Essen. Mit erfundenen Corona-Tests machte eine Essenerin eine Million Euro Gewinn. Jetzt kam die Schlussrechnung: über drei Jahre Haft.
Bieder wirkt die Frau, die am Donnerstag vor dem Essener Amtsgericht sitzt. Dabei verfügte sie im vergangenen Jahr über ein Vermögen in Höhe von rund eine Million Euro. Das Geld hatte sie bundesweit mit elf Corona-Testzentren eingenommen, die gar nicht existierten. Jetzt muss sie für drei Jahre und drei Monate ins Gefängnis, entschied das Schöffengericht.
Die 49 Jahre alte Kurzzeit-Millionärin Yvonne R. ist eigentlich angestellte Busfahrerin, lebt mit ihrer Familie im keineswegs glamourösen Essener Stadtteil Freisenbruch. Einen leichten Hang hat sie wohl zu Betrügereien. Richterin Sandra Quade sprach im Urteil von mehreren einschlägigen Vorstrafen innerhalb der letzten 15 Jahre.
Bei Banken Konten eingerichtet
Im Sommer 2021 muss die hagere Frau wohl zu viel von laschen Kontrollen und betrügerischen Abrechnungen bei Corona-Tests gehört haben. "Das kann ich auch", wird ihr Gedanke gewesen sein. So richtete sie bei verschiedenen Banken Konten auf ihren Namen ein und meldete entsprechende E-Mail-Adressen an.
Fertig war die Geschäftsgründung. Denn nun nahm sie von ihrem Handy aus im Onlineverfahren bundesweit am Abrechnungsverfahren mit Kassenärztlichen Vereinigungen teil. Das erste Testzentrum, das es nicht gab, meldete sie mit ihrem Namen unter ihrer echten Wohnanschrift an. Ein Blick hätte genügt, um zu erkennen, dass dieses Gebäude kaum ein Testzentrum aufnehmen könnte.
Fortan meldete sie weitere Testzentren vor allem in Bayern und Baden-Württemberg an, oft erfand sie sogar Adressen, die es ebenfalls nicht gab.
Zunächst floss kein Geld
Der Erfolg stellte sich zunächst nicht ein. So reichte sie am 23. August 2021 bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern einen Antrag ein, mit dem sie 294.368 Euro für angeblich geleistete 27.120 Impfungen erstattet bekommen wollte. Doch die Bayern misstrauten einigen Registrierungsangaben und zahlten keinen Cent aus.
Ähnlich scheiterte sie in den nächsten Augusttagen mit zwei weiteren Anträgen über insgesamt 450.872 Euro, diesmal für Corona-Tests. Auch diese Gelder überwiesen die Bayern nicht.
Kassenärztliche Vereinigung berät die Betrügerin
Was nun? Yvonne R. zeigte keineswegs Reue, sondern beschwerte sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern. Warum denn ihr Geld nicht bewilligt werde, fragte sie am Telefon. Die Bayern zeigten sich bürgernah, erzählt die 49-Jährige. Genau habe man ihr erklärt, welche ihrer Angaben Probleme bei der Plausibilitätsprüfung verursachten. Freundlich erläuterte man ihr, wie sie die Anträge zu stellen habe, um an ihr Geld zu kommen. So unbürokratisch kann Verwaltung sein.
Danach florierte das Geschäft. Im September und Oktober reichte die Busfahrerin weitere sieben Anträge vor allem in Baden-Württemberg für angeblich dort gegründete Zentren ein.
Nicht immer erfolgreich
Erfolg hatte sie aber auch in der Heimat. Für das Testzentrum in ihrem eigenen Wohnhaus erhielt sie von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein immerhin 187.533,89 Euro auf ihr Konto bei der BNP Paribas S. A. überwiesen. In zwei Fällen gelang es den Baden-Württembergern, die bereits gezahlten Gelder zurück zu buchen.
Dann endete die Erfolgssträhne. Ende November kam die Angeklagte in Untersuchungshaft. Ein Geldinstitut hatte den Behörden den Verdacht auf Geldwäsche mitgeteilt, weil der plötzliche Geldsegen aufgefallen war. Schnell legte die Busfahrerin ein Geständnis ab, blieb dabei auch am Donnerstag vor Gericht.
Großteil des Geldes sichergestellt
Insgesamt hatte sie mit ihrer Betrugsmasche innerhalb weniger Monate 1.083.204,87 Euro eingenommen. 924.015,07 Euro stellten die Strafverfolger sicher. Wo der Rest ist? Schulden will Yvonne R. zurückgezahlt und auch ein Auto gekauft haben.
Das Verfahren gegen sie ging schnell zu Ende. Staatsanwalt Peter Gehring hatte drei Jahre und neun Monate Haft beantragt, Verteidiger Andrè Wallmüller "nicht über drei Jahre Gefängnis". Das Gericht blieb dazwischen. Strafmildernd berücksichtigte es, dass es der Angeklagten leicht gemacht worden sei. Aber Richterin Quade erinnerte an die besondere Situation für den Staat in der Corona-Pandemie: "Das ganze System war ja auf Schnelligkeit angelegt." Sie sprach von einem "sozialschädlichen Verhalten der Angeklagten, während viele andere Menschen Existenzprobleme hatten".
Immerhin zeigte die Angeklagte Einsicht und nahm das Urteil an. Auch der Staatsanwalt akzeptierte den Spruch.
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In einer ersten Version dieses Textes wurde als Illustration das Bild eines Testes der Firma HGH Desinfections & Cosmetique GmbH verwendet. Wir betonen: Diese Firma hat nichts mit dem oben genannten Betrug zu tun, es handelte sich um ein Symbolbild, das wir nun ausgetauscht haben.