltung des Mindestabstands und Sitzordnung im Schachbrettmuster.
Anja Thies: „Es gibt noch so viele Fragezeichen“
Liegt auch die NRW-weite Inzidenz unter dem Grenzwert 35 (Dienstag: 8,2), wird es laut Corona-Schutzverordnung schon etwas komplizierter: Dann nämlich können Betreiber entweder auf den Mindestabstand oder den Negativtestnachweis verzichten. Aber welche Auswirkungen hat das auf die Sitzverteilung im Kinosaal? Dürfen alle Plätze belegt werden? Und wo gilt überall die Maskenpflicht? „Es gibt noch so viele Fragezeichen“, sagt Anja Thies, Geschäftsführerin des Kamp-Lintforter Kinos „Hall of Fame“. „Da ist es besser, man wartet ab und hält die Füße still.“
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Das NRW-Gesundheitsministerium (Mags) teilte am Samstag (19. Juni) auf NRZ-Anfrage mit: Grundsätzlich gelte in Kinos „die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske“ – auch am Sitzplatz. „Die Maske kann aber während der Einnahme von Speisen und Getränken abgenommen werden“. Innengastronomie sei ab Inzidenzstufe 2 möglich. Und Besetzung im Schachbrettmuster bedeute, dass links, rechts und reihenweise versetzt jeweils ein Platz frei bleiben müsse. Bei einer gleichzeitigen Landesinzidenz unter 35 könnten die Kinosäle hingegen komplett ausgelastet werden.
Kamp-Lintfort: „Hall of Fame“ verschiebt Vorverkauf
So weit, so gut. Das Problem: Die Schutzverordnung wird regelmäßig aktualisiert. Am Dienstagnachmittag um 16.45 Uhr hieß es auf NRZ-Anfrage aus dem Mags: Die Maskenpflicht gelte „mit der neuesten Änderung in der Inzidenzstufe 1 nicht am festen Sitzplatz“. Voraussetzung: Das Kino müsse gut durchlüftet sein und Gäste einen Testnachweis erbringen.
Da eine vernünftige Planung aufgrund der ständig wechselnden Corona-Regeln derzeit kaum möglich sei, hat Thies den Vorverkauf in der „Hall of Fame“ bislang ausgesetzt. „Es bringt ja nichts, wenn wir hinterher Kunden umsetzen oder wieder nach Hause schicken müssen.“ Die Kinobetreiber bräuchten endlich Gewissheit, damit zum Beispiel die Kassensysteme programmiert werden können. Thies sei kürzlich auf einer Veranstaltung des Hauptverbands Deutscher Filmtheater gewesen. „Da war jemand vom Bundesministerium, und selbst der war nicht auf dem neuesten Stand.“
Die Dinslakener Lichtburg öffnet bereits am Donnerstag. „Wir haben uns dazu entschlossen, weil wir wegen Renovierungsarbeiten aktuell nur einen Kinosaal zur Verfügung haben. Wir müssen die Filme ja einigermaßen abspielen können“, so Grießer. Weil der Vorverkauf bereits angelaufen sei, werde die Lichtburg trotz niedriger Inzidenzwerte zunächst mit einer Sitzordnung im Schachbrettmuster starten. „Wir können den Online-Verkauf nicht jeden zweiten Tag ändern“, sagt die Kino-Betreiberin. Das sei rein technisch für ein so kleines Kino nicht umsetzbar. „Im Grunde genommen wissen wir nie mit Sicherheit, welche Regeln gerade gelten.“
Kinobetreiber: Maskenpflicht kaum kontrollierbar
Auch die Maskenpflicht - sollte sie denn doch noch kommen - ist Grießer ein Dorn im Auge: „Ich bin sehr vorsichtig und gehöre selbst zur stark vulnerablen Gruppe“, sagt die 77-Jährige. „Aber irgendwo hört es dann auch auf.“ Ein Techniker habe die Lüftung des Dinslakener Kinos erst kürzlich kontrolliert. „Die Aerosole ziehen sofort nach oben ab. Wenn das alles nicht berücksichtigt wird, was soll das Ganze dann noch?“
Zumal die Einhaltung der Maskenpflicht ohnehin kaum zu kontrollieren sei. „Wir können nicht neben jeden Kunden einen Mitarbeiter setzen“, sagt Thies. „Wir sind ja nicht die Stasi.“ Sie selbst habe in einem ihrer Kinos einen Feldversuch gestartet und probeweise einen Film mit Maske geguckt. „Das war gar nicht so schlimm“, habe die Geschäftsführerin überrascht festgestellt. Aber: „Selbstverständlich wird es Leute geben, die davon abgehalten werden, ins Kino zu gehen.“
Trotz aller Ärgernisse: Die Vorfreude auf den Kinostart sei bei allen Mitarbeitern riesig, betont Grießer. „Meine Großmutter hat den Betrieb 1915 während des ersten Weltkriegs gegründet – mit Leinwand und Kurbelgerät. Wir sind schlechte Zeiten gewöhnt“, gibt sich die Kino-Chefin kämpferisch. „Insofern Augen zu und durch.“ Auch Thies spürt bei ihren Mitarbeitern und Kunden eine große Aufbruchstimmung: „Die Leute sind heiß aufs Kino. Ich hoffe, dass die Besucher – Maskenpflicht hin oder her – wieder zu uns zurückkommen.“
>>> Open-Air-Kinos in der Region
Trotz Pandemie haben in diesem Sommer gleich mehrere Veranstalter am Niederrhein Open-Air-Kinos geplant. Am Düsseldorfer Rheinufer läuft das Filmprogramm vom 15. Juli bis 31. August. Der Vorverkauf startet am Donnerstag (24. Juni).
Ebenfalls stattfinden sollen im Juli die Sommerkinos am Dinslakener Burgtheater, Xantener Amphitheater und Tenderingssee in Voerde. Tickets für die drei Standorte gibt es unter www.filmemitfreunden.de.
Darüber hinaus soll auch am Krefelder Rheinufer ein Open-Air-Kino an den Start gehen. Bereits abgesagt wurde hingegen das Sommerkino im Duisburger Landschaftspark.