Essen/Hemer. Vier-Tage-Woche bei gleicher Arbeitszeit: Erste Betriebe versuchen es mit dem neuen Modell 4x10- statt 5x8-Stunden wöchentlich. So läuft es.
Nicolas Behrens beugt sich über die geöffnete Motorhaube eines Nissan Navara. „Neue Kurbelwelle einbauen“, sagt der Kfz-Mechatroniker im Hemeraner Meisterbetrieb von Bernhard Bornfelder. Und er weiß, das wird nicht die letzte Reparatur des Tages sein. Denn die Arbeitstage in der Werkstatt sind länger seit ein paar Wochen. In Abstimmung mit seinen Mitarbeitern hat Bornfelder nämlich die 4-Tage Woche eingeführt. Das heißt: 4x10- statt 5x8-Stunden arbeiten in der Woche.
Länder wie Island oder Schottland testen das Modell schon seit Jahren, Belgien hat Anfang des Monats gar einen Gesetzesentwurf eingebracht, nach dem Arbeitnehmer in vielen Branchen einen Anspruch darauf haben sollen, ihre wöchentliche Arbeitszeit statt auf fünf auch auf vier Tage zu verteilen. Und laut einer Forsa-Umfrage würden es 59 Prozent der Befragten begrüßen, wenn das auch in Deutschland möglich wäre. Vor allem jüngere Menschen sind demnach von der Idee angetan.
„Die Strukturen in den Familien haben sich geändert“
Bornfelder überrascht das nicht. Er hat zwei erwachsene Kinder und weiß: „Die Strukturen in den Familien haben sich geändert.“ Beide Partner berufstätig, Väter, die sich mehr um ihre Kinder kümmern wollen, „darauf müssen wir reagieren“. Auch im eigenen Interesse. „Ich suche schon lange mehr Mitarbeiter und finde keine. Vielleicht ist die 4-Tage Woche ein Anreiz.“
Nicolas Behrens jedenfalls ist zufrieden, Klar, sagt er, der Arbeitsplan sei straffer geworden, aber ein zusätzlicher freier Tag in der Woche sei schon eine gute Sache. An dem hat er mehr Zeit für seine Freundin, aber auch für die eigene Familie. Etwa, um die weiter entfernt wohnende Großmutter öfter zu besuchen. Und dann ist da auch noch der BMW, an dem er in der eigenen Garage herumschraubt. „Ich finde es gut, die Zeit lässt sich besser nutzen.“ Auch sein Chef ist zufrieden „Man arbeitet effektiver“, hat Bornfelder festgestellt. Ob es auch hilft, neues Personal zu locken, wird sich zeigen. „Das muss sich herumsprechen. Wir machen das ja erst ganz kurz.“
Ergebnis aus Bewerbungsgesprächen
Bei Solar-Bauer Markus Borowski im Essener Stadtteil Dellwig gibt es die 4-Tage-Woche schon seit über zwei Jahren. „Für manche Bewerber ist das echt ein Argument“, hat der 51-Jährige seitdem festgestellt. Ähnliche Erfahrungen hat man bei der Einrichtungshauskette XXXL-Lutz gemacht, die mehrere Filialen im Ruhrgebiet betreibt. Dort gibt es das Modell nach Aussage eines Sprechers „bereits seit geraumer Zeit und es ist auch entsprechend etabliert“, wenn auch nicht in allen Bereichen.
„Letztlich“, so der Unternehmenssprecher weiter, „ist es das Ergebnis aus den zahlreichen Bewerbungsgesprächen, die wir führen. Wir wissen um die Tatsache, dass Freizeit für immer mehr Menschen einen höheren und auch weiter wachsenden Stellenwert einnimmt. Hinzu kommt der immer wieder geäußerte Wunsch nach mehr Flexibilität in der Arbeitswoche – vor allem im Handel.“
„Es kann nicht immer der Freitag sein“
Der Traum vom langen Wochenende allerdings, den viele Befürworter der 4-Tage-Woche so gerne träumen, bleibt aber oft unerfüllt. „Wir sprechen den freien Tag jede Woche neu ab“, hat Kfz-Meister Bornfelder schon zum Start entschieden. Und bereits in den ersten Wochen hat sich gezeigt: „Es kann nicht immer der Freitag sein.“
Markus Borowski bestätigt das. Schlechtes Wetter, Lieferengpässe – manchmal wird ein Auftrag von montags bis donnerstags einfach nicht fertig. „Dann wird der Freitag auch zum Arbeitstag.“ Ohnehin können nicht alle der derzeit 43 Angestellten gleichzeitig ihren freien Tag nehmen. „Aber meine Mitarbeiter sind flexibel.“ Und manche, sagt der Solarbauer, hätten auch gar kein Interesse an dieser Art der Arbeitszeitverdichtung.
Rotationsprinzip im Büro
Eine feste Regelung gibt es auch bei XXXL-Lutz nicht. „Wir setzen auf Individualität.“ Klar sei in der Branche aber, dass das Personal im Handel in der Regel an den Tagen arbeiten müsse, an denen die stärkste Kundenfrequenz herrsche – also Freitag und Samstag. „Freie Tage werden eher zu Beginn oder in der Mitte der Woche genommen.“ Viel entscheidender sei aber eine mittelfristige Planbarkeit. „Das schätzen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.“
Markus Borowoski hält lange Wochenenden dennoch für wichtig. Deshalb hat der die 4-Tage-Woche im Rotationsprinzip auch für sein Büro eingeführt. „Dort ist die Arbeitsverdichtung ja auch extrem geworden. Deshalb ist längere Regeneration umso wichtiger.“ Da würde Bernhard Bornfelder nicht widersprechen. Eine schöne Sache wäre das, so ein langes Wochenende, findet er. Aber nach 41 Jahren Selbstständigkeit weiß er: „Für die meisten Chefs wird es die 4-Tage-Woche niemals geben.“