An Rhein und Ruhr. Immer wieder kommt es in NRW zu Starkregen. Die Intensität nehme zu, warnt Diplom-Ingenieur Dirk Brunhöver. Doch wie können sich Städte schützen?
Im Uedemer Dorf Keppeln im Kreis Kleve sind sie die Wassermassen allmählich leid: Erneut hat es am Montagnachmittag ein Starkregenereignis gegeben. Erneut wurden zahlreiche Straßen, Ackerflächen und Grundstücke überschwemmt. Bereits am 4. Juni hatte sich das Wasser seinen Weg durch die kleine Ortschaft gebahnt – und dabei erhebliche Schäden angerichtet. Nun hat Bürgermeister Rainer Weber den Wassermassen den Kampf angesagt. Das 1600-Einwohner-Dorf Keppeln ist aber nicht der einzige Ort am Niederrhein, den der Klimawandel vor ungeahnte Herausforderungen stellt.
„Die Zahlen des Deutschen Wetterdienstes legen den Schluss nahe, dass es in unseren Breitengraden immer weniger regnet“, sagt Dirk Brunhöver, Diplom-Ingenieur für Wasserwirtschaft. Die Trockenphasen seien länger, die Grundwasserstände immer niedriger. Zu einem ähnlichen Schluss kommt die Bilanz des DWD: Trotz vergleichsweise häufiger Niederschläge im Mai sei der Frühling „bereits zum achten Mal in Folge“ zu trocken gewesen.
Das Problem: „Wenn es regnet, fallen in kurzer Dauer deutlich höhere Regenmengen als früher. Es wird gebündelter“, so Brunhöver. Diese Entwicklung sei nicht auf alle Städte und Kreise in Deutschland übertragbar. „Zumindest für Uedem lässt sich dies anhand der Daten des DWD aber belegen.“ Die Intensität der Starkregenereignisse habe in der Gemeinde am linken Niederrhein um 30 bis 35 Prozent zugenommen. „Die Zahlen sind eindeutig“, sagt der Diplom-Ingenieur.
Uedemer Bürgermeister plant zweites Notfallbecken
Uedems Bürgermeister Rainer Weber will nun das Regenrückhaltebecken an der Rosenstraße vergrößern. Ein weiteres Becken an der Kalkarer Straße sei bereits in Planung. „Das ist ein Baustein“, erklärt Brunhöver. „Man muss sich aber von dem Gedanken verabschieden, dass eine einzelne Maßnahme ausreicht.“ Selbst wenn beide Notfallbecken rechtzeitig fertiggestellt worden wären, hätten die Wassermassen nicht komplett zurückgehalten werden können, warnt der Experte. „Das funktioniert nur bis zu einem gewissen Schweregrad.“
Auch eine Kanalvergrößerung müsse sorgfältig geprüft werden. „Um das Wasser schneller abfließen zu lassen, kann ich ein 300er-Rohr einfach durch ein 1000er-Rohr ersetzen“, sagt Brunhöver. „Damit verlagere ich aber das Problem weiter nach unten.“ Eine andere Möglichkeit seien deshalb Rückhaltebecken, in denen das Wasser gespeichert wird. „Es gibt verschiedene Wege. Nichts wäre schlimmer, als mit einer Ad-hoc-Lösung noch größere Schäden zu verursachen.“ Ähnlich verhalte es sich bei Gräben. „Ich muss immer gucken, wohin leite ich das Wasser ab? Wo bilden sich gefährliche Anstausituationen?“
Neben Uedem waren am Montag auch der Kreis Borken und Mönchengladbach von Starkregen betroffen. In Bocholt rückte die Feuerwehr nach eigenen Angaben allein bis Mitternacht 119 Mal aus. Keller wurden überflutet, ein Bachlauf trat über die Ufer und umgekippte Bäume blockierten Straßen. In Mönchengladbach kam es zu 17 Unwetter-Einsätzen. „Davon waren der überwiegende Teil Wasserschäden und vollgelaufene Keller in Wohnhäusern“, so die Stadt.
Klimawandel: Kommunen drohen neue Herausforderungen
Doch wie können sich Städte und Gemeinden vor den Wassermassen schützen? „Die Strukturen sind unterschiedlich“, erklärt Brunhöver. „In ländlichen Regionen gibt es sehr oft Gräben und natürliche Rückhaltemöglichkeiten – Mulden, Senken, Grünflächen. Das ist durchaus von Vorteil.“ Durch die Zusammenlegung oder Vergrößerung von Ackerflächen seien viele der natürlichen Barrieren aber in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen. „Damit müssen wir lernen umzugehen.“
In Großstädten würden Stadtplaner zum Beispiel immer häufiger auf „multifunktionale Retentionsflächen“ setzen: „Das können Parkplätze sein, die bewusst tiefer angelegt werden, um sie bei Starkregen zu fluten.“ Ein vollgelaufener Parkplatz sei zwar ärgerlich, richte aber kaum Schaden an. „Das Ziel ist es, das Wasser lieber in solchen Flächen zu sammeln, bevor Anlieger oder Infrastruktur geschädigt werden“, so der Diplom-Ingenieur.
Der Experte sieht zwei Probleme auf die Städte und Gemeinden am Niederrhein zukommen: Zum einen bräuchten die Kommunen im Falle von großen Niederschlagsmengen klare Konzepte. „Wo schaffe ich Flutmulden, an welchen Stellen vergrößere ich das Kanalnetz?“ Zum anderen gebe es immer längere Trockenzeiten. „Dann bekomme ich Ablagerungen im System, weil ich keine Spülung mehr habe“, warnt Brunhöver.