Bergen. Hurtigruten hat's: Schiffsreisen in Kombination mit völlig flexiblen und individuellen Landprogrammen. Die Postschiffe bieten allerdings keine Kreuzfahrt im eigentlichen Sinn. Und gerade das macht für viele ihre Faszination, ja ihren Mythos aus.

Wenn am Nordmeer die Zeit der endlosen Sommertage anbricht, gibt's auf der „MS Nordkapp” und ihren 13 Schwesterschiffen großes Landschaftskino rund um die Uhr. Und dann hat der Werbespruch der Hurtigruten-Linie eine gewisse Berechtigung: „Die schönste Seereise der Welt”. 4700 Kilometer misst die komplette zwölftägige Hin- und Rückfahrt von Bergen im Süden Norwegens bis hoch nach Kirkenes, wo der Nordpol schon naht.

Es sind Fjordlandschaften wie diese, die für die Faszination Hurtigruten stehen. Insgesamt 34 Hafenstädte werden durch die Schiffe der traditionsreichen Reederei angelaufen.
Es sind Fjordlandschaften wie diese, die für die Faszination Hurtigruten stehen. Insgesamt 34 Hafenstädte werden durch die Schiffe der traditionsreichen Reederei angelaufen. © MSG

Die Hurtigrute darf als einer der ältesten europäischen Reiseklassiker gelten, dessen Anfänge aber eben mit Tourismus wenig zu tun hat. Sie ist keine Kreuzfahrt, und gerade das macht für viele ihre Faszination, ja ihren Mythos aus. Die 14 Linienschiffe dienen bei allem zeitgemäßen Komfort als Transportmittel für Waren und Menschen und halten deshalb entlang der zerklüfteten und gebirgigen norwegischen Küste an 34 Hafenstädten. Für die kleinen unter ihnen ist das Postschiff so etwas wie das Tor zur Welt.

Auch nervöse Zeitgenossen überkommt Gelassenheit

Die Postschiffe wurden darüber zu einem Stück norwegischer Identität, es ist nicht übertrieben zu sagen: Sie haben diese zum Teil erst geschaffen. Bevor im Jahr 1893 auf Initiative des deutschstämmigen Kaufmanns Richard With die Linie eröffnet wurde, war eine Sendung aus Oslo Monate unterwegs, bis sie in dem gebirgigen Land ihren Empfänger erreichte. Das tägliche Linienschiff verkürzte diese Frist deutlich und trug allein durch seine Existenz dazu bei, zwischen dem abgelegenen Norden und den südlichen Zentren des Landes so etwas wie ein gemeinsames Nationalgefühl entstehen zu lassen.

Der eilige Handels-Reisende mag die zerklüftete, von engen Fahrrinnen, hohen Bergen, Inseln, Fjorden und unzähligen Schären übersäte norwegische Nordküste früher als Hindernis empfunden haben. Die Touristen heute erfreuen sich an ihrer einzigartigen, vielfältigen Schönheit, die keine Langeweile aufkommen lässt. Auf einem der Sonnendecks zu sitzen und die schroffen, dünn besiedelten, oft baumlosen Urlandschaften an sich vorüber ziehen zu lassen - das kann auch nervösen Zeitgenossen ein Gefühl nie gekannter Gelassenheit bescheren.

Reiseunterbrechungen ohne weiteres möglich

Die engen Felsenkessel machen den Trollfjord zur spannenden Passage.
Die engen Felsenkessel machen den Trollfjord zur spannenden Passage. © MSG

Ein Reise-Höhepunkt sind die nördlich des Polarkreises liegenden Insel-Gruppen der Lofoten und Vesteralen. Auf ihnen wachsen ansatzlos ab Meereshöhe Berge von 1000 Metern und mehr in den Himmel. Es sind steile, trutzige Kameraden, die zu erwandern durchaus anspruchsvoll ist. Auf den Lofoten warten mit dem Raftsund und dem Trollfjord auch 1a-Attraktionen auf die Schiffsreisenden. Die Lofoten bieten sich auch für eine Unterbrechung der Seereise an, um die Inseln genauer zu erkunden, zu wandern oder an den schönen Stränden zu entspannen. Im Hauptort Svolvaer ließe sich der köstliche Stockfisch probieren.

Solche und andere Reise-Unterbrechungen beliebiger Dauer sind mit der Hurtigrute ohne weiteres möglich, da täglich ein Schiff jeweils nord- und südwärts fährt. Die Linienschiffe sind also beileibe nicht nur für Dauerfahrten geeignet, sie bieten gerade auch die Möglichkeit des kurzweiligen „Hoppings” von Region zu Region, unter Mitnahme des eigenen bzw. eines Mietwagens.

Von der Landstraße auf den Gletscher

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Das kann so aussehen, dass man im Rahmen eines mehrwöchigen Urlaubs mehrmals für eine Nacht oder zwei aufs Schiff geht, um so auf angenehme Art einen weiteren Landesteil zu erreichen und anschließend auf eigene Faust zu erkunden. Entspannter lässt sich Norwegen kaum bereisen, zumal Autobahnen im Norden und in der Mitte des Landes wegen der extrem gebirgigen, von Fjorden durchzogenen Topografie unbekannt sind. Lange Autofahrten können da rasch in Stress ausarten und wegen der vielerorts nötigen Fähren auch recht teuer sein.

Ein weiterer längerer Halt lohnt sich in der Provinz Troms, die etwa die Mitte zwischen Polarkreis und Nordkapp markiert. Abgesehen von der architektonisch interessanten Eismeerkathedrale, ist der Hauptort Tromsö eher kein Muss, die Umgebung aber ist großartig und bietet etwa in der Bergregion Lyngfjellan hochalpine Freuden schon ab 400 bis 500 Metern Seehöhe. Wo gibt es in den Alpen die Möglichkeit, quasi von der Landstraße weg einem Gletscher wandernd aufs Haupt zu steigen? Hier ist es möglich.

In Norwegen kommt Fisch auf den Tisch

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Da Berge und Gletscher in Norwegen ähnlich viel Umsicht erfordern wie ihre großen Brüder in den Alpen, bieten eine Reihe professioneller Tourenguides dafür ihre Dienste an. Einer von ihnen ist Tom Frode, ein Experte für polare Wanderabenteuer, der schon dem bergverrückten Prinz Albert von Monaco diente. Ein netter Kerl ist Tom dazu. Der kernige Norweger führt nicht nur, er sorgt an aussichtsreicher Stelle auch für ein Lagerfeuer und zaubert für seine Schützlinge erstaunlich schmackhafte Fertiggerichte aus dem Rucksack.

Kulinarisch wird Norwegens Norden ohnehin unterschätzt. Natürlich dreht sich hier alles um den Fisch, der häufig mit einem Niveau und in einer Vielfalt auf den Tisch kommt, die dem Reichtum der Fanggründe angemessen ist. Nicht zufällig haben sich auch die Köche der Hurtigruten-Schiffe in puncto Kulinarik einen guten Ruf erarbeitet.

Auf das Alter der Schiffe achten

Während Grund-Service und Qualität der Verpflegung auf allen Schiffen in etwa gleich sind, sollte der Reisende bei der Buchung dem Alter der Schiffe einige Aufmerksamkeit widmen. Faustregel: Je jünger desto größer ist es und desto mehr steht der Kreuzfahrt-Charakter im Vordergrund. Moderne Schiffe wie die „MS Finnmarken” oder die „MS Nord-Norge” glänzen mit riesigen Salons und allerlei Zerstreuungen und bieten Platz für bis zu 700 Passagieren. Auf den älteren, kleineren - etwa der „MS Västeralen” - ist der Postschiff-Charakter hingegen stärker erhalten. Es herrscht eine intimere Atmosphäre, die ein wenig an vergangene Zeiten erinnert.

Das gilt erst recht für die zwei Flotten-Methusalems aus den 1950er Jahren, „MS Lofoten” und „MS Nordstjernen”. Die Oldies besitzen nostalgische kleine Salons und Kabinen mit altem Holz-Interieur und können maximal 160 Gäste befördern. Sie sind das richtige für Nordland-Puristen, während es die Komfort-Fraktion in der Regel eher auf die großen Pötte ziehen dürfte. Es ist nicht zuletzt diese sorgfältige Pflege der eigenen Geschichte, die die Hurtigrute zu einer besonderen Seereise macht.

Info: Norwegen

  • Anreise: Lufthansa, SAS oder Norwegian fliegen täglich ab Düsseldorf nach Oslo, von dort gehen Regionalflüge in nahezu alle größeren norwegischen Städte. Mietwagen ab etwa 70 Euro pro Tag. Wer mit dem eigenen Auto reist, wird sich in der Regel von Kiel aus nach Oslo oder Bergen bringen lassen.
  • Preise: Einmal die gesamte Strecke von Kirkenes bis Bergen oder umgekehrt, schlägt im Sommer ab 1225 Euro pro Person zu Buche, Kabine und Vollpension inklusive. Teilstrecken sind grundsätzlich teurer. Eine Tages- und Nachtpassage, etwa von Tromsö nach Svolvaer/Lofoten, kostet pro Person 148 Euro, in diesem Fall ohne VP.
  • Klima: Obwohl die Nordhälfte Norwegens auf der Höhe Grönlands liegt, herrscht ein eher gemäßigtes Klima. Im Sommer klettert das Thermometer allerdings selten höher als 25 Grad.
  • Kontakt: Hurtigruten, 040/37 69 30
  • Pauschalen: Der Busreiseveranstalter Blitz-Reisen bietet kombinierte Bus-Schiffsreisen mit Hurtigruten an. In der Saison 2009 sind die meisten Landausflüge während der Hurtigruten-Reise im Preis enthalten; Info: 02206/60 010

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