Hannover. Die Luftfahrt boomt. Immer höher, schneller, weiter - lautet die Devise. Im Jahr 2018 gab es erstmals wieder steigende Opferzahlen.
Die Zahl der bei Flugzeugunglücken getöteten Menschen ist im ablaufenden Jahr laut Experten drastisch angestiegen. Obwohl die Anzahl der schweren Unfälle in der zivilen Luftfahrt mit 45 nahezu auf Vorjahresstand blieb, kletterte weltweit die Gesamtzahl der Toten von 40 auf nun 559 Menschen.
"Das fast beendete Flugunfalljahr 2018 könnte man gut mit dem Titel "Zurück zur Normalität" überschreiben", sagte der Leiter des Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre (JACDEC), Jan-Arwed Richter, der Deutschen Presse-Agentur. Er verwies darauf, dass das Vorjahr in der Weltluftfahrt ein absolutes Ausnahmejahr mit extrem niedrigen Werten bei den Opferzahlen gewesen sei.
"Kein Grund zur Panik"
Nach der Analyse des Hamburger JACDEC-Flugunfallbüros für das Luftfahrtmagazin "Aero International" (Januar-Ausgabe) lag die Opferzahl 2018 zwar schon oberhalb des 10-Jahres-Durchschnitts von 448 Toten, aber immerhin noch weit unter dem 25-Jahres-Schnitt von 844 Todesopfern. Kein Grund zur Panik also, meint das JACDEC-Büro, das seit knapp 30 Jahren die Unfälle und schweren Zwischenfälle der Zivilluftfahrt registriert und analysiert. Erfasst werden Flugzeuge mit über 5,7 Tonnen Gewicht oder 19 Sitzen.
"Der langfristige Vergleich zeigt, dass die ohnehin geringe Zahl der Verunglückten im Luftverkehr weiter sinkt, während die Zahl der Passagiere ansteigt", meint auch der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BdL), der bei der Sicherheitsbilanz im Luftverkehr zu ähnlichen Ergebnissen kommt. "Die Bemühungen von Flugzeugherstellern, Luftverkehrswirtschaft und Behörden, das hohe Sicherheitsniveau im Luftverkehr zu erhalten, zahlen sich also aus", meint der BDL-Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow.
189 Menschen starben
Unter den schweren Unglücken war dieses Jahr auch der Absturz einer Boeing 737 MAX der indonesischen Fluggesellschaft Lion Air. Die fast nagelneue Maschine war am 29. Oktober nur elf Minuten nach dem Start in Indonesiens Hauptstadt Jakarta ins Meer gestürzt, alle 189 Insassen starben. Ermittler untersuchen auch, ob die Piloten richtig reagierten, als möglicherweise falsche Sensorangaben ein Hilfssystem aktivierten und den Bug des Jets immer wieder nach unten drückten.
Die Piloten hätten das System im Cockpit wieder abstellen können, was aber offensichtlich nicht geschah. Obwohl der Abschlussbericht der Ermittler erst im kommenden Jahr vorliegen wird, ist bereits für den Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt klar: "Dieser Unfall ist vor dem Hintergrund der aktuellen Unfallbilanz ein Alarmsignal für mich."
Meisten Unfälle im asiatischen Raum
Denn regional seien in diesem Jahr die meisten schweren Unfälle bei Airlines im asiatischen Raum passiert. "In Europa und auch in den USA ist die Luftfahrtwelt ja weitgehend in Ordnung - selbst bei den Billig-Airlines; schwierig sind aber bestimmte Regionen in Asien, wo man sich strukturell Sorgen machen muss." Dortige Fluggesellschaften würden immer wieder durch Massenbestellungen hunderter neuer Jets Schlagzeilen machen, ohne aber über genügend erfahrene Crews oder Mechaniker zu verfügen. "Die haben sich lange Zeit vor allem in den USA bedient und erfahrene Flugkapitäne weggekauft", meint der Experte. Doch inzwischen sei der Markt weitgehend leer gefegt.
Das bestätigt auch der Luftfahrtautor Gunter Hartung, der in seinem gerade erschienenen Werk "Lust am Fliegen - Piloten und ihr Weg ins Cockpit" Flugzeugbesatzungen weltweit nach ihrer Berufswirklichkeit befragt hat. "Es gibt einen Riesenbedarf an Piloten - vor allem, wenn sie flexibel sind und den Weltmarkt im Auge haben", sagt er. Der Markt sei positiver als oft dargestellt - auch wenn die Bezahlung nicht mehr so üppig sei wie früher. Nach einer Airbus-Studie dürfte sich die globale Passagierjet-Flotte bei einem jährlich 4,4-prozentigen Verkehrswachstum in den kommenden 20 Jahren auf mehr als 48.000 Maschinen verdoppeln. Das würde einen Bedarf für 540.000 neue Piloten schaffen, heißt es in der Studie. (dpa)