Frankfurt. Der Ebbelwoi ist neben dem hessischen Dialekt und dem Bankenviertel vielleicht die Besonderheit Frankfurts. Das wissen inzwischen auch die New Yorker, denn die “Times“-Macher vom Big Apple nahmen Frankfurt in eine Liste der “Places to be“ auf. Nicht zuletzt wegen des gegorenen Apfelsafts.

Ob es wohl Ebbelwoi am Big Apple gibt? Bembel am Broadway? Vermutlich nicht. Der New York Times schmeckt der herbe Apfelwein offenbar trotzdem – weswegen sie Frankfurt, die Hauptstadt des goldenen Stöffchens, unter die 52 „Places to be“ 2014 gewählt hat. In der Liste der Orte, die man gesehen haben muss, liegt die Main-Metropole sogar auf Platz 12 – vor vermeintlichen Traumzielen wie den Seychellen. Überzeugt hat die New Yorker Journalisten die Kultur und Gastronomie der Mainmetropole. Und Frankfurts Gastronomie ohne Ebbelwoi – das ist wie ein Inselparadies im Indischen Ozean ohne Palmen und Sandstrand.

„En wunnerscheene Gemosche!“ Einen wunderschönen guten Morgen! Gut gelaunt und mit einem Lächeln kommen Kunden aus dem Hofladen von Andreas Schneider. Flasche für Flasche stapeln sie ihr „Stöffche“ im Auto. Im nordöstlichsten Zipfel Frankfurts, am Steinberg, hat er seinen Obsthof. Hier wachsen die Äpfel, die später in flüssiger Form im „Gerippten“, dem Glas mit Rautenmuster landen.

Wenn der Wein im Fass vor sich hin rauscht

Ein leichtes Prickeln kitzelt die Zungenspitze. Es riecht nach überreifem Apfel, es schmeckt herb und fruchtig: Der „Rauscher“ ist die Vorstufe des Ebbelwois, ein noch gärender, leichter Apfelwein. Und der trägt seinen Namen nicht etwa wegen seiner berauschenden Wirkung, sondern weil man ihn rauschen hören kann, wenn er im Fass vor sich hingärt.

Und wenn man den Rauscher rauschen lässt, entsteht irgendwann der berühmte Ebbelwoi, sortenrein oder gemischt, meist herb und säuerlich, je nach Apfelsorte aber auch süß-süffig. „Es gibt Weine, die gären bis zu einem Jahr, bevor sie reif sind“, erklärt Andreas Schneider, der seit 1993 den elterlichen Hof am Steinberg leitet.

Die Ernste zieht sich bis in den November

Während der 45-Jährige erzählt, fliegt ein Schwarm Zugvögel über die Obstbäume hinweg. „Jetzt wird es Zeit“, sagt er. Zeit, auch die restlichen Früchte von den Bäumen zu holen. Noch bis Mitte November wird die Ernte dauern, schätzt er.

Säfte, Schaumwein, Sekt und natürlich der Apfelwein, auch Äppler genannt, liefert Schneider an Restaurants, Apfelweinhandlungen und Kneipen. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Luxus-Hotel Jumeirah ist geplant, wo der Apfel schon jetzt eine große Rolle spielt: Im Spa-Bereich verwöhnt er in Cremes und Ölen Haut und Haar der Hotelgäste, im Restaurant verfeinert er als Gelee die Desserts.

Schoppepetzer schwören auf Ebbelwoi

Noch regionaler als die Äpfel ist nur der Honig. Der wird nämlich von den rund 40.000 Bienen produziert, die vom Hoteldach ausschwärmen, Balkon-Blumen und Bäume der Stadt bestäuben und nebenbei leckeren Honig produzieren. Und der sei gesünder als man vermuten mag, sagt Ulrike Baumann, Marketing-Managerin des Hotels. Bienen können Abgase nicht aufnehmen.

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Gesund soll auch der Ebbelwoi sein. Das sagen die Schoppepetzer, also die Apfelweintrinker, wenn sie in einer der traditionellen Äpplerwirtschaften sitzen. Wie bei Apfelwein Wagner zum Beispiel. Hier sitzen die Gäste auf langen Bänken an rustikalen Holztischen. Frankfurter treffen sich nach Feierabend, Touristen lassen den Tag nach Stadtführung oder Museumsbesuch ausklingen. Es herrscht reges Treiben, Kellner eilen mit Bembeln, also den traditionellen, blau bemalten Steingutkrügen, durch die Reihen.

So wurde die New York Times überzeugt

Der Ebbelwoi schmeckt offenbar allen. In den Szenekneipen im Stadtteil Alt-Sachsenhausen wird er in der Disco getrunken, im Sternerestaurant wird er zum Drei-Gänge-Menü serviert. So mancher Tourist muss sich aber erst an den herb-säuerlichen Geschmack gewöhnen. Sauer gespritzt, also Ebbelwoi mit Mineralwasser, sei deshalb „durchaus okay“, sagt Jens Becker, Inhaber der Apfelweinhandlung JB. Und süß gespritzt, mit Orangen- oder Zitronenlimo? Da rümpft der Kenner die Nase. „Apfelwein ist nicht gleich Apfelwein“, sagt er. Es gibt süße Sorten, aber auch herbe. „Man muss dem Wein eine Chance geben.“ Heißt: Genuss in großen Schlücken. Nur so lassen sich alle Geschmacksrezeptoren auf der Zunge gleichermaßen aktivieren. Eine Methode, die auch die Experten der New York Times überzeugt hat.