Dortmund/Bochum/Essen. Erstmals müssen Lebensmittelmärkte am Gründonnerstag schließen. Das hat Folgen.
Ja, es ist nur ein Tag. Aber es ist Gründonnerstag, der Tag an dem die Deutschen Fisch kaufen, wie an keinem anderen Tag. Bestellungen sind lange raus, Abholtermine vereinbart. Alles Makulatur „Keine Ahnung, wie wir das jetzt hinkriegen sollen“, sagt der Chef der Fischtheke eines Marktes in Dortmund.
Auch auf dem Wochenmarkt in Bochum-Weitmar-Mark diskutieren sie seit dem frühen Morgen. Besonders intensiv, denn: Genaues weiß man ja nicht. „Meine Frau hat am Telefon gesagt, kein Markt vom 1. bis 5. April“, sagt der Fischhändler. Der Fleischer sagt: „Mein Chef hat gehört, Ostersamstag drei Stunden.“ Eine Kundin tritt an den Kartoffelstand: „Dann ist nächste Woche kein Markt!?“ Kartoffelfrau: „Wissen wir noch nicht.“
„Mit Logik brauchen sie manchen Menschen nicht zu kommen“
Falls nicht, würde das größere Fischunternehmen Tidili aus Gelsenkirchen gleich acht Markttage verlieren, vier am Donnerstag, vier am Samstag, denn an beiden Tagen ist es mit vier Wagen auf vier Märkten unterwegs. „Uns entgeht dann verdammt viel“, sagt der Chef, sagt Mario Tidili. Es werde einige Kunden geben, die früher einkaufen, sagt Tidili: „Frischen Fisch kann man natürlich einfrieren.“ Aber Salate, Heilbutt, Lachs? „Halten sich ein paar Tage im Kühlschrank, aber es ist nicht dasselbe.“ Den Christen zu Ostern den Fisch wegzunehmen, kann er auch nicht fassen: „Gerade Ostern!“
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Ja, es ist nur ein Tag. Niemand muss verhungern, keiner verdursten. Jegliche Sorge in diese Richtung ist also unbegründet und völlig unlogisch. „Aber mit Logik brauchen sie manchen Menschen schon lange nicht zu kommen“, weiß eine Verkäuferin bei Rewe, die gerade die Obstregale auffüllt „Die ersten drehen auch schon wieder durch und kaufen ein wie die Bekloppten.“ Eigentlich unnötig zu sagen, dass das unnötig ist. Rewe sagt es dennoch. „Die Kunden können sich darauf verlassen, dass die Warenversorgung gesichert ist“, heißt es auf Anfrage.
„Die Marktbetreiber sind stinksauer“
Mehr Sorge als vor zu wenig Ware hat das Personal dann auch vor zu vielen Menschen in den kommenden Tagen. „Die Marktbetreiber sind stinksauer, hat ein Außendienstler festgestellt, der am Dienstagmorgen schon ein halbes Dutzend Märkte im Revier auf seiner Tour besucht hat. „Das hat alle kalt erwischt. Es gibt kein anderes Gesprächsthema.“
„Natürlich werde ein sicherer Einkauf unter Einhaltung der Hygieneregeln möglich sein“, versichert ein Sprecher der Rewe-Zentrale in Köln. Ob das Personal aufgestockt wird, die Öffnungszeiten ausgedehnt oder Sicherheitsdienste angeheuert werden, sagt er nicht. Regionale oder gar marktspezifische Auskünfte könne man nicht geben.
Handelsverband: Schließung ist kontraproduktiv
Fest steht: Vor allem an Ostersamstag könnte der Ansturm groß werden. Das ist er ja schon in Jahren ohne Pandemie. Horst (39) etwa plant den Start der Grillsaison am Osterwochenende. „Wetter soll ja gut werden.“ Die Tiefkühlpommes wird er jetzt schon mitnehmen. „Aber das Fleisch kann ich ja nicht schon am Mittwoch vor Ostern kaufen.“ Also wird er Ostersamstag kommen und hofft, dass es da sein wird wie an den letzten Heiligabenden. „Da war es immer leer, weil alle schon vorher da waren.“
In den Märkten sind sie da skeptisch. Mit Staus rund um Ostern ist jedenfalls zu rechnen. Nicht auf den Straßen aber in den Gängen und vor den Kassen. „Kontraproduktiv nennt der Handelsverband Deutschland (HDE) die Schließung der Lebensmittelhändler am Gründonnerstag dann auch. „Den Lebensmittelhandel symbolisch für einen Tag zuzumachen, hilft im Kampf gegen die Pandemie nicht weiter“, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
„Eine blödsinnige Idee“
Auf dem Markt schwirren die Gerüchte, nur hier ist man sich einig: Was für eine blödsinnige Idee, die Wochenmärkte eventuell abzublasen und die Öffnungszeit der Supermärkte zu kürzen. „Unser Chef hat die Eierproduktion für die Osterwoche durchgeplant“, sagt Matthias Kortmann im Fleisch- und Eierwagen des Wochenmarktes und schaut auf die Bunten, die Hartgekochten. Die nächste Woche wäre ihre gewesen. „Und nun?“
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Eine Frage, die sich auch die Blumenhändler stellen. Wenn Sascha Dreesen es richtig sieht, geht es jetzt erstmal „zurück auf die Vor-Vor-Verordnung“, aber erst ab Montag. Diese Woche, glaubt der Verkaufsleiter bei Blumen Risse, sei noch „Business as usual“. Nur, was heißt schon „normal“ in diesen Zeiten?
Blumencentern fehlt der Karfreitag
Dreesen ist zuständig für die Gartencenter bei Risse, 35 in vier Bundesländern, 19 allein in NRW. Die in der Osterwoche sonst „starke Tage“ haben: Die Menschen kaufen Orchideen, Schnittblumen, Ostergeschenke oder kleine Freuden für sich selbst. Und sie bepflanzen Balkone und Gärten, der Frühling ist ja auch unterwegs und für viele die einzige Hoffnung. Weshalb Gartenmärkte sonst auch am stillen Feiertag Karfreitag öffnen durften. Dieses Jahr aber fallen mit Gründonnerstag, Karfreitag und Ostersamstag gleich drei dieser starken Tage weg. Von „erheblichen Einschränkungen“ spricht Dreesen und kann die auch beziffern: „Mindestens zwei Drittel des Wochenumsatzes werden fehlen.“
Zumal eine Pflanze keinen Ruhetag hat, sage die Regierung, was sie wolle. „Den Pflanzen ist es egal, ob Feiertag ist oder nicht.“ Die sind da, „und wir müssen sie pflegen“. Vor- oder umzuplanen sei für das Team bei Risse derzeit schwierig, bis Mittwoch dafür auch zu wenig Zeit. Was für die verderbliche Ware bedeutet: „Wir müssen mehr wegschmeißen.“
Arbeiten mit einem mulmigen Gefühl
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Für Silvia Sieg ist „Gründonnerstag der stärkste Markttag“. Das liegt aber weniger an den Kartoffeln, die sie verkauft, und mehr, viel mehr, an den Ostereiern, die sie auch verkauft. Verstehen kann Sieg die Osterregelung nicht so richtig. Ein Einkauf auf dem Markt, sagt sie, sei doch „mit Abstand gesünder, als die Menschen jetzt in die Supermärkte zu pressen“.
Manche Verkäuferin in den Märkten sieht das offenbar ähnlich. „Ich habe ja schon viel erlebt im letzten Jahr“, sagt eine von ihnen.“ Aber wenn ich an Ostersamstag denke, bekomme ich ein mulmiges Gefühl. Hoffentlich geht das gut.“