Auf der von der Wirtschaftskrise gebeutelten Insel ist Ruhe eingekehrt, die aufgebrachte Volksseele hat sich weider beruhigt

Es rumort im „Butterfass”. In dem vielleicht zehn Meter großen Tümpel des derzeit aktivsten Geysirs Islands fließt das dampfende Wasser hin und her als wäre tief im Innern der Erde ein Rührer aktiv. „Jetzt!”, „Da!” – gespannt warten alle auf einen Ausbruch. Aber „Strokkur”, wie das Butterfass auf isländisch heißt, ist schwer zu kalkulieren. Es tut sich auch mal zehn Minuten gar nichts. Doch jetzt wölbt sich das Wasser zu einer dicken Blase, aus der einen Wimpernschlag später die ersehnte Fontäne gut 20 Meter in die Höhe schießt.

Die Geysire gehören für viele Island-Besucher zu den Höhepunkten ihrer Tour über die Vulkan- und Gletscherinsel. Und in den kommenden Monaten dürfte „Strokkur” noch mehr Besuch bekommen, denn Reisen nach Island werden immer beliebter. War die Insel lange Jahre Ziel abenteuerlustiger und idealerweise gut betuchter Reisender, entdecken jetzt auch Kurzurlauber den rauen Charme der 315 000 Einwohner zählenden Republik zwischen Grönland und Schottland. Die Wirtschaftskrise und die damit verbundenen gesunkenen Preise machen es möglich. Außerdem steigt ab Juni Icelandair als dritte Fluggesellschaft in den Linienverkehr zwischen Düsseldorf und Reykjavik ein. „Jetzt kommen die, die immer nach Island wollten, sich das aber bislang nicht leisten konnten”, sagt Reiseleiter Arthur, während er den Minibus von den Geysiren durch das weite Tal lenkt.

Und diese neuen Island-Touristen kämen oft nur für ein paar Tage in den hohen Norden. Dann steht vielleicht der „Golden Circle” auf dem Programm, auf dem Arthur mit seinen Gästen unterwegs ist. Ein Rundkurs, der von der Hauptstadt Reykjavik aus in zwei bis drei Tagen die Höhepunkte im Südwesten der Insel erschließt. Neben den Geysiren gehören dazu der Wasserfall Gullfoss und der Nationalpark um die Versammlungsstätte Thingvellir. Schon um 930 tagte hier das erste Parlament. Thingvellir liegt genau am Grabenbruch zwischen europäischer und amerikanischer Erdplatte, die jedes Jahr ein winziges Stück auseinanderdriften und so für Verwerfungen und Erdspalten sorgen.

Lohnende Abstecher vom „Golden Circle” gibt es etliche. Wer sich etwa den isländischen Sagas, den legendären mittelalterlichen Romanen nähern möchte, kann auf der Ringstraße nach Hvolsvöllur fahren (gut eine Stunde südwestlich von Reykjavik), sich im Saga-Zentrum informieren und dann Schauplätze der Njals-Saga besuchen. „Die Sagas sind der isländische Beitrag zur Literaturgeschichte Nordeuropas”, sagt Arthur. Gerade jetzt, wo die Wirtschaftskrise die Isländer verunsichere, erinnerten sich wieder viele an diese Geschichten.

Info

Anreise: Den ganzen Sommer über fliegen Icelandair und Air Berlin donnerstags und sonntags von Düsseldorf aus die isländische Hauptstadt an, Lufthansa samstags. Während die Rückflüge von Icelandair und Air Berlin gegen 1 Uhr Ortszeit starten und am frühen Morgen in Düsseldorf sind, fliegt Lufthansa tagsüber.

Lage: Die Insel liegt im Nord-Atlantik zwischen Schottland und Grönland.

Währung: Die isländische Krone hat im Zuge der Wirtschaftskrise massiv an Wert verloren.

Aktuell erhält man für 1 Euro 177 Isländische Kronen.

Das isländische Tourismus-Büro ist unter www.icetourist.is zu erreichen. Das Saga-Zentrum in Hvolsvöllur: www.njala.is/ge

Und apropos Krise: Zwar gehören Touristen zu den Gewinnern des dramatischen Wirtschaftseinbruchs, der Island in den vergangenen Monaten erst einen Beinahe-Bankrott, dann laute Demonstrationen und schließlich einen Regierungswechsel beschert hat. Doch deshalb muss niemand ein schlechtes Gewissen haben. Gerade im Tourismus sehen viele Isländer eine Zukunft, nicht nur Hotelliers wie Björn Eriksson. Anders als die meisten anderen Branchen klagt Eriksson derzeit jedenfalls nicht über schlechte Geschäfte, weder in seinem noblen Hotel Ranga in Hella, noch in seinem günstigen Hostel.

Reiseleiter wie Arthur sehen die Krise ohnehin pragmatisch: Neuerdings führt er seine Touristen in der gemütlichen Hauptstadt Reykjavik eben auch zu den verstaatlichten Banken Kaupthing oder Landsbanki. Wie sehr die Folgen der Krise die isländische Volksseele zum Kochen gebracht hat, konnte er zudem zumindest bis vor kurzem noch an ein paar eingeschlagenen Fensterscheiben am Parlamentsgebäude demonstrieren. Offenbar hat sich da mancher der ansonsten sehr ruhigen und friedliebenden Isländer ein Beispiel an den vielen Vulkanen genommen – oder an Geysir Strokkur.