Münster. Lange Zeit hatte Münster die niedrigste Inzidenz in NRW. Steigende Infektionszahlen fallen nun deutlich ins Gewicht. Das sagt die Stadt dazu.
Wochenlang galt Münster als Vorbild bei der Pandemiebekämpfung. Anfang Dezember hatte die Uni-Stadt die niedrigste Inzidenz in ganz NRW. Bis Mitte Februar sank der Wert auf 16,8. Doch seitdem hat sich der Trend umgekehrt: Innerhalb eines Monats hat sich die Inzidenz fast verdreifacht. Am Mittwoch knackte Münster sogar die 50er-Marke. Aber was sind die Gründe für diese Entwicklung? Und wie bewertet die Stadtverwaltung die Situation?
Als eine der ersten Kommunen in NRW führte Münster eine Maskenpflicht ein und war damit Vorreiter. Auch kümmerte sich die Uni-Stadt zügig um den Aufbau von Testkapazitäten und die Installation mobiler Luftfilteranlagen. Doch nun bröckelt der gute Ruf. Die Infektionszahlen steigen. Für Stadtsprecher Marc Geschonke keine Überraschung. Dass ein einzelner Infizierter sehr schnell eine kleine Welle oder sogar einen Ausbruch auslösen könne, habe sich bereits in anderen Städten und Kreisen gezeigt. „Je geringer der Inzidenzwert, desto deutlicher schlagen dann auch solche ‚Hotspots‘ zu Buche“, so Geschonke.
In Münster fand dieser Ausbruch im dicht besiedelten Stadtteil Coerde statt. Vier Großfamilien seien laut Stadtangaben betroffen, die Streuung habe offenbar auch in mehreren Schulen und Kitas stattgefunden. „Wir haben derzeit rund 520 Personen als Kontaktpersonen I in Quarantäne“, sagt Geschonke. Ob sich die Kontaktpersonen ebenfalls mit dem Virus infiziert haben, sei noch offen. „Klar ist aber: Ein großer Teil der auf Coerde zurückzuführenden Infektionen betrifft Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren.“
Inzidenz: Stadt Münster rechnet mit keiner schnellen Abnahme
Was die Situation erschwert: Bei den Infektionen in Coerde handle es sich um die hochansteckende Mutation aus Großbritannien. „Auch wenn die Stadt Münster sofort reagiert und umfangreiche Gegenmaßnahmen eingeleitet hat, sind Infektionen natürlich schon erfolgt“, sagt Geschonke. „Die kommenden Tage werden zeigen, wie groß das Ausbruchsgeschehen tatsächlich ist.“ Mit einer schnellen Abnahme der Inzidenz sei aber vorerst nicht zu rechnen. Immerhin: Am Donnerstag sank der Sieben-Tage-Wert zumindest leicht unter den ersten Grenzwert (43,8).
Kommunen, die eine Inzidenz unter 50 aufweisen, können laut Schutzverordnung des Landes NRW unter bestimmten Voraussetzungen Corona-Maßnahmen lockern. Auch der Krisenstab der Stadt Münster befasse sich mit dem Thema. Lockerungen müssten aber „der Situation angemessen und vom Land abgesichert sein“, erklärt Geschonke. „Beides lässt sich derzeit aufgrund unklarer Inzidenzlage und vermehrter Infektionen mit der ansteckenden britischen Virusmutation nicht stabil untermauern.“
Dass sich in Münster aktuell vor allem Schüler mit Corona infizieren, sei nach Angaben des Stadtsprechers nicht auf eine erhöhte Disziplinlosigkeit unter Kinder und Jugendlichen zurückzuführen. Ob sich eine Person an Corona-Maßnahmen halte oder nicht, sei „nicht unbedingt eine Frage des Alters, sondern der persönlichen Verfassung“, so Geschonke. „Und bitte vergessen Sie nicht, dass es in der vergangenen Woche außergewöhnlich gutes Wetter mit hohen Temperaturen und viel Sonnenschein gab.“ Das habe nicht nur in Münster zu einer gewissen Leichtsinnigkeit geführt.
Stadt Münster: Seit Mitte Januar kein neuer Fall in Pflegeheimen
Trotz steigender Inzidenz falle die Zwischenbilanz der Stadt aber nicht negativ aus. Die Mehrheit der Bürger verhalte sich nach wie vor sehr diszipliniert. Außerdem habe Münster seit dem 25. Februar keinen Todesfall mehr zu beklagen. „Seit dem 18. Januar gab es keine Neuinfektion mehr in den stationären Pflegeeinrichtungen, also bei den besonders vulnerablen Gruppen“, sagt Geschonke. Und auch die Lage in den Krankenhäusern sei „absolut stabil“. Ein weiterer Lichtblick: Bislang hätten rund 30.000 Bürger mindestens die erste Impfung erhalten. Vorbehalte gegen Astrazeneca gebe es ebenfalls nicht. Die Stadt habe bereits „viele Tausend Dosen“ nachgeordert.
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Auch in Zukunft wolle die Stadt bei der Pandemiebekämpfung neue Wege gehen. So setzt Münster bei der Kontaktnachverfolgung als eine der ersten Städte in NRW auf die von Rapper Smudo mitentwickelte App „Luca“. Statt lästiger Zettelwirtschaft könnten sich Bürger bald bei vielen Einzelhändlern und Friseuren bequem mit dem Handy registrieren. Die Bereitschaft der Bevölkerung, sich die App herunterzuladen, sei groß, „da sie ja Erleichterung in gerade jenen Bereichen verspricht, die für den einst gewohnten Alltag eine große Rolle spielen“, so Geschonke.