An Rhein und Ruhr. Fast 90 Prozent der Pflegeheim-Bewohner sollen laut Land eine Booster-Impfung erhalten haben. Stiftung für Patientenschutz fordert mehr Tempo.

Mit Sorge blickt NRW derzeit auf den zweiten Corona-Winter: Die landesweite Sieben-Tage-Inzidenz in NRW liegt nur noch knapp unter 100 (Stand: 29. Oktober 2021 bei 99,7), die Tendenz ist weiter steigend, das RKI mahnt wieder vor zu vielen Kontakten und die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) warnt bereits erneut vor einer Überlastung der Intensivstationen. Auch, wenn alle, die bereits durchgeimpft sind, ein Stück weit gelassener in die drohende nächste Corona-Welle gehen können - einen garantierten Schutz bietet die Impfung nicht.

Deshalb empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) bereits Auffrischungsimpfungen für Risikopatienten und alle Bürgerinnen und Bürger ab 70 Jahren. Während NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sich am Freitag zufrieden zeigte mit dem Stand der Auffrischungsimpfung in Pflegeheimen, kommt von anderer Stelle Kritik: „Offensichtlich nehmen die Impfdurchbrüche bedrohlich zu, die zu schweren Krankheitsverläufen und zum Tod führen. Damit wird klar, dass die selbst gesetzten Ziele der Landesregierung nicht erreicht werden, zunächst bis Ende Oktober die über 170.000 Pflegeheimbewohner flächendeckend mit einer dritten Impfung zu versorgen“, klagt Eugen Brysch, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung für Patientenschutz mit Sitz in NRW, an.

Eugen Brysch: Infektionsgeschehen in der Altenpflege ist entscheidend

Nicht Inzidenzen oder Hospitalisierungsraten seien entscheidend für die Bewertung der Corona-Lage, sondern das Infektionsgeschehen in der Altenpflege. Die Erfahrungen der letzten 18 Monate hätten gezeigt, wie „brandgefährlich ein löchriges Corona-Schutzschild“ sei. Deshalb müssten auch verbindlich kostenlose, tägliche Tests für medizinisch-pflegerisches Personal und Besucher sofort angeordnet werden. Brysch fordert außerdem: „Impfen und Testen dürfen sich hier nicht ausschließen. Ebenso hat die Landesregierung durch mobile Impfteams dafür zu sorgen, dass das Boosterimpfangebot in den nächsten 14 Tagen jeden der 965.000 Pflegebedürftigen erreicht.“

Jörg Schmidt, Vorstandsvorsitzender des Verband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (VSKB), kann die Kritik der Stiftung verstehen, denn: „Hier und da hakt es immer mal“. Im Großen und Ganzen sei er jedoch zufrieden. Durch die späte Stiko-Empfehlung kam es zu Verzögerungen, weshalb man neben den von der Stiftung vorgeschlagenen mobilen Impfteams nun vor allem auf die Hausärzte setzen würde. Sie seien „ortsnah, schnell erreichbar und jetzt der wichtigste Hebel, um die Auffrischimpfungen voranzutreiben.“

Einer der Hausärzte, die in den Pflegeheimen bereits die Auffrischungsimpfungen durchführen ist der Klever Allgemeinmediziner Michael Pelzer. Er spricht von lediglich „ersten Stationen“, die erneut geimpft wurden. In den Arztpraxen selbst seien die Auffrischungsimpfungen „sehr gut organisiert und Bestandteil im Praxisalltag“, sagt Monika Baaken, Sprecherin des Hausärzteverbands Nordrhein. Viele Praxen hätten auch spezielle Impftage oder Impfsprechstunden eingeführt, so auch der Allgemeinmediziner Kai Edler.

Arzt aus Düsseldorf: Booster-Impfungen sind große Belastung für Praxen

In seiner Praxis in Düsseldorf würden jeden Dienstag und Donnerstag insgesamt 50 bis 60 Auffrischungsimpfungen stattfinden. Zehn Prozent seiner Patienten ab 70 Jahren hätten bereits eine Booster-Impfung erhalten. Da zwischen der letzten und der nächsten Impfung mindestens ein halbes Jahr liegen soll, sagt der Allgemeinmediziner: „Viele Auffrischimpfungen werden erst im Dezember und Januar bei uns stattfinden.“ Doch bereits jetzt sei der Start der Auffrischungsimpfungen eine hohe Belastung für den Praxisalltag: „Für mich war die Politik zu schnell. Schon vor der Empfehlung der Stiko sollten wir bereits mit den Auffrischimpfungen starten.“ Zudem seien die Impfzentren geschlossen, die man als Unterstützung bei der Durchführung der Booster-Impfungen gebrauchen könnte.

Das Robert-Koch-Institut spricht von einer Gesamtzahl der Auffrischungsimpfungen von 469.863 für NRW – im Bundesvergleich Platz eins der Länder mit den meisten Booster-Impfungen. 462.211 Bürgerinnen und Bürger haben bereits eine Booster-Impfung mit Biontech erhalten, 7.085 eine Auffrischimpfung mit Moderna und 522 mit Johnson und Johnson. Die Differenz von 45 ergebe sich, laut NRW-Gesundheitsministerium, aus „Nachmeldungen, bei denen der Impfstoff nicht mitgeteilt wurde“.

Wie geht es mit den Booster-Impfungen in NRW voran? Dazu äußerte sich nun Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
Wie geht es mit den Booster-Impfungen in NRW voran? Dazu äußerte sich nun Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. © dpa | Fabian Strauch

Am Freitag zeigte sich Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zufrieden mit den Booster-Impfungen in Pflegeheimen in NRW: Fast 90 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohnern hätten die Auffrischungsimpfung erhalten. Die „anfälligste Gruppe“ für eine Corona-Infektion sei damit fast komplett noch einmal geimpft worden, sagte Laumann in Düsseldorf. Die Kampagne für die Booster-Impfungen habe bislang „sehr reibungslos geklappt“.

In einem weiteren Schritt sollen nun die älteren Menschen in Nordrhein-Westfalen eine Auffrischungsimpfung in den Arztpraxen erhalten. Auch die Beschäftigten in den Pflegeheimen und den Krankenhäusern hätten Anspruch auf die Booster-Impfung - in der Regel sollte die Auffrischung sechs Monate nach der letzten Impfung erfolgen. Zudem werde Personen, die den Impfstoff von Johnson & Johnson erhalten haben, geraten, sich ebenfalls für Booster-Impfungen zu melden. Das sei nötig, weil es bei diesem Vakzin verstärkt Impfdurchbrüche gebe, betonte Laumann. (mit dpa)