In deutschen Kinos herrscht Che Guevara-Fieber - auf Kuba selbst stehen die Zeichen auf Urlaub statt Revolution
Castro hat wieder geschrieben. Drei Seiten „Reflexionen des Genossen Fidel” in der Parteizeitung „Granma”. Zwar keine Hasstiraden gegen Uncle Sam, dafür aber nadelfeine Stiche gegen dessen Embargo. Kein Wort zu den von Obama angekündigten Touristen aus den Vereinigten Staaten. „Der Präsident ruft, aber der Chef schweigt”, sagt Juanito bekümmert. „Fidel mag keine Amerikaner.”
Juanito, ein drahtiger Mulatte von 35 Jahren, hat Job und Wohnung. Mit Frau, zwei Kindern und schwangerer Schwester wohnt der Wachmann in einem Palast, der seit Jahren vor sich hinbröckelt. Solche Prachtfassaden mit Voluten und Stuckgirlanden gibt es überall in Havanna, sie sind das pompöse Erbe der Zuckerbarone und Sklavenhändler. Der Putz blättert vielerorts ab, unbekümmert flattert bunte Wäsche von brüchigen Balkonen. „Wir sind arm, aber alle gleich arm”, hört man immer wieder.
Viele Wohnungen sind katastrophal, aber es wird auch viel saniert. In der Tat strahlen in Alt-Havanna schon ganze Häuserzeilen in neuem Glanz. An der Plaza Vieja trägt nur noch ein Jugendstilhotel Gerüste. Und am Malecón, der kilometerlangen Uferpromenade, werden koloniale Fassaden aufgeputzt.
Info
Lage:Größte Karibikinsel, 140 Kilometer südlich von Florida.
Anreise: Air Berlin fliegt ab Düsseldorf nach Varadero: 01805/737 800 * www.airberlin.com
Mit Condor nach Havanna: 01805/76 77 57 * www.condor.de
Einreise: Reisepass und Visum (Touristenkarte). Visum beim Reisebüro bzw. Veranstalter.
Zoll: Nur für den Eigenbedarf nötige Konsumgüter einführen. Übermengen droht Beschlagnahmung.
Sprache: Spanisch ist Landessprache.
Gesundheit: Empfohlene Impfungen für alle Urlauber: Diphtherie, Tetanus, Masern, Hepatitis A.
Währung: Peso Convertible (CUC), in Touristenregionen wie Varadero, Jardines del Rey, Santa Lucia, Playa Covarrubias und Holguín wird der Euro aktzeptiert.
Pauschalangebote: Eine Woche All-inclusive in Varadero mit TUI pro Person im Doppelzimmer und Flug ab 1269 Euro, Rundreisen im Programm, 01805/884 266 * www.tui.com
Kontakt: Kubanisches Fremdenverkehrsamt: 069/28 83 22 www.cubainfo.de
* (0,14 Euro/ Minute aus dem deutschen Festnetz)
Dabei ist es gerade der morbide Charme vergilbter Größe, der ausländische Besucher verzückt. Allein diese Automobile! Wer einmal in einem offenen weißen 52er-Oldsmobile vor dem Capitol vorfahren will, muss sich in der kubanischen Hauptstadt nur ein Taxi rufen. Überall kreuzen die antiquierten Luxusliner – die fetten Buicks, Chevys und Studebakers. Glanzvoll restauriert manche, andere vielfach übermalt und grob geflickt. Spitznasige Desotos aus den 40er Jahren, breithüftige Cadillacs und kühn geflügelte Plymouths aus den 50ern. Unter mancher chromverzierten Haube klopft ein Ersatzherz von Toyota. Improvisation statt Revolution.
Bescheiden, aber stolz blicken die Kubaner in die Kameras ihrer Gäste. Die meisten kommen nach Varadero, längst hat der Euro den Dollar dort als beliebtestes Zahlungsmittel abgelöst. Auf der langgestreckten Halbinsel reiht sich Hotel an Hotel. Am weichen Sandstrand bei freien Drinks und überbordenden Buffets ist für viele das Tropenparadies perfekt. Ihre Abenteuerlust erschöpft sich allenfalls in einem Ausflug per Katamaran zur Trauminsel Cayo Blanco. Man schnorchelt unter Korallen und Zebrafischen, speist Languste satt und holt sich einen formidablen Sonnenbrand.
Aber Kuba ist wesentlich mehr. Mit dutzenden von Rundreisen locken inzwischen viele zahlreiche Veranstalter tiefer ins Land hinein. Im gekühlten Bus aus China geht es auf breiter Piste schnurgerade in den Süden. Links ein Farmhaus in Pink, garagengroß, mit einem zerbeulten Tank auf Stelzen. Rechts der Bauer beim Pflügen mit dem Ochsengespann, sein Trecker rostet im Hof. Im Fluss unter der Brücke striegelt einer sein Pferd. Weiter geht es auf der offenen Pritsche eines russischen Militärlasters. Hinauf in die Guamuhaya-Berge.
Hier wächst der Kaffee, den die Reisenden eben noch an der Tankstelle geschlürft haben. Heiß und stark gebrannt, ein Viertelpeso pro Espresso. Aus dem satten Akaziengrün ragen die glatten silberweißen Stämme der Königspalmen. Agaven klammern sich ins Gestein. In dem von Philodendron überwucherten Drachenbaum blitzen Kubas Farben kurz auf: Rot, Weiß und Blau – ein Tocororo, der Nationalvogel. Vom hohen El Nicho stürzt frisches Wasser in Kaskaden herab. Junges Volk tummelt sich in den kühlen, klaren Gumpen. In einem schattigen, umgrünten Gasthaus wird typische Landkost serviert: würzig gebratenes Huhn, Fisch, Schweinefleisch, dazu Salat. Man reicht leichtes Bier, Rumcocktails und kubanischen Wein.
Ein Kleinod aus kolonialen Tagen ist das Städtchen Trinidad, ein Weltkulturerbe an der Südküste, umgeben von Zuckerrohrplantagen. An aufgefrischten Fassaden in zauberhaften Pastelltönen werden bei Sonnenuntergang die raumhohen, kunstvoll vergitterten Fenster geöffnet. Frische Abendluft kühlt die Bewohner, die im Schaukelstuhl entspannt vor sich hin wippen. Aus einem Hinterhof klingt Salsa herüber.
Fehlt nur noch eine Fahrt mit dem Hershey Train. Mit Tempo 30 rumpelt die E-Lok mit dem 80 Jahre alten Waggon zwischen Havanna und Matanzas dahin. US-Schoko-König Milton Hershey hatte mit der Zuckerbahn seine Raffinerie erschlossen. In seiner Modellstadt „Hershey” lebten die Arbeiter in Häuschen wie in Pennsylvania und zahlten mit Gutscheinen. Hotel, Kirche, Kino, alles träumt nun vor sich hin. Die Fabrik – eine Ruine im Dornröschenschlaf. Doch der Prinz hat schon die Lippen gespitzt: Reto Rüfenacht, ein cleverer Schweizer, schaukelt mit seinen Cuba Real Tours die ersten Touristen nach Hershey und bastelt bereits an einem Erlebnispark. Die Loks dazu rosten noch mitten in Havanna hinter einem Bauzaun vor sich hin. Daneben prangt ein Grafitti von Che Guevara.